Maxvorstadt:Geliebt und gefürchtet

Technische Universität München, 2015

Ein Teil des Museumsquartiers: die TU München an der Arcisstraße.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Auf Einladung von Green City und der Evangelischen Akademie Tutzing beschäftigen sich Bürger und Behördenvertreter mit der Situation im Museumsquartier

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Man stelle sich ein Schachbrett von 60 Hektar Größe vor, das ein riesiges Kind in die Finger bekommt. Das kramt lauter kolossale Bauklötze hervor und kippt sie aufs Brett. Die Würfel und Blöcke platziert das Riesenbaby dann willkürlich, dafür schön ordentlich entlang der Linien und Kanten - fertig ist das Museumsquartier in der Maxvorstadt.

Das könnte einem in den Sinn kommen, angesichts der heutigen Topografie rund um den Königsplatz und die Pinakotheken, zwischen Altstadtring und der Augustenstraße. Mehr als 200 Jahre ist dieses Areal der ersten Stadterweiterung zu einem Konglomerat gewachsen. Streng rasterförmig angelegt, doch wie durcheinandergewürfelt stehen hier Prachtbauten mit Kunst-Sammlungen, Kultureinrichtungen, Universitätsgebäude, Wohnhäuser. Dicht bebaut, viel Verkehr, aber auch beeindruckend schön: Das Museumsquartier ist ein Problemkind der Stadtgestaltung, seit vielen Jahren schon.

Eine Generallösung ist nicht in Sicht, wie jetzt wieder bei einer Diskussionsveranstaltung zum "Hochschulviertel in der Maxvorstadt" in der Technischen Universität (TU) München deutlich wurde. "Sie dürfen keinen großen Durchbruch erwarten, nur viele kleine Einzelbausteine", sagt Andreas Uhmann, im Planungsreferat Abteilungsleiter für das innenstadtnahe Gebiet. Es wird aber auch deutlich sichtbar, dass die Behörde keineswegs untätig ist - und sich für die Anliegen der Bürger interessiert. Und auch Stadtplanungsexperten der Universität zerbrechen sich die Köpfe, wie vor allem die Hochschule ins Viertel eingebettet werden kann. "Wir müssen endlich echter Teil des Quartiers werden", sagt Sophie Wolfrum, Professorin am Lehrstuhl für Städtebau und Regionalplanung.

Sie sagte dies unlängst im Konferenzraum im TU-Gebäude an der Arcisstraße. Gut 40 Besucher sind zur Veranstaltung aus der Reihe "Münchner Klimaherbst" gekommen, zu der Green City und die Evangelische Akademie Tutzing eingeladen hatten. Es geht dabei um eine Art Bestandsaufnahme: In Rundgängen sollen die Teilnehmer Abschnitte des Quartiers nach Kategorien wie "Erreichbarkeit", "Dichte" oder "Aufenthaltsqualität" bewerten; dem folgen Vorträge von Fachleuten.

Es zeigt sich zunächst: An diesem Viertel hängt das Herz der Münchner. Sie kommen aus der ganzen Stadt, um mitreden zu können. Peter Neumann, 75, zum Beispiel wohnt am Waldfriedhof, jetzt marschiert er in der Gruppe die Zieblandstraße entlang. Ein angenehmes Viertel sei das, mitunter erstaunlich ruhig: "An der Theresienstraße ist es dafür wieder sehr laut." Und mitunter gefährlich für Fahrradfahrer, weiß Veronika Diem: "Je dichter es wird, desto schwieriger wird es." Sie nutzt die Mittagspause als Mitarbeiterin der TU-Bibliothek, um bei der Viertel-Exkursion dabei zu sein. Es vergehe kaum ein Tag, so versichert sie, an dem sie als Radlerin nicht einem aggressiven Autofahrer begegne. Neben ihr spaziert Andreas Uhmann mit drei Kollegen; auch eine Emissärin der Koordinierungsstelle Kunstareal ist mit von der Partie: "Wir wollen wissen, was die Bevölkerung über das Quartier denkt und welche Probleme die Leute erkennen", sagt Uhmann zu der starken Behördenpräsenz.

Allein, wie die Leute das Museumsquartier wahrnehmen, ist ziemlich unterschiedlich. Die Zieblandstraßen-Tour hinterlässt den Eindruck von "überwiegend sehr ruhig", wie ein Mann sagt. Ein anderer sieht nach dem Fußmarsch an der Luisenstraße das Gebiet als "verlärmt" an. Manche schwärmen, andere schimpfen - zum Beispiel über die Flächen um die Pinakotheken. "Abweisend und uneinladend" seien die. Vieles davon klingt bekannt; bereits 2013 wurden im Bürgergutachten für das Kunstareal Forderungen artikuliert: Verkehrsberuhigung, bessere Freiflächengestaltung, Vernetzung der Institutionen.

Einiges davon sieht das Planungsreferat schon auf den Weg gebracht. Uhmann zählt auf: Die Einführung des Zweirichtungsverkehrs in Teilen der Gabelsberger- und Theresienstraße ist vom Stadtrat beschlossen, ein Freiflächen-Gestaltungsplan derzeit in Arbeit. Und auch das Zusammenwirken der vielen Akteure auf dem Areal - Freistaat, Stadt, Universitäten - sieht er mit der Koordinationsstelle Kunstareal auf gutem Weg: "Es ist ein Prozess, alle in ein Boot zu holen."

Einer der Akteure ist die TU. Doch deren Bauklötze auf dem riesigen Schachbrett sind der Bevölkerung seltsam fremd. Durchaus ungnädig ist dabei Sophie Wolfrum und lässt ihr Missfallen erkennen, dass die TU-Stammgebäude kaum von der Öffentlichkeit frequentiert werden: "Das könnte ein Integrationsraum für die Stadt sein." Und sie äußert auch deutliche Kritik an der Hochschulleitung: "Die Universität könnte Teil des Quartiers sein, doch das ist der TU-Spitze kein Anliegen."

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