Maibäume:Vor der "Klau AG" ist kein Maibaum sicher

Berg Maibaum

Der ganze Ort ist eingeladen zum Feiern und Tanzen, wenn ein neuer Maibaum aufgestellt wird.

(Foto: Georgine Treybal)
  • Zum 1. Mai werden in vielen Orten in Bayern die Maibäume aufgestellt. Tradition ist auch, dass sich die Gemeinden die Bäume gegenseitig klauen und dann eine Auslösung fordern.
  • Aufsehen erregte Anfang April der Diebstahl des Maibaums für den Viktualienmarkt. Burschenvereine aus dem Münchner Umland waren dafür verantwortlich.
  • Die Burschenvereine nennen sich selbst die "Klau AG". Zwei Köpfe schildern, wie sie bei den perfekt getimten nächtlichen Manövern vorgehen.

Von Günther Knoll

"Wir haben es wieder getan" - so beginnen Bekennerschreiben. Und um ein solches handelt es sich auch auf der Facebookseite des Ismaninger Burschenvereins. Wozu sich die selbsternannte "Klau AG" der Burschenvereine Ismaning und Neufinsing, unterstützt von einigen Unterföhringern, dieses Mal bekannte, "das lässt sich nicht mehr toppen". Davon sind Andreas Bachinger und Daniel Pretzer überzeugt. Die beiden gehören zum Organisationsteam "Maibaumdiebstahl" der Ismaninger Burschen, die als "Könige der Maibaumdiebe" ebenso berühmt wie berüchtigt sind. In diesem Jahr klauten sie den Maibaum der Münchner Brauereien, der am 1. Mai am Viktualienmarkt aufgestellt wird.

Und das war schon eine besondere Herausforderung, wie Bachinger klar macht, denn der Baum lag in einem geheimen Versteck und war mit Gewicht und einer steilen Rampe so gesichert, dass ein heimlicher Abtransport unmöglich sein sollte. Doch unmöglich gibt es so schnell nicht für die Ismaninger Burschen. Für alles gebe es Mittel und Wege, "wir rüsten nach", sagen die beiden und grinsen sich an, ohne Näheres zu verraten. Das gilt für Spezialwerkzeug ebenso wie für gestörten Handy-Empfang.

Für den jüngsten Coup hatten einige Burschen seit Weihnachten immer wieder den Viktualienmarkt besucht, um etwas über den Aufbewahrungsort des Maibaums zu erfahren. Um vom eigentlichen Plan abzulenken, habe man aber auch einige Maibaumwachen in der Umgebung besucht, berichtet Bachinger. So eine "Stüberltour" mache Spaß, sind sich die beiden einig, zumal wenn man schon einschlägig bekannt sei als Maibaumdieb.

Und dann wurde es ernst, als ihnen jemand unabsichtlich das Versteck des Münchner Baums verriet: einen abgelegenen Hof bei Valley im Oberland. Den mussten sie regelrecht ausspionieren. "Spähtrupp" nennen die Burschen diese Aufgabe. "Das musst du mögen, da nachts immer in der Wiese zu liegen", sagt Bachinger. Dazu gab es in der Vergangenheit reichlich Gelegenheit. Bachinger ist 23 Jahre alt, Pretzer, den sie im Verein wegen seiner Lockenpracht nur "Zoze" nennen, 27 Jahre. Mit 16 kamen beide zum Burschenverein.

Doch was sie diesmal erwartete, überstieg ihre Erfahrungen. Sechs Nächte lang hintereinander erkundeten sie den Hof - im Dunkeln. Wachen gab es nicht, die Bauernfamilie schlief im Nebenhaus, auch der Hund. Für das Gewicht, das den Eingang zum Baumlager sicherte, ließen sie eine spezielle Hebevorrichtung schweißen. Und an einer Rampe in Ismaning, die ähnlich steil war wie die auf dem Hof bei Valley, übten sie den geräuschlosen Abtransport.

Dann war es so weit: Die Burschen, die mitmachen wollten, wurden per Whatsapp zum Treffpunkt gerufen. Alle hatten in dunkler Kleidung zu erscheinen. Erst da habe man das eigentliche Ziel verraten, sagt Pretzer. Normalerweise ist dann Schnelligkeit gefragt: "Das darf nur drei bis vier Minuten dauern", sagt Bachinger, "sonst bist du dran". Denn wenn ein Wächter innerhalb des Gemeindegebiets den gestohlenen Baum berührt, war's das mit dem Diebstahl. Doch diesmal war die Zeit zweitrangig, dafür war absolute Stille angesagt. Es galt Handy- und Rauchverbot, "und nüchtern musst du da sowieso sein" (Bachinger). "Wir arbeiten dann auch per Funk mit Mikro und Knopf im Ohr", verrät Pretzer. "Denn wenn's einmal scheppert, dann hast schon verloren!"

Maibäume: Zu den Köpfen der Klau AG gehören Daniel "Zoze" Pretzer (links) und Andreas Bachinger.

Zu den Köpfen der Klau AG gehören Daniel "Zoze" Pretzer (links) und Andreas Bachinger.

(Foto: oh)

Doch es blieb alles ruhig in dieser Nacht. Ehe Andreas Bachinger dann endlich den Traktor mit dem Diebesgut wegfahren konnte, wurde die örtliche Polizei verständigt. Und so hatte man auch noch zwei Feuerwehrautos, die den Schwertransport absicherten. "Wir haben überall unsere Leute", sagt "Zoze" Pretzer. Keiner von denen, die dabei waren, habe sich hinterher beschwert, dass er dafür eine ganze Nacht geopfert habe. Der Baum kam nach Neufinsing, wo er "strengstens" bewacht wurde, damit er nicht noch einmal gestohlen werden konnte.

Bei den Auslöseverhandlungen zeigten sich die Burschen bei weitem nicht so konsequent wie bei der Tat selbst. Ihre ursprüngliche Forderung - reservierte Plätze auf der Wiesn - gaben sie schnell wieder auf und begnügten sich mit dem herkömmlichen "Lösegeld" in Form von Brotzeit und Bier. Die Brauereien hätten das sehr sportlich gesehen, erzählen die beiden, auf den Burschenverein, der den Baum bewachen sollte, seien sie allerdings weniger gut zu sprechen gewesen. Das Ganze müsse man einfach als Brauchtum und Sport verstehen, sagt Bachinger. Deshalb müsse so ein Maibaum auch "stehlbar" sein.

Im vergangenen Jahr war der Ismaninger Baum zwei Mal fast schon dran, doch jedesmal fiel er den Dieben beim Abtransport herunter. Das kann den Spezialisten der Klau AG wohl nicht passieren. Doch was kann sie jetzt überhaupt noch reizen? "Auf der Zugspitze steht auch einer", überlegt Pretzer - man kann schwer sagen, wie ernst er das meint.

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