Maya-Schatz:Rätselhafter Schatz

Fälschungen oder Stücke von unschätzbarem Wert? Der spektakuläre Fund der Münchner Kunstfahnder wirft Fragen auf - auch nach den rechtsmäßigen Besitzern.

Susi Wimmer

Die präkolumbischen Kunstwerke, die Fahnder des LKA letzte Woche in einer Lagerhalle entdeckt haben, gehören womöglich zu einem noch größeren Schatz. Die Staatsanwaltschaft in Guatemala erklärte der Süddeutschen Zeitung, die Sammlung sei in Wirklichkeit dreimal so groß wie die in München sichergestellte Menge.

Maya-Schatz München

14 Länder haben Rechtsanspruch auf einzelne Stücke des Maya-Schatzes erhoben.

(Foto: Foto: oh)

Die Justizbehörde des mittelamerikanischen Landes kündigte an, weltweit nach der kompletten Indio-Sammlung fahnden zu wollen. Außerdem will sie nach Sichtung der Indio-Kulturgüter einen internationalen Haftbefehl gegen den angeblichen Besitzer der Stücke prüfen. Gleichzeitig meldet sich ein Maya-Experte zu Wort, der behauptet, viele der Stücke seien Fälschungen.

Das bayerische Landeskriminalamt (LKA) hatte am Dienstag, gestützt auf eine Ausstellungs-Inventarliste und Rechtshilfeersuchen mehrerer lateinamerikanischer Staaten an Interpol, den Wert des Fundes auf etwa 100 Millionen Dollar - rund 64 Millionen Euro - beziffert. Die Exponate sind bekannt, weil sie vor elf Jahren in einer Ausstellung in Spanien zu sehen waren.

Die Inventarliste der damals gezeigten Gegenstände liegt dem LKA vor. Nikolai Grube, Altamerikanist an der Universität Bonn, schätzt den Wert auf rund zehn Millionen Euro. Dagegen sagte der zuständige Abteilungsleiter im Kultusministerium in Guatemala der Süddeutschen Zeitung, bei den vermissten Exponaten aus seinem Land handele es sich um Stücke "von unschätzbarem Wert".

Für die Münchner Kunstfahnder ist die Sicherstellung des präkolumbischen Schatzes auf alle Fälle ein großer Coup. Nachdem Interpol gemeldet hatte, dass die 1997 im spanischen Santiago de Compostela per Gericht verwahrte Sammlung verschwunden sei, lief die Fahndung auch beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden auf Hochtouren. Alle Landeskriminalämter wurden alarmiert und auch die Münchner Kunstfahnder des LKA eingeschaltet.

"Das sind vier bis fünf Kollegen, die auch privat ein Faible für Kunst haben, auf Messen und Auktionen unterwegs sind und sich weiterbilden", sagt Kriminaldirektor Gerald Busch. Die Truppe sei Ansprechpartner für Museen, arbeite eng mit Experten zusammen und helfe im Gegenzug den Museen etwa bei der Sicherung von Exponaten - oder warne vor Attentätern.

Rätselhafter Schatz

Als beispielsweise der psychisch kranke Hans-Joachim B. 2004 aus der Psychiatrie in Hamburg entlassen wurde, alarmierten die Kunstfahnder sofort die Museen in München. Denn der Kunstschänder hatte unter anderem 1988 vor den Augen einer entsetzten Schülergruppe drei Gemälde von Dürer, darunter die Beweinung Christi, mit Schwefelsäure übergossen.

Diesmal wurden die Münchner Kunstfahnder auf den Transport aus Santiago de Compostela angesetzt. Sie trafen sich mit Experten, redeten auch über den mutmaßlichen Besitzer der Sammlung, den 66-jährigen Leonardo Augustus P. aus Costa Rica, und fingen an zu recherchieren. Sie klopften Dateisysteme ab, wühlten in der Riesen-Datenbank "Lost art register" eines privaten Unternehmens, hörten sich in der Branche um und kamen bald zu dem Ergebnis, dass sich P. zur Zeit in München aufhalte.

"Wie bei einem Mosaik, das man Stück für Stück zusammensetzt", sagt Gerald Busch, stießen die Fahnder auf eine Lagerhalle, in der die Kunstschätze fein säuberlich in Kisten verpackt schlummerten. Offenbar ein grandioser Anblick: Kistenweise Statuen, Schnitzereien, Schmuck und Kulturgüter aus der Maya-, Inka- und Azteken-Ära. "Ich bin ziemlich stolz auf die Burschen", zollt Dezernatsleiter Busch den Fahndern seinen Respekt.

Sichergestellt und fachmännisch verwahrt

Und jetzt? "Jetzt passiert erst mal nichts", meint Busch. Die Schätze seien sichergestellt und fachmännisch verwahrt und werden an dem geheimen Ort so lange bleiben, bis weitere rechtliche Schritte geklärt sind. Zum einen könnte es sein, dass Spanien einen Antrag stellt, dass die aus dem dortigen Lager abtransportierten Kisten wieder zurückgebracht werden müssten. Dann bliebe den Münchnern auch die lange Aufbewahrung der Kulturgüter und die Klärung, was denn nun wem gehört, erspart. Ansonsten aber müsste man sich auf eine längere Wartezeit gefasst machen: 14 lateinamerikanische Staaten haben Rechtsanspruch auf die einzelnen Stücke erhoben.

Dass die Besitzfrage nicht von heute auf morgen entschieden werden kann, zeigt ein Fall aus dem Jahr 1997: Damals hatten die Kunstfahnder einen türkischen Archäologen in München aufgespürt, der in seiner Wohnung etwa 5000 Kunst- und Kulturobjekte im Wert von gut 50 Millionen Euro aus dem Norden Zyperns eingelagert hatte.

Das Landeskriminalamt stellte die geraubten Kulturgüter sicher und lagert sie nun seit elf Jahren sicher und trocken ein. "Die juristische Seite ist jetzt durch", sagt Busch, die Rückgabe allerdings sei nun zum "hochpolitischen Thema" avanciert. Von einer Rückerstattung der Kosten, die so eine jahrelange Einlagerung verschlingt, will Busch gar nicht reden.

Leonardo Augustus P., der sich als Besitzer der präkolumbischen Sammlung bezeichnet, befindet sich auf freiem Fuß. "Wir wissen, wo er ist und haben Kontakt mit ihm über seine Anwälte", sagt Gerald Busch vom LKA. Nun warte man ab, ob Spanien eventuell einen Haftbefehl gegen den 66-Jährigen erlässt, weil er die vermutlich versiegelte Sammlung aus Spanien abtransportiert hat - oder ob eines der vermeintlich geschädigten lateinamerikanischen Länder einen internationalen Haftbefehl herausgibt.

"Erst wenn es einen Haftbefehl gibt, der mit Fakten und Belegen untermauert ist, können wir ihn festnehmen", sagt Busch. Der in Mittelamerika als "Dieb der Schätze" titulierte Mann sei zumindest in München polizeilich noch nicht in Erscheinung getreten.

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