Margot Schunk:Mutter Courage im Englischen Garten

Margot Schunk hat in der Schweiz mit Charlie Chaplin geflirtet, in Afrika ein Hotel geleitet. Doch seit 30 Jahren ist ihr Platz im Leben ein Kiosk im Englischen Garten.

Lisa Sonnabend

Es ist immer der gleiche Ausblick, seit 30 Jahren, jeden Tag, von morgens bis abends, im Sommer wie im Winter. Von ihrem Kiosk im Englischen Garten aus sieht Margot Schunk eine schattige Weggabelung, umringt von Laubbäumen. Doch überdrüssig ist es der 75-Jährigen in dem Häuschen zwischen Chinesischem Turm und Seehaus nie.

Kiosk, Englischer Garten

Sie hat in Afrika gelebt, für Charlie Chaplin gekocht und nun ist sie seit 30 Jahren im Englischen Garten: Margot Schunk.

(Foto: Foto: sonn)

Veränderungen im Englischen Garten sind für Außenstehende kaum ersichtlich, doch Margot Schunk bemerkt sie genau. Das Publikum im Park zum Beispiel. "Inzwischen kommen sehr viele Kunden aus Saudi Arabien", sagt Schunk. "Und die essen am liebsten Eis." Zudem seien die Hunde im Laufe der Jahre immer kleiner geworden, die Menschen im Umgang mit der Natur immer achtloser und die Sorgen der Parkbesucher seit Ausbruch der Finanzkrise wieder größer.

Margot Schunk lehnt sich weit nach vorne und reicht einem kleinen Jungen ein Steckerleis. "Das ist sicher für dich", sagt sie, streicht sich eine Strähne ihres blond gefärbten Haares zurück und lächelt. In dem Kiosk verkauft sie Süßigkeiten, Bier und Wurstsemmeln, im hinteren Raum brät sie Fleischpflanzerl und macht Kartoffelsalat, zwischendurch unterhält sie sich mit ihren Kunden und erzählt aus ihrem bewegten Leben.

Rosen von Charlie Chaplin

Margot Schunk kam 1934 in Fürth auf die Welt. Sie wuchs bei Pflegeeltern auf, weil ihre alleinerziehende Mutter zum Arbeiten nach München gezogen war. Viele Stunden ihrer Kindheit verbrachte sie im Luftschutzkeller. Mit 17 Jahren ging Margot in die Schweiz und begann, in dem Luxushotel "Montreux Palace" als Geschirrspülerin zu arbeiten.

Bald nahm sie eine Stelle in einem Hotel im nordwest-afrikanischen Staat Mauretanien an. Sie avancierte schnell zur Hotelleiterin, sammelte ein stattliches Vermögen an und unterstützte arme Kinder vor Ort, von denen 31 als Zeichen des Dankes den Namen Margot tragen, so erzählt es die Kioskbesitzerin. Schunk besaß in Mauretanien einen kleinen Zoo mit exotischen Tieren und in der Schweiz ein Chalet - gleich neben dem Zuhause von Charlie Chaplin.

"Charlie Chaplin mochte blonde Frauen", erinnert sich Schunk, während sie auf einem Gartenstuhl hinter ihrem Kiosk sitzt. "Deswegen durfte ich zu ihm auf die Terrasse kommen." Schunk kochte für ihn Couscous und Chaplin bedankte sich jedes Mal mit einer Rose.

Doch schon bald machte das Leben von Margot Schunk erneut eine Kehrtwende. Nach einem politischen Umsturz musste sie nach 15 Jahren aus Mauretanien fliehen und ihren Besitz zurücklassen. "Mein Leben war in Gefahr", sagt sie noch heute mit zitternder Stimme. Sie setzte mit einem Einbaum über einen Fluss, kämpfte sich durch die Wüste, bis sie Dakar erreichte. Von dort nahm sie einen Flieger nach München.

In einer Tageszeitung las sie die Anzeige: "Kiosk in Englischen Garten zu übernehmen." Sie zögerte nicht lange. Die Bäume des Parks schienen ihr eine willkommene Abwechslung zur Wüste. Seitdem steht sie fast jeden Tag hinter der Theke.

Im Laufe der Jahre hat Margot Schunk zahlreiche Schlägereien geschlichtet, indem sie den Streithähnen einen Wasserkübel überschüttete, sie hat Spaziergänger ermahnt, die ihren Abfall auf den Boden warfen, und sie hat sich Radfahrern in den Weg gestellt, die zu schnell fuhren. In den Neunzigern suchte sich die Münchner Drogenszene ihren Kiosk als Treffpunkt aus. Wenn sich ein Süchtiger eine Überdosis spritzte, war es Margot Schunk, die den Notarzt rief. Wenn eine Abhängige ihr Kind vergaß, war sie es, die es über Nacht mit zu sich nahm.

Thomas Köster, Chef des Parks, nennt Margot Schunk "die Mutter Courage des Englischen Gartens". Die beiden verstehen sich - nur als Köster im vergangenen Jahr Bußgelder im Park einführen wollte, war Schunk nicht einverstanden. "Der Englische Garten ist ein Weltpark - hier kann man doch niemanden bestrafen", sagt die 75-Jährige und schüttelt den Kopf.

Eigentlich könnte man meinen, Margot Schunk wäre nun zur Ruhe gekommen. Doch sie hat neue Pläne für ihr Leben. Einmal noch will sie zurück nach Mauretanien. Mit einem befreundeten Afrikaner sammelt sie seit zwei Jahren Spenden: Kleidung, Kochtöpfe, Kühlschränke - alles, was die Münchner Schunk an den Kiosk bringen. Vier Container haben die beiden schon nach Mauretanien gebracht. Den nächsten will Schunk demnächst persönlich begleiten und die Spenden vor Ort verteilen.

Nach ein paar Wochen will sie aber wieder nach München zurückkehren, verspricht Schunk. Denn heute weiß sie: "Mein Platz ist der Englische Garten."

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