Madonna in München:Mehr Aerobic als Erotik

Lesezeit: 3 min

Noch immer eine Königin der Inszenierung, eine Domina des Pop: Im Münchner Olympiastadion zeigte Madonna eine Mega-Show - doch das war manchmal des Guten zu viel.

Beate Wild

Der Münchner Olympiaberg ist bevölkert wie schon lange nicht mehr. Überall stehen am Dienstagabend auf dem Hügel Menschen, die sich kein teures Konzertticket leisten möchten - und die doch herüberblicken wollen ins Olympiastadion.

Durchkomponierte Bühnenshow: Madonna im Münchner Olympiastadion. (Foto: Foto: ddp)

Dort gastiert Madonna, der Star aus den USA, 51 Jahre alt und seit fast drei Jahrzehnten eine Showgröße. 35.000 wollen im Stadion wissen, was die Frau mit dem bürgerlichen Namen Madonna Louise Veronica Ciccone auf ihrer aktuellen Tournee bietet.

Nach einer ordentlichen Wartezeit - das Publikum wird ungeduldig - geht es um halb zehn Uhr los. Und Madonna spielt wie in all den Jahren zuvor mit den Klischees der Sexualität, mit den Utensilien der SM-Welt. Eine Domina würde nicht anders auf der Bühne erscheinen: Mit gespreizten Beinen, im schwarzen Outfit und Stiefeln, sitzt sie auf einem mit Brillianten besetzten Thron. In der Hand einen schwarzen Stock, mit dem sie herumfuchtelt. Der Song "Candy Shop" eröffnet die musikalische Darbietung.

19 Jahre war sie nicht mehr in München, nun hat sie es mit ihrer "Sticky & Sweet"-Tour doch noch geschafft. Auf den Rängen schauen ihr aufgestylte Blondinen mit Minikleid zu, es sind aber auch Familien, Madonna-Kopien und eine Gruppe der Hells Angels zu sehen.

Dass Madonna immer noch auf der Höhe der Zeit ist, hat sie mit ihrem jüngsten Studioalbum "Hard Candy" bewiesen; es wurde von den derzeit angesagten Produzenten Timbaland und Pharell Williams in die Welt gebracht. Die beiden Genies zeigt sie stolz in ihren Bühnenvideos vor. Mit virtuellen Sängern, zu denen auch Justin Timberlake gehört, trällert sie Duette. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass auch von Madonna selbst ein paar Vocals vom Band kommen. Während sich der Star in Szene setzt, bleibt die zwölfköpfige Band in den Seitenflügeln versteckt.

Madonna verzichtet auf viele alte Hits. Sie setzt auf neuere Songs, die dem breiten, älteren Publikum (geschätztes Durchschnittalter: 40 Jahre) zum Teil fremd sind.

Höhepunkt sind die mit R'n'B, HipHop und Funk angereicherten Stücke wie "Beat Goes On", "Four Minutes" oder "Give It To Me". Bei diesem Sound-Bombast spielt Madonnas Stimme nur eine Nebenrolle. Die kommt am besten bei ruhigeren Stücken wie "Miles Away" oder der Evita-Hymne "You must love me" zur Geltung.

So etwas wie Magie, oder was die Entertainmentindustrie dafür hält, gibt es an diesem Abend auch. Plötzlich stoppt der Madonna-Evergreen "Holiday" - und es kommt tatsächlich ein Michael-Jackson-Double auf die Bühne. Gestylt wie das kürzlich verstorbene Original tanzt ein Tänzer zu einigen "Jacko"-Songs. Das Publikum ist durchaus empfänglich für solche Einlagen, die als Tribut der "Queen of Pop" an den "King of Pop" durchgehen. Bei der Trauerfeier für den verstorbenen Musiker war noch ein Videobeitrag der in Europa tourenden Madonna avisiert worden, der dann nicht zu sehen war.

Madonna in München
:Selbstironische Perfektionistin

Zwischen Religion- und Fitnesswahn, Männern und dem Älterwerden hat Madonna beim einzigen Deutschlandkonzert ihrer Tour bewiesen: in erster Linie ist sie Musikerin. Der Auftritt in Bildern.

Wohl, um das Image eine "Rockgöre" zu forcieren, greift Madonna bei ihrem Konzert in München wiederholt zur Gitarre. Sogar Disco-Nummern werden in breitbeinigen Rock verwandelt. Für "La Isla Bonita" stürmen Balkan-Musikanten auf die Bühne und präsentieren eine überdrehte Version des Klassikers samt schwülstiger Gipsy-Romantik.

Stellenweise mutet das Konzert eher wie ein Musical an.

Im vergangenen Jahr besuchten weltweit fast 2,5 Millionen Fans die Konzerte von Madonna. Doch in München waren einen Tag vor der Show noch 5000 Karten zu haben - auch in anderen Städten waren die Konzerte nicht ausverkauft. Liegt das an Ticketpreisen von 68 bis 193 Euro? Oder hat der Star als Sex-Symbol nach all den Jahren "in bed with Madonna" ausgedient?

Angesichts ihres Alters nötigt ihre Physis jedenfalls Respekt ab. Die blond gelockte Frau mit dem durchtrainierten Körper turnt zwei Stunden lang über die Bühne. Kein anderer zeitgenössischer weiblicher Pop-Star hat mehr Platten (200 Millionen) verkauft als sie, niemand hat sich so oft neu erfunden. Und doch schleicht sich bei den Zuschauern eine gewisse Enttäuschung ein.

Madonnas Show wirkt wie ein einziger Exzess der Choreographie, eher sportlich ambitioniert als grazil. Ihre Oberarm- und Oberschenkelmuskulatur wird perfekt in Szene gesetzt, doch die musikalischen Reize haben sich erschöpft. Und mancher Zuschauer wird sich an Fotos in Zeitschriften erinnern, die die Sängerin in nicht so schönen Nahaufnahmen zeigen.

Dieser Bühnenuaftritt ist mehr Workout als Konzert - Aerobic statt Erotik. Was man vermisst, ist das Persönliche, die Nähe zu dem perfektionistischen Star.

In der letzten halben Stunde strengt sich Madonna noch einmal richtig an. Das wundervolle "Like A Prayer" bringt sie - wie einige andere Songs auch - in einer stampfenden Techno-Version, man fühlt sich an einen schlechten Ibiza-Remix erinnert. Die Münchner scheint das nicht zu stören, sie tanzen trotzdem.

Und dann ist alles vorbei. Auf den Video-Screens erscheint "Game Over!" So ist das nun mal mit einer bis ins letzte Detail festgelegten Show. Die Zeit ist um. Eine Zugabe gibt es nicht.

Madonna war in München, und es bleibt wenig Erinnerung an die Frau mit den Stiefeln und gespreizten Beinen.

© sueddeutsche.de/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: