Maxvorstadt:Krieger auf der Matte

Yoga im Klassenzimmer, Joggen im Treppenhaus: Weil die Turnhalle marode ist, muss eine Grundschule beim Sport improvisieren. Andere Schulen, denen eine Sanierung bevorsteht, könnten bald ähnlich gefordert sein

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Nicht nur Karl kann den "Krieger" schon ziemlich gut. Der Neunjährige reckt wie seine 23 Klassenkameraden die Arme in die Höhe, die Beine sind im Ausfallschritt gespreizt. Dicht an dicht stehen sie auf ihren Matten im Klassenzimmer der Grundschule an der Schwindstraße. Die Schüler der 3 b haben wieder einmal Tische und Stühle für den Schulsport zur Seite geschafft. An diesem Tag steht Yoga auf dem Plan. Karl und die anderen machen eifrig mit, doch so richtig warm werden sie nicht mit den fernöstlichen Leibesübungen. "Mittelspaß", mache es ihm, sagt Karl. Die Klasslehrerin Alexandra Weißhäupl merkt an: "Wir haben gelernt, mit der improvisierten Situation umzugehen."

Das Improvisieren ist an der Grundschule in der Maxvorstadt zum Normalfall geworden. Die Turnhalle ist seit Oktober 2015 geschlossen - sicherheitshalber, das Dach könnte einstürzen. Der durchgetaktete Sportunterricht war damit hinfällig, plötzlich mussten kreative Alternativen her - Yoga im Klassenzimmer zum Beispiel. "Für die Schulleitung ist es ein großer Aufwand, das zu organisieren", sagt Rektor Gregor Häuser. Es zeigt sich: Die Schüler bleiben zwar in Bewegung, und ihre Eltern zeigen Verständnis, sind aber dennoch missgestimmt. Denn ohne Halle gibt es keine Unterweisung am Barren oder am Reck, keine Prüfungen in klassischem Turnen. "Diese Fertigkeiten werden ihnen später fehlen", klagt Tatiana Klein, Mitglied des Elternbeirates der Schwindschule.

Maxvorstadt: Herumtollen in der Halle ist derzeit nicht möglich. Das Ersatzprogramm Yoga, so dicht an dicht, macht nur "Mittelspaß", findet ein Neunjähriger

Herumtollen in der Halle ist derzeit nicht möglich. Das Ersatzprogramm Yoga, so dicht an dicht, macht nur "Mittelspaß", findet ein Neunjähriger

(Foto: Robert Haas)

Die missliche Situation begann Anfang Oktober 2015. Techniker des Baureferats stellten bei einer Routineprüfung fest, dass die Betonträger, die das Hallendach abstützen, marode sind. Das Gebäude musste aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Nun ist absehbar, wie lange: Nach Angaben des Baureferats wird zum Beginn der Sommerferien die komplette Dachkonstruktion ausgetauscht. Voraussichtlich zum Jahresende sollen die Arbeiter wieder abrücken. Laut Behörde kostet die Sanierung 750 000 Euro.

Es kommt immer wieder vor, dass die Stadt Turnhallen wegen Sanierungsarbeiten schließen muss - und es wird in den nächsten Jahren häufiger vorkommen. Nach Angaben eines Sprechers der Behördenspitze im Schulreferat sollen qua erstem Beschluss zur Schulbauoffensive mittelfristig 46 Halleneinheiten in 19 Gebäuden geschaffen werden; 33 Einheiten in diesen Einfach-, Zweifach- oder Dreifachturnhallen sollen neu entstehen, das heißt: Es werden Hallen errichtet oder die bestehenden aufgerüstet. Für den Rest, also 13 Halleneinheiten, steht eine Sanierung an. Die Situation in der Schwindschule wirft ein Schlaglicht auf eine unerquickliche Überbrückungsphase, auf die sich betroffene Schulen wohl einstellen müssen.

Maxvorstadt: Bedauert, dass der Sportunterricht ausfallen muss: Rektor Gregor Häuser in der seit Oktober gesperrten Turnhalle.

Bedauert, dass der Sportunterricht ausfallen muss: Rektor Gregor Häuser in der seit Oktober gesperrten Turnhalle.

(Foto: Robert Haas)

Dabei wird deutlich, dass Organisationstalent und Fantasie nötig sind, damit die Körpererziehung nicht zum Stillstand kommt. "Wir haben uns alternative Bewegungsprogramme überlegt", sagt Rektor Gregor Häuser. So rollen die Kinder im Klassenzimmer ihre Yoga-Matten aus; andere Lehrer joggen mit den Schülern das Treppenhaus hinauf und hinunter. Das Sportamt hat so genannte Teamboxen herbeigeschafft. Das sind große Kisten, gefüllt mit allerlei kleinen Sportgeräten wie Spring- und Kletterseilen, Jonglierbällen oder Metallringen zum Werfen. Erleichternd kommt für die Schule hinzu, dass der Winter sehr mild ist; so können die Lehrkräfte mit den Kleinen zum Maßmannpark oder zu einem der umliegenden Spielplätze. Bei nicht zu schlechtem Wetter steht ohnehin der Sportplatz zur Verfügung. Oft unternehmen die Klassen auch Ausflüge zum Schlittschuhlaufen, das Schulreferat zahlt dafür die MVV-Tickets.

Schon im Oktober konnte die Behörde ein partielles Ausweichquartier organisieren: Immerhin acht Hallenstunden wöchentlich stellt die Grundschule an der Dachauer Straße bereit. Das reicht bei den insgesamt 350 Schülern an der Schwindschule allerdings nur für wenige Klassen. Rektor Häuser verhandelt derzeit noch mit der Bundespolizeidirektion, damit diese Kapazitäten in der Polizeisporthalle an der Infanteriestraße frei räumt. "Bisher läuft es ganz gut", charakterisiert Häuser das Alternativ-Sportprogramm. Allerdings betont er, wie aufwendig die Neustrukturierung des Stundenplans sei - und wie bedauerlich, dass der übliche Sportunterricht ausfällt. "Aber ich glaube, die Schüler sind ganz zufrieden."

Das gilt allerdings nur bedingt für die Elternschaft. "Wir sind natürlich sehr dankbar, dass nach kreativen Lösungen gesucht und ein Mindestmaß an Bewegung aufrechterhalten wird ", sagt Elternbeiratsmitglied Tatiana Klein. Doch viele Eltern seien sehr verstimmt darüber, dass ihre Kinder derzeit nur bedingt Sportunterricht erhalten. "Ihnen entgeht eine kontinuierliche Anleitung zum Beispiel im Boden- und Geräteturnen", sagt sie. Einige Techniken könnten nicht vermittelt werden. Ihr neunjähriger Sohn Karl vermisst das Herumtollen in der Halle, kann aber dem Sport im Klassenzimmer durchaus etwas abgewinnen. Seine Mutter weiß den Hauptgrund: "Er muss ja in Yoga keine Prüfungen machen."

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