Maxvorstadt:Angst vor dem Rauswurf

Maxvorstadt: Einfache Wohnungen in guter Lage: das Haus an der Augustenstraße 96.

Einfache Wohnungen in guter Lage: das Haus an der Augustenstraße 96.

(Foto: Natalie Neomi Isser)

50 Mieter an der Augustenstraße 96 erhalten die Kündigung, weil das Gebäude saniert werden soll. Der Mieterverein glaubt, die Vermieterin will die Bewohner aus Profitinteresse vertreiben - diese dementiert

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Die Kündigung von 50 Mietparteien in einem Apartmenthaus an der Augustenstraße 96 hat bei Stadtteilpolitikern und Mieterverein Bestürzung und Empörung ausgelöst. "Die Vermieterin will das Mietrecht weiträumig umschiffen und sie aus dem Haus treiben", äußerte sich Guido Evers vom Mieterverein am Dienstag bei einer Bewohnerversammlung. In einer Mitteilung spricht der Mieterverein von einem "gravierenden Fall von unberechtigten Kündigungen". Der Vorsitzende des Bezirksausschusses, Christian Krimpmann (CSU), nannte die Kündigungen "eine Unverschämtheit".

Der frühere Eigentümer hatte das fünfstöckige Gebäude vor einem Jahr verkauft. Ende September 2015 erhielten alle Bewohner Post von der neuen Vermieterin - in der Betreffzeile steht: "Kündigung des Mietverhältnisses Augustenstraße 96 (. . .) wegen umfassender Sanierung". Geplant seien die Erneuerung der Wasserrohrleitungen, der Abflussrohre sowie der Elektroinstallation im Gebäude; zudem soll ein neuer Aufzug eingebaut werden. Die Absenderin erklärt, sie sehe sich zur Kündigung gezwungen, "weil ein Verbleib in der Wohnung während der Umbauarbeiten unmöglich und nicht zumutbar ist".

Der Brief hat die Mieter in Angst und Schrecken versetzt, wie bei der Sitzung des Bezirksausschusses deutlich wurde. "Ich bin verzweifelt und bitte um Hilfe", sagte ein älterer, nach eigenen Angaben psychisch kranker Bewohner. Ein Nachbar, 47 Jahre, sagte der SZ: "Es war ein Schock für mich. Es wird kaum möglich sein, zum gleichen Preis in München eine vergleichbare Wohnung zu finden."

Die Bewohnerschaft ist nach SZ-Informationen mehrheitlich finanziell schlecht gestellt; das Spektrum reicht von Studenten bis zu 70-jährigen Rentnern. Einige leben seit Jahrzehnten in einem der 20 Quadratmeter großen Apartments, die offenbar alle möbliert vermietet sind. Die Kosten reichen von 360 bis 450 Euro Warmmiete. Indes sind die Wasserleitungen seit mindestens einem Jahr mit Legionellen-Bakterien belastet. In einem Aushang, datiert vom 14. November 2014, ist von einem "Duschverbot" die Rede. "Ich ignoriere das und wasche mich mit kaltem Wasser", berichtet eine 53-jährige Bewohnerin.

Auf Anraten des Mietervereins und des städtischen Mieterbeirates haben die Bewohner am Dienstag eine Mietergemeinschaft gegründet. Die Versammlung hatte der Bezirksausschuss Maxvorstadt organisiert. "Das ist eindeutig keine ordnungsgemäße Kündigung", beruhigte Mietervereinsvertreter Evers die zwölf anwesenden Mieter. Die Vermieterin haben "nicht einmal ansatzweise" eine rechtlich haltbare Begründung geliefert. Er spielte damit auf dem gesetzlich geforderten Nachweis an, dass der Eigentümer durch den Verbleib der Mieter an der "wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks" gehindert werde. Evers formulierte die Vermutung, die Vermieterin wolle die Sanierung nutzen, um die Grundrisse zu ändern und so bei Neuvermietungen "mehr Geld herauszuschlagen". Der CSU-Ortsverband bedauert in einer Mitteilung, dass "bezahlbarer Wohnraum (. . .) der weiteren Gentrifizierung in der Maxvorstadt zum Opfer fallen soll".

Die Vermieterin mit Wohnsitz in Bogenhausen - der Name ist der Redaktion bekannt - weist die Vorwürfe vehement zurück. Sie bezeichnet sich als Familienunternehmen, das "mehrere Objekte" verwalte. "Ich werde niemanden auf die Straße setzen", versichert die 40-Jährige am Telefon. Und sie dementiert entschieden, eine Luxussanierung im Sinn zu haben: "Das ist Quatsch. Die Wohnungen bleiben so, wie sie sind." Allerdings sei die Sanierung schon wegen des Legionellen-Befalls dringend erforderlich: "Wir wussten beim Kauf nicht, wie marode das Haus ist. Das hat sich erst danach herausgestellt." Sie habe einigen Mietern angeboten, sich kostenlos von einem Makler eine Wohnung suchen zu lassen. "Ich bin offen für Lösungen", betont sie und zeigt sich verwundert über die verängstigte Stimmung im Haus: "Wenn keiner mit mir redet, kann ich auch nicht wissen, dass es ein Problem gibt."

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