Maxvorstadt:"Ich setze niemanden auf die Straße"

Maxvorstadt: Angst vor der Zukunft: Die Mieter in diesem Haus an der Augustenstraße wollen ihr Zuhause nicht verlassen.

Angst vor der Zukunft: Die Mieter in diesem Haus an der Augustenstraße wollen ihr Zuhause nicht verlassen.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

Die Eigentümerin des Wohnblocks an der Augustenstraße 96 versichert, dass sie keine Luxussanierung anstrebt. Der Mieterverein hegt dennoch den Verdacht, dass die Bewohner durch Lärm und Dreck vertrieben werden sollen.

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Die Verunsicherung, sagt Pierre Pichler, sei weniger geworden. Doch die Ungewissheit bleibt, wie es für ihn, einen der Sprecher der Mietergemeinschaft Augustenstraße 96, und für die etwa 50 anderen Bewohner in dem Apartmenthaus weitergehen wird. Keiner der Mieter habe eine Nachricht von der Eigentümerin erhalten, nachdem der Mieterverein die Kündigungen aller Mietparteien im November 2015 für unwirksam erklärt hatte.

Doch die Vermieterin hat durchaus eine Vorstellung davon, wie es mit dem Gebäude in der Maxvorstadt weitergehen soll. "Wenn die Mieter im Haus drin bleiben wollen, dann müssen sie die Sanierung hinnehmen", sagt die Frau auf Anfrage der SZ. Nach ihren Angaben laufen die Vorbereitungen dafür bereits. Die Kündigungen will sie nicht zurücknehmen. "Das muss ich ja nicht, weil sie ungültig sind."

Zur Beruhigung der angespannten Lage in dem Haus trägt die Frau mit Wohnsitz in Bogenhausen mit solchen Sätzen wohl kaum bei. Im Gegenteil: Sie erhärten beim Mieterverein den Verdacht, dass die Eigentümerin die Sanierung nur als Vorwand nutzt, um die Mieter aus dem Haus zu drängen und die Wohnungen danach teurer zu vermieten. "Die hat offensichtlich keine Lust, die Vorgaben des Mietrechts einzuhalten", formuliert Guido Evers vom Mieterverein. Der Argwohn der Mieterschützer wird auch dadurch genährt, dass die Eigentümerin die Einschätzung des Mietervereins offenbar akzeptiert - es aber nicht für nötig hält, dies den Bewohnern mitzuteilen oder auch nur mit dem Mieterverein Kontakt aufzunehmen.

Ende September 2015 hatten alle Bewohner in dem Haus an der Augustenstraße 96 überraschend die Kündigung erhalten. Als Grund wurde eine "umfassende Sanierung" genannt. Geplant seien die Erneuerung der Wasserrohrleitungen, der Abflussrohre sowie der Elektroinstallation im Gebäude. Ein Verbleib in den Wohnungen sei "während der Umbauarbeitern unmöglich und nicht zumutbar", erklärte die Eigentümerin in dem Papier. Doch einige Wochen später konstatierte Evers bei einer Mieterversammlung, die Eigentümerin habe keine rechtlich haltbare Begründung geliefert. Er sprach zudem von einem "gravierenden Fall von unberechtigten Kündigungen".

Die Wasserleitungen in dem Haus sind seit mehr als einem Jahr mit Legionellen-Bakterien belastet. Ein Aushang warnt davor, die Duschen zu benutzen. Für die Bewohnerschaft ein großes Ärgernis, dennoch tragen es viele mit Gleichmut. Denn die Mehrheit ist finanziell schlecht gestellt. Die etwa 20 Quadratmeter großen Apartments kosten zwischen 360 und 450 Euro Miete. "Über uns hängt immer noch das Damoklesschwert, dass es für uns doch schlecht ausgeht", beschreibt Pichler die Stimmung im Haus - und seine Angst, womöglich bald dem überhitzten Münchner Mietmarkt ausgesetzt zu sein.

Die Eigentümerin wehrt sich weiter gegen den Vorwurf, die Mieter aus dem Haus drängen zu wollen. "Ich mache hier keine Luxussanierung, und ich setze auch niemanden auf die Straße", sagt sie. Die Sanierung sei dringend notwendig. Sie kündigt jedoch jetzt schon an, dass sie den Mietern keine Mietminderung gewähren werde, da die Sanierungsarbeiten rechtzeitig, schon neun Monate vorher, von ihr angekündigt worden seien. "Ich verstehe die Mieter. Doch das Problem ist: Wenn die Bewohner während der Sanierung merken, dass sie Lärm und Dreck nicht aushalten und dann eine andere Wohnung suchen, geht das nicht auf die Schnelle." Sie verspricht, alles werde "gesetzeskonform gehandhabt". Auch diese Äußerungen nähren das Misstrauen der Mieterschützer. "Mir scheint, sie setzt auf Zermürbung", sagt Guido Evers vom Mieterverein. "Das Kalkül ist: Wenn die Handwerker mal da sind, streichen immer mehr die Fahnen und ziehen aus." Er zeigt sich zudem verwundert darüber, dass die Eigentümerin des Gebäudes Mietminderungen kategorisch ausschließt. "Eine Mietminderung ist bei einer solchen Baumaßnahme nahezu immer berechtigt." Er weist zudem darauf hin, dass der Vermieter Ersatzwohnraum bereitstellen müsse, wenn die Wohnung "unbewohnbar ist", also Strom, Heizung oder Warmwasser für einige Tage abgestellt würden.

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