Mauer vor Flüchtlingsheim:Die Perlacher Mauer ist ein fauler Kompromiss

Mauer um Flüchtlingsunterkunft

Eine Steinmauer trennt eine Flüchtlingsunterkunft und die Häuser von Anwohnern im Münchner Stadtteil Perlach.

(Foto: dpa)

Die Stadt muss mit Anwohnern Konflikte um Flüchtlingsheime ausdiskutieren, anstatt ihnen nachzugeben.

Kommentar von Thomas Kronewiter

Dieser Reflex ist schnell ausgelöst: Die Perlacher Mauer ist ein Skandal, sie muss einer sein - schon der nationalen Welle der Empörung über die "Münchner Mauer" wegen. Vier Meter hoch, soll sie den Nachbarn der Flüchtlingsunterkunft an der Nailastraße zu mehr Ruhe verhelfen. Wobei die Bewohner der Unterkunft den Perlachern keinesfalls unmittelbar in ihre Suppentöpfe schauen könnten - so nahe liegt die Unterkunft gar nicht an der nächsten Bebauung. Solche Argumente aber spielen bei Flüchtlingsprojekten allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Immer häufiger geht es auch in München vor allem um Rechtspositionen - und das nicht etwa nur bei Flüchtlingsheimen. Ist der Bolzplatz zu nahe am Wohnumfeld? Ist der Hol- und Bring-Verkehr zur Kindertagesstätte ermessensfehlerfrei berücksichtigt? Sinkt etwa der Wert des benachbarten, des womöglich eigenen Hauses? Im Zweifelsfall wird geklagt, notfalls durch die Instanzen.

Wie stichhaltig, oder umgekehrt: wie vorgeschoben die vor Gericht genannten Argumente dann sind, ist im Einzelfall schwer zu entscheiden. Wie ernst meinten es die Nachbarn des gerade entstehenden Stelzenhauses am Dantebad, die sich um eine womöglich scheiternde Integration wegen der "kleinen übereinandergestapelten Einzelkabuffs" sorgten? Welchen unzumutbaren Wohn-Lärm befürchten die Perlacher an der Nailastraße von ihren neuen Nachbarn?

In der Praxis werden dann eben auch mal faule Kompromisse geschlossen - wie bei der Perlacher Mauer. Weil man des Erklärens müde, des Werbens um Verständnis, des Wartens auf die letzte gerichtliche Instanz überdrüssig ist. Letztlich drückt sich die Stadt damit aber davor, harte aber notwendige Diskussionen auch zu Ende zu führen.

Selbstlose Helfer am Hauptbahnhof und aktive Helferkreise prägen zwar das Bild der Münchner Willkommenskultur. Die Auseinandersetzung um die Mauer und die überfüllten Bürgerversammlungen, wann immer es um Unterkünfte für Bedürftige, Wohnungslose oder Flüchtlinge geht, zeigen aber, dass auch Sorgen und Protest zur Realität in München gehören. Dies auszublenden und lieber faule Kompromisse einzugehen, ist der eigentliche Skandal.

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