Medizin:Den Körper im Blick

Als erste Deutsche habilitierte sich 1918 Adele Hartmann in München

Von Sebastian Krass

Der 20. Dezember 1918 war ein historischer Tag für die medizinische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Abends um "6 Uhr punkt", wie es auf der Einladungskarte steht, hielt Dr. med. Adele Hartmann in der Poliklinik, Pettenkoferstraße 8a, Hörsaal 235, ihre Antrittsvorlesung. Ihr Thema: "Ueber die bisherigen Erklärungsversuche der Zellteilung". Der Vortrag war Teil von Hartmanns Habilitationsverfahren, und er muss gut gelaufen sein. Denn schon knapp zwei Monate später wurde sie zur Privatdozentin ernannt und war damit die erste habilitierte Frau Deutschlands.

Geboren wurde Hartmann am 9. Januar 1881 als älteste Tochter einer bayerischen Offiziersfamilie in Neu-Ulm. Nach mehreren Umzügen landete die Familie in München. Hartmann besuchte das Max-Joseph-Stift, eine Höhere-Töchter-Schule, das damals direkt gegenüber dem LMU-Hauptgebäude lag. Sie legte eine Prüfung zur Sprachlehrerin ab, das Abitur verwehrte ihr der Vater aber. Hartmann arbeitete als Erzieherin in England, kehrte nach München zurück und setzte ihren Wunsch durch: Nach vierjähriger Vorbereitung absolvierte sie 1906, also mit 25 Jahren, als Externe am Ludwigsgymnasium das Abitur. Seit 1903 waren Frauen an der LMU zum regulären Studium zugelassen. Sie schrieb sich für Medizin ein und ließ sich nicht mehr aufhalten: 1911 legte Hartmann das Staatsexamen ab, ein Jahr später folgte die Approbation, 1913 der Doktortitel mit einer Arbeit "Zur Entwicklung der Bindegewebsknochen". Zu ihren Lehrern zählte auch Conrad Röntgen. Nach der Promotion forschte Hartmann als Assistentin in der Anatomie.

Ihre Arbeit als Hochschullehrerin und ihre Publikationen trugen Hartmann große Anerkennung älterer Kollegen ein, 1924 erhob die LMU Hartmann in den Rang einer außerordentlichen Professorin. Hartmann untersuchte vor allem die Entwicklung der Niere und welche Auswirkungen Röntgenstrahlen auf Organismen haben. Ende der Zwanzigerjahre bekam sie erstmals gesundheitliche Probleme. Sie arbeitete weiter als Konservatorin in der Anatomie. Doch Mitte der Dreißigerjahre musste Hartmann sich beurlauben lassen. Am 15. Dezember 1937 erlag sie ihrem Krebsleiden.

Heute ist eine Straße in der Nähe des Uni-Klinikums in Großhadern nach ihr benannt. Außerdem hat die LMU ein Adele-Hartmann-Programm aufgelegt. Damit will die Uni " ihre Attraktivität bei der Berufung von herausragenden W2-Professorinnen" steigern.

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