Ludwig-Maximilians-Universität:München lockt Online-Studenten

VWL an der LMU, erste große Vorlesung,  LMU-Hauptgebäude: Geschw.-Scholl-Pl. 1

Zum Studieren an die Uni gehen? An der LMU ist das nicht mehr nötig. Seit einem Jahr gibt es spezielle Online-Angebote.

(Foto: Florian Peljak)

Online studieren an einer Elitehochschule? Zehntausende Studierende aus aller Welt nutzen die Internet-Angebote der LMU. Inzwischen überlegen andere Hochschulen, die virtuell erbrachten Leistungen offiziell anzuerkennen. Doch Kritiker unterstellen der Uni eigennützige Motive.

Von Sebastian Krass

Mehr als 200 000 Einschreibungen für vier Kurse und 30 000 Teilnehmer, die bis zum Ende dabei blieben: Seit einem Jahr bietet die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) kostenlose, speziell für das Internet produzierte Kurse an, so genannte Massive Open Online Courses (Moocs). Und die weltweite Resonanz ist enorm. Deshalb baut Deutschlands größte Präsenz-Hochschule nun ihr virtuelles Lernangebot aus. Und sie hat Interesse bei anderen bayerischen Hochschulen geweckt, die ihren Studenten ermöglichen wollen, einen Teil ihrer Studienleistung über einen Mooc der LMU abzudecken.

Online zugängliche Lehrveranstaltungen von Hochschulen gibt es bereits seit Jahren, etwa in Form abgefilmter Vorlesungen. Neu an Moocs ist, dass sie speziell für den virtuellen Unterricht produziert werden. Sie sind in der Regel in Video-Einheiten von etwa 15 Minuten aufgeteilt, die zum Beispiel mit Schaubildern und Ortsbesuchen aufgelockert werden. Zudem gibt es zwischendurch Tests, um Lernfortschritte zu prüfen, und die Möglichkeit, in Foren zu diskutieren.

"Durch solche Angebote wird sich die Universitätslandschaft fundamental verändern", glaubt LMU-Präsident Bernd Huber. "Dadurch bekommen Menschen überall auf der Welt Zugang zu akademischer Bildung, die für sie bisher unerreichbar war." Kritiker wenden hingegen ein, Moocs seien eine Spielerei, mit der Hochschulen vor allem Eigenwerbung betrieben. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Bedeutung der Präsenzlehre in kleineren Hochschulen sinke, wenn zugleich Kurse von Elite-Unis online verfügbar sind.

75 000 Anmeldungen aus aller Welt

In Deutschland ist die LMU bisher die Hochschule, die am intensivsten mit Moocs experimentiert. Ihre Kurse sind über die an der US-Uni Stanford entwickelte Plattform Coursera zugänglich: ohne Zulassungsbeschränkung, ohne Gebühren und ohne vorausgesetzte Kenntnisse. Im vergangenen Jahr produzierte die LMU vier Moocs aus den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften, Philosophie, Biologie und Geologie. Dass von den mehr als 200 000 Eingeschriebenen etwa 15 Prozent bis zum Ende dabei blieben, ist ein auffälliger Wert. Der Durchschnitt bei Coursera liegt bei fünf Prozent.

Der BWL-Professor Tobias Kretschmer bietet einen Mooc zu Wettbewerbsstrategien an, für den sich 75 000 Menschen anmeldeten. "Da haben sich sogar in China und Brasilien Gruppen von Menschen gebildet, die sich auch physisch getroffen haben, um über die Inhalte zu sprechen", sagt Kretschmer. Für LMU-Präsident Huber ist die internationale Sichtbarkeit wichtig: "Wenn nur ein Prozent der Eingeschriebenen sich danach für ein Studium an der LMU entscheidet, bringt das unsere Internationalisierung entscheidend voran." Auch deshalb baut die LMU ihr Mooc-Angebot aus. Zum Wintersemester wird es drei neue Kurse geben: aus den Bereichen Medizin/Psychologie, Physik und Theaterwissenschaft. Es zeichnet sich bereits ab, dass die Teilnehmerzahl weiter stark steigt.

Die Moocs haben auch im Freistaat Aufmerksamkeit erregt. Paul Rühl, Geschäftsführer des Netzwerks Virtuelle Hochschule Bayern (VHB), hat selbst einige Kurse absolviert. "Der von Herrn Kretschmer hat mir außerordentlich gut gefallen", sagt Rühl. "Und wir haben von Hochschulen, etwa aus Deggendorf, und von der Uni Bayreuth die Rückmeldung, dass der Kurs für ihre Studenten interessant sein könnte."

In der VHB stellen die bayerischen Universitäten und Fachhochschulen derzeit etwa 340 Kurse online zur Verfügung, die allerdings mit deutlich weniger technischem Aufwand produziert sind als die Moocs der LMU. "Dafür bieten wir etwas, was Moocs nicht können", betont Rühl. "Bei uns gibt es eine individuelle Betreuung durch spezielle Tutoren und die Möglichkeit, an einer normalen Klausur teilzunehmen und einen anerkannten Leistungsnachweis zu erwerben." Das soll nach dem Willen der VHB nun auch mit zunächst einem LMU-Mooc möglich werden, am besten schon im kommenden Wintersemester. Doch die LMU gibt sich noch vorsichtig. "VHB und Moocs sind doch zwei ziemlich unterschiedliche Paar Stiefel", sagt eine Sprecherin. "Es muss noch geprüft werden, wie das technisch funktionieren könnte und wie Prüfungen laufen würden."

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