Max Raabe im Deutschen Theater:Die Eleganz der Zwanziger

"Ich brech' die Herzen der stolzesten Frau'n..." Das "R" rollt, Max Raabe tritt auf, im Frack mit weißer Fliege, durch und durch Eleganz. Er wolle das Publikum nicht mit einer stringenten Handlung langweilen, sagt er, der Abend sei: Musik. Ein Interview.

Interview: Christiane Kögel

Seit 15 Jahren zelebrieren Raabe und sein zwölfköpfiges Palastorchester die Songs der 20er Jahre auf der Bühne. Von heute bis 30. November spielen sie im Deutschen Theater.

SZ: Wann haben Sie bemerkt, dass Sie das "R" heftiger rollen können als andere Menschen? Raabe: Es ist ein technischer Trick, die Stimme vorne zu halten während des Rollens. Ich übertreibe das Ganze ein bisschen, weil man das in den 20ern auch getan hat.

SZ: Warum haben Sie sich eigentlich für diese Musik entschieden? Raabe: Wegen ihrer Stilistik. Ihrer Eleganz. Die Stücke sind alle sehr eingängig und geschmeidig. Die Komponisten der Zeit haben oft das klassische Fach studiert und sind zufällig zur Unterhaltung gekommen.

SZ: Genau wie Sie. Raabe: Richtig. Ich bewundere die Komponisten, die auf kleinem Raum - so ein Stück dauert ja nur drei, vier Minuten - präzise und potente kleine Opern geschaffen haben, mit raffinierten Harmoniefolgen und spannungsreichen Modulationen. Und dazwischen ein Text, der oft sehr sarkastisch und süffisant ist.

SZ: Wie sind Sie an die Musik geraten? Raabe: Wir hatten zuhause einen Plattenspieler, der auch mit 78 Umdrehungen spielte. Und eine Schellack-Platte mit einem lustigen, schnellen Foxtrott. Der hatte in seiner ganzen Heiterkeit eine merkwürdige Melancholie. Das war wohl die Initialzündung. Ich war damals fünfzehn, sechzehn.

SZ: Aber es dauerte dann doch noch zehn Jahre, bis sie in den 20ern landeten. Raabe: Ich habe mich als Bariton ausbilden lassen, weil ich an die Oper gehen wollte. Während des Studiums haben wir das Palastorchester gegründet. Aber wir sahen keine große Zukunft darin. Aber plötzlich lief das alles so gut...

SZ: Warum kommt gerade diese Musik so gut an? Raabe: Die Musik verkörpert eine Art von Humor, der modern ist. Mit Humor meine ich diese merkwürdige Präzision und Akkuratesse, die wir auf der Bühne entwickeln. Manchmal sind wir sehr albern und manchmal sehr seriös, und diese Mischung ist schlicht unterhaltend.

SZ: Also steckt keine Sehnsucht nach Leichtigkeit und Seichtigkeit in schweren Zeiten dahinter? Raabe: Die Zeiten, in denen die Stücke entstanden, waren wesentlich schwerer. Was ich bemerke, ist der Wunsch nach einem bisschen seligen Taumel. Sich fallen zu lassen. Eingelullt zu werden. SZ: Sie stehen an mehr als 120 Abenden im Jahr auf der Bühne. Wann haben Sie zum letzten Mal versehentlich am Frühstückstisch das "R" gerollt? Raabe: Ich bin auf der Bühne nicht anders als im Leben. Nur ein wenig überzogener.

SZ: Sind Sie der Typ der 20er? Raabe: Meinen Stil würde ich als mitteleuropäisch bezeichnen: ein bisschen Firlefanz aus Frankreich, ein bisschen Steifheit aus England, ein bisschen Derbheit aus Deutschland und ein bisschen Trinkfestigkeit aus den skandinavischen Ländern. Aber ich bin niemand aus den 20ern. Ich lebe heute und bin ein Produkt unserer Zeit.

SZ: Haben Sie ein Möbelstück von Ikea zuhause? Raabe: Mmmhh... Ach ja! Der Innenteil meiner Besteckschublade.

SZ: Auf der Bühne fällt vor allem Ihre Haltung auf. Eine gute Kinderstube? Raabe: Lehnen Sie sich mal an einen Flügel, da gibt es nicht sehr viele Möglichkeiten. Man liegt automatisch elegant in der Kurve.

SZ: Was bedeutet Haltung für Sie? Schliff? Benimm? Anstand? Raabe: Erstmal Rücksichtnahme. Dann eine Art von Bequemlichkeit: Mittels meiner Haltung kann ich auch kommunizieren, wann ich nicht angesprochen werden möchte. Wenn ich unsichtbar sein möchte.

SZ: Das ist schön altmodisch. Raabe: Vielleicht. Cool und lässig zu sein, ist dafür nicht sehr individuell - das will heute jeder.

SZ: Sie sind frei davon? Raabe: Ich habe diesen Ehrgeiz nicht. Das hat mich aber nie daran gehindert, überall dabei zu sein.

SZ: Sie transponieren auch Popsongs in den Stil der 20er - historisieren statt modernisieren? Denken Sie umgekehrt wie die meisten Menschen? Raabe: Nicht manisch. Aber wenn ich auf der Bühne als Figur der 20er "Sex Bomb" ins Mikrofon flöte, entsteht eine gewisse Diskrepanz. Wir wollten die härtesten Rocksongs, die die Menschheit erschüttert haben, in einen Foxtrott oder langsamen Walzer verwandeln. Normalerweise macht man etwas fetziger. Wir hingegen entzahnen. Das finden wir komisch.

SZ: Alle Lieder, die Sie singen, handeln von der Liebe. Raabe: Das war schon immer so: Wenn jemand freiwillig einen Song schreibt, geht es fast immer um die Liebe.

SZ: Würden Sie einer Frau heute noch versprechen, mit ihr in den Himmel hinein zu tanzen? Raabe: Selbstverständlich.

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