Maxvorstadt:Alles, was man braucht

Es begann mit einem Eisenbahnwaggon voller Nägel: Seit nunmehr 85 Jahren halten die Kunden dem Haushalts- und Eisenwarenladen "Suckfüll" an der Türkenstraße die Treue

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Es kommt gar nicht so selten vor, dass jemand zur Türe hereinkommt und Wolfgang Suckfüll die Geschichte mit den Nägeln erzählt. Der kennt die Geschichte natürlich in- und auswendig. Doch er freut sich jedes Mal, denn: "Die Geschichte begründete unseren guten Ruf."

Sie geht so: Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges konnte sein Großvater Karl, seines Zeichens Haushalts- und Eisenwarenhändler, einen ganzen Eisenbahnwaggon voller Nägel erstehen. Damals mangelte es an vielem, aber nicht am Willen der Münchner, das zerbombte Zuhause wieder aufzubauen. Karl Suckfüll hätte wohl ein Vermögen machen können, wollte aber nur sein Auskommen. "Es leiden alle Not", soll er gesagt haben - und verkaufte die Nägel zu fairem Preis, jeder bekam die gleiche Portion.

Es ist unvergessen, dass Karl Suckfüll in schweren Zeiten die Größe hatte, an andere zu denken. Für seine Nachkommen zahlt sich das aus, denn für sie sind es zwar keine schweren, aber doch schwierige Zeiten. Der gute Ruf ist ein Grund dafür, dass dieses Geschäft an der Türkenstraße heuer 85 Jahre alt wird. Ein Laden, der in der Stadt fast einzigartig ist: ein inhabergeführter Vollsortimenter für Haushalts- und Eisenwaren. Die Bezeichnung ist heutzutage nicht mehr geläufig; heute heißt es schlicht Baumarkt. Suckfüll ist einer der letzte Mohikaner in einer Branche, die in München derlei Familienbetriebe weitgehend verjagt hat.

Suckfüll, Firmenporträt, Türkenstraße 31, Maxvorstadt. Altes Eisenwaren- und Haushaltsgeschäft

Im Geschäft Suckfüll gibt es nichts, was es nicht gibt.

(Foto: Florian Peljak)

Lange gab es in den Stadtvierteln Läden, zu denen Wolfgang Suckfüll den passenden Slogan bereit hält: "Wir haben alles, was man braucht. Aber auch nicht mehr." Er zeigt bei einem Rundgang durchs Geschäft auf Batterien von blank polierten Gläsern, spaziert an Türmen von Schüsseln, Töpfen, Pfannen vorbei hinüber zu den Besen, Mülleimern, Klingelschildern. Im Gang mit den Beschlägen, Farben, Lacken und mehr steht ein junges Studentenpaar und wundert sich über das große Sortiment. "Das erwartet man gar nicht", sagt der 21-jährige. Die beiden staunen, wie groß dieser Laden ist, der von außen so klein aussieht. Verblüffen kann zudem die kunstvoll verräumte Fülle der Dinge - 30 000 Artikel auf nur 560 Quadratmetern.

Für den jungen Mann und seine Freundin ist es auch eigenartig, überhaupt ein solches Geschäft vorzufinden. "Die kennen nur die großen Baumärkte", berichtet Suckfüll von Gesprächen mit Kunden. Ach, die Baumärkte: "In den Achtzigerjahren ging das los."

Schon damals blickte die Familie Suckfüll auf eine stolze Firmengeschichte zurück. Großvater Karl hatte mit seinem Bruder Stefan 1932 die Gewerberäume an der Türkenstraße 31 gemietet. Damals war das "Detailgeschäft für Eisen- und Haushaltswaren" noch viel kleiner; es wurde im Krieg teilweise zerstört. Nach notdürftiger Reparatur lief das Geschäft in den Nachkriegsjahren so gut, dass die Familie das Haus 1955 kaufen und komplett umbauen konnte. "Das war entscheidend. Wenn wir nicht Eigentümer wären, hätten wir schon längst aufgeben müssen", zeigt sich Wolfgang Suckfüll überzeugt, der seit 1994 mit seiner Frau Katharina den Betrieb in dritter Generation führt.

Suckfüll, Firmenporträt, Türkenstraße 31, Maxvorstadt. Altes Eisenwaren- und Haushaltsgeschäft

Wolfgang und Katharina Suckfüll sind stolz darauf, mit ihrem Angebot den Baumärkten die Stirn zu bieten.

(Foto: Florian Peljak)

Die Unternehmerfamilie ist damit unabhängig von den steigenden Ladenmieten, die vielen ihrer Konkurrenten und auch Handwerksbetrieben in München zum Verhängnis wurden und immer noch werden. Reihenweise machten Fachhändler dicht - die Zeit der großen Bau- und Heimwerkermärkte war angebrochen. Nach Angaben des Handelsverbandes Bayern (HBE) gibt es in Stadt und Region München derzeit gut 80; sie bieten auf durchschnittlich 10 000 Quadratmetern die doppelte Anzahl von Artikeln an wie Suckfüll. Der Preiskampf zwischen Obi, Toom & Co. ist extrem. "Es ist großartig, dass sich in der stürmischen See dieses umkämpften Marktes eine Firma wie Suckfüll auf Kurs halten kann", sagt HBE-Geschäftsführer Bernd Ohlmann.

Das liegt einerseits an der langen Tradition: Ältere Menschen halten die Treue wegen der Geschichte von den Nägeln und dem großherzigen Großvater. Deren Kinder und Kindeskinder lieben Suckfüll dafür, dass man dort noch immer Schrauben einzeln kaufen kann. An einer kleinen Theke mit Hunderten Schachteln, gestapelt bis unter die Decke, an der verlässlich ein Verkäufer wartet - und den man nicht mühsam suchen muss, wie in einem der riesigen Baumärkte.

Suckfüll Eisen- und Haushaltswaren, Türkenstraße 31 München, Aufnahme um 1934

Schon 1934 war der Laden eine gern besuchte Adresse.

(Foto: Suckfüll/oh)

Die Suckfüll-Kunden schätzen es, nicht alleine zu sein mit den Tausenden Artikeln. Cornelia Deltz, treue Kundin seit 25 Jahren, berichtet, dass sie viele kennt, die froh sind, dass es diesen Laden gibt: "Es ist einfach super, nicht in den Baumarkt fahren zu müssen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: