Martinsried:"Es gibt keine Tabuthemen"

Vor 20 Jahren wurde das Innovations-und Gründerzentrum Biotechnologie gegründet

Interview von Rainer Rutz, Martinsried

20 Jahre ist es her, dass das Innovations-und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) auf dem Campus in Martinsried gegründet wurde. Seitdem hat es sich nicht nur zum bedeutendsten Life-Science-Zentrum europaweit entwickelt, sondern vor allem auch zum Mittelpunkt eines High-Tech-Campus mit wissenschaftlichen und universitären Einrichtungen von nationaler und internationaler Bedeutung. Seit 19 Jahren ist Peter Hanns Zobel Geschäftsführer des IZB. Im Gespräch zieht er Bilanz.

SZ: 1995 gab es östlich von Martinsried zwar eine riesige, für die Wissenschaft reservierte Fläche, doch außer Wiesen und Ackerflächen existierten nur die Gebäude der Max-Planck-Gesellschaft und - auf Münchner Grund - das Klinikum Großhadern. Hätten Sie sich damals eine derart rasante Entwicklung vorstellen können?

Peter Hanns Zobel: Wir hatten uns vor 20 Jahren schon einiges vorgenommen - der damalige Wirtschaftsminister Otto Wiesheu hat uns ja beauftragt, "einer der führenden Biotechnologie-Standorte Europas" zu werden. Dass es dann so schnell vonstatten ging, hat niemand zu hoffen gewagt. In 20 Jahren sind hier bereits 150 Unternehmen mit 2500 Arbeitsplätzen geschaffen worden.

Was sind die Gründe für den Erfolg?

Zum einen ist es die Lage des Gründerzentrums. Sowohl in Weihenstephan als natürlich auch in Martinsried sind wir von exzellenten Forschungsinstitutionen umgeben. Die TU München und die Ludwigs-Maximilians-Universität sind Exzellenzuniversitäten mit Top-Wissenschaftlern im Life-Science-Bereich. Die Max-Planck-Institute für Biochemie und Neurobiologie, das Genzentrum, Helmholtz und das Klinikum sind der Ursprung für Start-up-Unternehmen. Das zweite wichtige Erfolgskriterium sind die Menschen, die dann den Mut haben, eine wissenschaftliche Idee zum Medikament weiterzuentwickeln.

Martinsrieder und Planegger fürchteten sich auch vor einer Forschung, die mit Gentechnik experimentiert. Es gab Demonstrationen und Petitionen. Das alles scheint überwunden. Fühlen Sie sich heute von der Gemeinde und ihren Bewohnern angenommen?

Viele Bürger kommen zu unseren offenen Veranstaltungen, das IZB nimmt an Bürgerfesten teil, besucht werden unsere Brunnenanlagen und unsere Gastronomie. Mir war von Anfang an wichtig, ein offenes Haus zu bauen. Beim IZB gibt es keine Zäune, keine Tabuthemen. Wir empfangen unzählige Abgeordnete, Politiker, ausländische Delegationen. Die Zeit der Angst vor der Biotechnologie ist endgültig vorbei. Es wird verstanden, dass hier an neuen Medikamenten für Krankheiten geforscht wird, die letztlich jedem zugute kommen können.

Es gab aber nicht nur gute Zeiten. Vor 15 Jahren, mitten im Boom, steckte die Biotechnologie europaweit in einer tiefen Krise, Firmen verschwanden, weil sie kein Geld mehr hatten. . .

Der Grund lag im Niedergang des Neuen Marktes, einem Segment der Börse, in dem Hightech-Unternehmen gehandelt wurden. Als dann sieben Mieter in den Jahren 2000 und 2001 aufgeben mussten, konnten wir durch Untermieter einen Teil der Leerstände auffangen. Ich will aber nicht verschweigen, dass wir 2002 signifikante Leerstände in den Labors hatten, weil es keine Finanzierung gab. Wir realisierten für zwei Jahre einen Sparhaushalt. Die Staatsregierung sagte uns Hilfe zu - wir konnten die Lage aber selbst meistern.

Wer heute nach Erfolgen der Genforschung fragt, bekommt nur eine kleine Liste von wirklichen medizinischen Durchbrüchen präsentiert. Dabei sind etliche Medikamente in der Entwicklung, wie es heißt. Wieso dauert deren Entwicklung so lange?

Zobel: Wegen der vorgeschriebenen Studien dauert es zehn bis zwölf Jahre, bis man ein neues Mittel in der Apotheke kaufen kann. Mit allem Drum und Dran verschlingt die Entwicklung eines einzigen Medikaments rund eine Milliarde Dollar. Das Finden neuer Wirkstoffe ist sehr komplex und das Kapital in Europa knapp. Für Investoren ist es interessanter, in Technologien mit kürzeren Entwicklungszeiten zu investieren, etwa in Software. Leider wird dabei übersehen, dass man nur mit medizinischer Forschung Krankheiten heilen kann - und eben nicht mit Renditen.

Gibt es im IZB noch freie Kapazitäten, ist ein weiterer Bauabschnitt geplant? Wohin führt der Weg der Life-Science-Forschung in Martinsried?

Derzeit sind wir zu einhundert Prozent belegt. Da aber die Finanzierung eines Start-Ups meist ein Jahr dauert und die Unternehmen schon früh Kontakt zu uns suchen, gelingt es oft, über die natürliche Fluktuation Firmen bei uns anzusiedeln. Es gibt aber auch ältere und größere Unternehmen aus anderen Regionen Deutschlands, die zu uns, an den Hot Spot Bayerns, ziehen wollen. Hier hilft oft auch der Immobilienmarkt rund um das IZB. Ich könnte mir noch weitere Gebäude vorstellen, für Forschung, aber auch für internationale Pharmafirmen. Ich hoffe, dass noch viele IZB-Mieter erfolgreich wachsen werden. Wir unterstützen alle Ideen, die der Biotechnologiebranche nützen und damit dem Land. Und natürlich wünschen wir uns, dass es bald einen U-Bahn-Anschluss für den Campus gibt.

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