Maxvorstadt:"Zeit, Wissen und Weisheit"

Ursula Ammermann, die scheidende Geschäftsführerin des Münchner Forums, benennt nach 30 spannenden Jahren die Erfolgsprinzipien des Diskussionsvereins, der wesentliche Fragen der Stadtgesellschaft aufgreift

Von Renate Winkler-Schlang, Maxvorstadt

Das Münchner Forum ohne Ursula Ammermann? Das scheint nach 30 spannenden Jahren schier undenkbar - nicht nur für viele, die sich in München mit Stadtentwicklung befassen, sondern offenbar im Moment auch noch für die engagierte 65-Jährige selbst. Doch Ursula Ammermann geht als Geschäftsführerin des Diskussionsforums in den Ruhestand.

Der damalige Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) hatte das Münchner Forum im April 1968 ins Leben gerufen als Reaktion auf Bürgerproteste zum Bau des Altstadtrings. IHK und Handwerkskammer, Verlage und Gewerkschaften und andere Verbände sollten das Münchner Forum als Kommunikationszentrum für Probleme der Stadtentwicklung und als eine Art öffentliches Laboratorium, zur Prüfung von Planungsideen der Stadt oder der Bürgerschaft nutzen. Außerhalb des amtlichen Apparates, aber von ihm maßgeblich finanziell unterstützt.

Exkursion durch die Grünanlagen der Maxvorstadt

Typisch Münchner Forum: Als es darum ging, ob der Finanzgarten einen Konzertsaal beherbergen könnte, lud man zum Rundgang.

(Foto: Florian Peljak)

Knapp 50 Jahre ist das her, 30 davon hat die kommunikative, durchsetzungsstarke und doch diplomatische Diplom-Geografin Ammermann geprägt, die als zweites Standbein - denn offiziell ist der Geschäftsführerposten ein Haltagsjob - ihr eigenes Moderations- und Bürgerbeteiligungsbüro "Citycom" betreibt. Eine Kombination, die für sie gut gepasst hat, auch wenn die Über- oder Ehrenamtsstunden sich in beiden Bereichen zuweilen erheblich gehäuft hätten: "Aber ich mach' das ja gerne." Ihre Firma will sie auch weiterführen.

Maxvorstadt: Die Debatte um die Alte Akademie begleitet Ursula Ammermann mit ihren Kollegen ebenfalls.

Die Debatte um die Alte Akademie begleitet Ursula Ammermann mit ihren Kollegen ebenfalls.

(Foto: Robert Haas)

Im Forum war Ursula Ammermann keine Geschäftsführerin im klassischen Sinn, die nur die Termine der 13 Arbeitsgruppen verwaltet und auf die Finanzen schaut. Das hat ihr nicht gereicht. Noch trägt das Büro an der Schellingstraße ihre Handschrift. Die Aktenordner dicht an dicht beinhalten die brisanten Themen, um die in München gerungen wurde. Sie präsentiert die Ordner zum Alten Hof: "Da hab ich gleich heut' noch Respekt, was wir da erreicht haben", freut sie sich, erfrischend extrovertiert. Und in der Tat: Der Freistaat hat am Ende nicht die gesamte Substanz der früheren Kaiserburg an einen Investor gegeben. Ein Erfolg. Aber nur eines von unzähligen Themen - und die Sauerländerin, die nur deshalb nicht Archäologin wurde, weil es dafür kein Bafög gab, weiß zu jedem eine Geschichte, die strotzt von Detailwissen, wichtigen Namen und witzigen Anekdoten.

Ursula Ammermann, langjährige Geschäftsführerin des Münchner Forums, Abschiedsinterview vor ihrem Ruhestand

Ursula Ammermann ist die scheidende Geschäftsführerin des Münchner Forums.

(Foto: Florian Peljak)

Beispiel Olympiastadion: Zu einer öffentlichen Diskussion über die Frage Umbau oder Neubau einer Fußballarena hatte sie den bekannten TV-Sport-Moderator Harry Valérien als Diskussionsleiter gewinnen können und dank dessen guter Kontakte auch Fußballkaiser Franz Beckenbauer. "Ich habe immer geschaut, dass wir die richtigen Leute auf dem Podium haben."

Natürlich hatte sie eine eigene Meinung, doch das Münchner Forum versteht sich nicht als Interessenvertretung. "Stets kommen alle Argumente auf den Tisch, pro und contra." Das Forum begleite als eine Art "informeller Träger öffentlicher Belange" die Bauleitplanung. Manchmal gerate es in Opposition zur Stadt, in eine "konstruktive Opposition", aber das ist ihr wichtig. "Die Stadt gönnt sich diesen Luxus", sagt sie. Schließlich hätten einige große Städte das Erfolgsmodell kopiert.

2002, München musste sparen, wollte die damalige Stadtbaurätin Christiane Thalgott die städtische Mitgliedschaft im Münchner Forum kündigen, doch der Stadtrat kürzte am Ende den Zuschuss nur um rund ein Viertel. Für Ammermann aber Grund genug, den Verein zu öffnen für neue Mitglieder, ob Firmen oder Privatpersonen. Gesucht habe sie Leute, die nicht fragen, was der Verein für sie tut, sondern was sie für die Stadtgesellschaft tun können.

Dass die Ehrenamtlichen oft ihre aktive Zeit in Planungsbüros, der Verwaltung, im Stadtrat oder im Bezirksausschuss schon hinter sich haben, also nicht mehr die jüngsten sind, sieht Ammermann positiv: "Sie haben Zeit, Wissen und Weisheit." Junge Ideen und Social-Media-Kompetenz hole sich das Forum etwa mit studentischen Praktikanten ins Haus. "Man braucht immer 300 Prozent Optimismus und gute Mitstreiter", sagt sie. 30 Jahre: Im Büro gab es anfangs ein Telefon und eine Schreibmaschine. In ihrer Zeit entstanden die "Standpunkte", die Publikation des Forums, die inzwischen digital 3000 Abonnenten hat. Sie hat das Logo entwickelt, roter Pfeil weist auf wachsames Auge. Das ZDF habe später ein ähnliches erfunden: Sie hat sich beschwert, musste einsehen, dass sie kein Patent auf ihres hat, bekam vom Sender aber eine große Spende und Sendezeit, um das Konzept des Forums vorzustellen. Die regelmäßige Stunde des Forums in "Radio Lora" hat sie erreicht und bestreitet sie selbst. Und die Themen gehen ihr nie aus.

Verkehr und Verkehrsberuhigung, Luftreinhaltung, Nachverdichtung, öffentliches Grün, öffentlicher Raum, sozialer Zusammenhalt - immer wieder neu dekliniert. Dazu Hotspots wie Konzertsaal oder Alte Akademie. Bürgerbeteiligung sei professioneller geworden, Bürger seien anders geworden: Viele ziehen sich zurück, andere sind mündiger oder auch aufmüpfiger, bereit zu klagen, "vor allem, wenn sie glauben, man nehme ihnen was weg". Der Stadt wünscht sie "Fingerspitzengefühl und Augenmaß". Ursula Ammermann wird alles weiterhin begleiten, auch im Münchner Forum - künftig eben ehrenamtlich. Aber erst einmal werde sie in die Kälte reisen, Eisberge anschauen - und dann "nie mehr vor acht Uhr aufstehen".

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