Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Verschobene Grenzen

Blick über die Münchner Altstadt nach Süden, 2015

Mahnmal der Gentrifizierung: der Edel-Wohnturm "The Seven".

(Foto: Alessandra Schellnegger)

An diesem Mittwoch entscheidet der Stadtrat über eine Neufassung der Erhaltungssatzung für das Gärtnerplatzviertel

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Es geht also doch: Im Gärtnerplatzviertel soll für fünf weitere Jahre eine Erhaltungssatzung gelten - allerdings nicht überall. Über einen entsprechenden Vorschlag soll der Stadtrat an diesem Mittwoch abstimmen. Das Instrument der Erhaltungssatzung dient dem Milieuschutz und soll die Gentrifizierung begrenzen. Die Verwaltung hatte vor zwei Monaten angekündigt, dass das Viertel, heute teils als "gute" und "beste Lage" eingestuft, durch den Zuzug von Vermögenden und Jüngeren und städtebaulich bereits so aufgewertet sei, dass die Erhaltungssatzung nicht erneuert werden könne. Der Aufschrei war groß: Mieter befürchteten Luxussanierungen, drastische Mieterhöhungen und Kündigungen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) beauftragte daraufhin die Verwaltung, eine Lösung zu finden. Alle rechtlichen Möglichkeiten zur Bestandssicherung sollten ausgeschöpft werden, so Reiter.

Die Lösung, die nun zur Abstimmung steht heißt: Das Satzungsgebiet wird neu abgegrenzt. Es wird nach Südwesten verschoben und umfasst dann auch Teile des Glockenbach- und des Angerviertels. Das Ergebnis wird also nicht alle Mieter im Viertel zufriedenstellen; vor allem um den Gärtner- und den Reichenbachplatz sollen ganze Straßenblöcke aus der Erhaltungssatzung zum 31. Mai entlassen werden. Die Rumfordstraße fällt heraus, ebenso die Fraunhoferstraße zwischen Klenze- und Baaderstraße, große Teile der Klenzestraße, der Cornelius- und der Müllerstraße.

Dort, auf dem ehemaligen Heizkraftwerk-Gelände, entstand in den vergangenen Jahren der Edel-Wohnturm "The Seven" - für viele das Mahnmal für Gentrifizierung. Es hält sich das Gerücht, dass dort in höchster Wohnlage 20 000 Euro pro Quadratmeter gezahlt wurden.

Es ist nicht nur "The Seven", der die Stadtverwaltung veranlasste, die Blocks zwischen Fraunhofer-, Blumen- und Reichenbachstraße herauszunehmen. Innerhalb von fünf Jahren seien dort 200 zusätzliche Wohnungen entstanden, hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung gezählt; heute wohnen dort 700 Menschen mehr. Allein schon dieser überdurchschnittliche Bevölkerungsanstieg sei ein Beleg für Nachverdichtung und für eine beträchtliche Verschiebung der Bevölkerungsstruktur, so das Referat. Außerdem sei die Wohndauer in diesem Gebiet gesunken, es lebten dort heute mehr als vier Prozent weniger Ausländer als im städtischen Durchschnitt, ebenso weniger Kinder, Jugendliche und ältere Bewohner. Dazu komme ein weit überdurchschnittlicher Anstieg der Kaufkraft, rund 35 000 Euro kann der durchschnittliche Gärtnerplatz-Anwohner jährlich ausgeben. Der durchschnittliche Münchner kommt nicht einmal auf 29 000 Euro.

Der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt hat gefordert, die auslaufende Erhaltungssatzung mit unverändertem Umgriff auf fünf Jahre zu verlängern. Ohne deren regulierender Wirkung drohe eine noch schnellere Umstrukturierung des Viertels, eine Vertreibung ganzer Bevölkerungsschichten mit all den negativen Folgen für Bevölkerung und Kommune, so die Befürchtung des Gremiums. Das bisherige Satzungsgebiet sei schlichtweg nicht mehr plausibel zu begründen, hieß es dazu aus dem Referat für Stadtplanung. Es sei ein hoch attraktiver Wohnstandort - und das eigentlich bereits seit Jahrzehnten. Zwar hätten einige der Blocks um den Gärtnerplatz durchaus noch ein hohes Aufwertungspotenzial. Doch die heute dort wohnende Bevölkerung lasse kein hinreichendes Verdrängungspotenzial erkennen, das eine Verlängerung der Erhaltungssatzung rechtfertige.

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