Medizin:Babys aus dem Eis

Ursprünglich wurde die Methode entwickelt, um krebskranken Frauen nach der Chemotherapie zu einem Kind zu verhelfen. Daraus wurde ein Trend

Von Christina Berndt

Am Anfang ging es gar nicht um gesunde Frauen. Die Ärzte und Wissenschaftler am Universitätsklinikum Erlangen wollten ihren krebskranken Patientinnen zu eigenen Kindern verhelfen. Denn soviel war sicher: Chemotherapie und Strahlenbehandlung sind Gift für die Eierstöcke. Vielen Tumorpatienten würde die Krebstherapie zwar das Leben retten, aber die Chance auf eine eigene Familie zerstören. Schon in den 1980er-Jahren versuchten die Erlanger Forscher deshalb, vor der Krebsbehandlung einen Eizellvorrat im flüssigen Stickstoff für ihre Patientinnen anzulegen: Wenn die Frauen den Krebs hinter sich hätten, könnte das die Grundlage für eine eigene Familie sein.

Tatsächlich wurde die revolutionäre Idee wahr: Im Februar 1987 wurde in Erlangen erstmals in Deutschland ein Baby aus einer kältekonservierten Eizelle geboren, das zweite weltweit. Ralf Dittrich kam kurz danach als Doktorand in das IVF-Labor des Uniklinikums. Er erinnert sich noch gut an die Zeit, als wenigen Patientinnen die hochmoderne Methode angeboten wurde. Es klappte mit den Babys nicht immer, aber einige Frauen konnten sich mit Hilfe der Eizellen aus dem Eis über ein Kind freuen.

Längst ist Ralf Dittrich der Leiter des IVF-Labors geworden. Und seit einiger Zeit kommen auch gesunde Frauen zum Social Freezing, der gesellschaftlichen Variante des medizinisch begründeten Egg Freezings. Schließlich drohen nicht nur Krankheiten Mutterträume zu zerstören, sondern auch das Leben selbst. Mit jedem Jahr schwinden die Chancen auf ein Kind, kritisch ist vor allem das Alter der Eizellen. Deshalb kann ein tiefgefrorener Eizell-Vorrat, früh genug angelegt, eine Option sein. "Ich hatte immer gedacht: So groß ist der Bedarf nicht", sagt Dittrich. Doch inzwischen interessierten sich Tausende Frauen bundesweit für das Einfrieren von Eizellen, und die Erfolgschancen seien mittlerweile beachtlich.

Der Professor hat Verständnis dafür, dass Frauen alles versuchen, um ihre Fruchtbarkeit zu erhalten. "Aus biologischer Sicht ist die Reproduktion ein integraler Bestandteil des Daseins", sagt Dittrich. Er ist gegen Bevormundung: Frauen sollten selbst entscheiden können, wann sie ein Kind bekommen. Zugleich sieht Dittrich durchaus Risiken. "Es besteht die Gefahr, dass Babys immer später geplant werden", sagt er. "Und wenn die Frauen zu lange warten, werden sie womöglich doch nicht mehr Mutter." Noch dazu steigen die Risiken der Schwangerschaft mit dem Alter der Frau. Über 50 rät Dittrich deshalb von künstlicher Befruchtung ab.

"Social Freezing ist eine Chance, keine Garantie", betont Michael von Wolff von der Unifrauenklinik in Bern. Die Risiken für die so geborenen Kinder scheinen indes gering zu sein. Weltweit sind schon mehr als 1500 gesunde Babys aus eingefrorenen Eizellen geboren. "Trotzdem diskutieren Reproduktionsmediziner in letzter Zeit verstärkt über eventuelle negative Folgen der künstlichen Befruchtung", sagt Wolff. Leicht erhöhte Risiken für Fehlbildungen, für Asthma und Diabetes sind in großen Studien zutage getreten. Der natürliche Weg zu Baby ist in jedem Fall nicht nur sicherer, sondern auch angenehmer.

Das scheinen sich auch viele Frauen zu denken. Denn oft greifen sie auf ihre eingefrorenen Eizellen gar nicht zurück, sondern versuchen es bald nach dem Social Freezing mit einer Schwangerschaft durch altmodischen Sex, wie Dominic Stoop von der FU Brüssel herausgefunden hat. Wer sich mit Social Freezing befasse, denke eben auch grundsätzlich übers Kinderkriegen nach, meint Stoop. Das könnte den Tatendrang befördern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: