Ludwig-Maximilians-Universität:Besser als das Netz

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Die einen wollen schon vor dem Posten wissen, wie das eigene Selfie auf Instagram ankommt. Die anderen wollen auf Twitter schneller sein als jeder Profi. Münchner Nachwuchs-Wissenschaftler erforschen solche Fragen im Data Science Lab

Von Christina Hertel

Jede Sekunde teilen Menschen mit anderen Erlebnisse auf den sozialen Netzwerken. Oft geht es ums Essen, das Wetter oder Katzenvideos. Aber eben auch um Terroranschläge, Kriege, Naturkatastrophen. Und das sind die Posts, die Michael Weiler interessieren. Der 34-Jährige hat für seine Doktorarbeit am Lehrstuhl für Datenbanksysteme an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ein Programm entwickelt, das Posts auf Twitter analysiert und die wichtigsten Ereignisse filtert. Weil Menschen eben oft etwas posten, bevor es in den Nachrichten kommt, hofft Weiler, immer ein bisschen schneller sein zu sein als Journalisten.

Wahrscheinlich schafft er nur ein paar Minuten, aber die könnten entscheidend sein, glaubt der Doktorand - zum Beispiel, wenn es um den Verkauf von Aktien gehe. Außerdem kann das Programm Nachrichten nach der persönlichen Relevanz sortieren. "Manager könnten, das was für sie wichtig ist, direkt auf ihre Smart Watch geschickt bekommen und gleich darauf reagieren", erklärt Weiler.

Er arbeitet schon seit fast drei Jahren an dem Projekt. Wann er fertig sein wird, weiß er noch nicht. Von nun an aber könnte seine Arbeit etwas angenehmer ablaufen: Die LMU hat in dem Institut am Englischen Garten für Wissenschaftler wie ihn jetzt einen extra Raum geschaffen, das Data Science Lab. Dort sollen Studenten Daten, die sie von Unternehmen bekommen, analysieren und aufbereiten. Der Raum ist für alle offen, soll aber hauptsächlich von Studierenden des neuen Elitemasterstudiengangs "Data Science" verwendet werden, der im Herbst losgeht. Ziel ist es, dass Universität und Industrie enger zusammenarbeiten. Davon würde beide Seiten profitierenn, sagt Tobias Emrich, der das Lab leitet: "Die Studenten sind froh, wenn sie praktische Erfahrung sammeln dürfen und die Firmen, wenn sie zukünftige Arbeitnehmer kennenlernen." Emrich koordiniert die Zusammenarbeit mit den Unternehmen. Er bespricht mit ihnen Projekte, dann sucht er die passenden Studenten.

In dem Lab stehen jede Menge Computer. Für die Startup-Atmosphäre gibt es aber auch graue Sofas und weiße Stehtische. An der Wand hängt ein Landschaftsbild von dem Maler Paul Cézanne, daneben ein Foto vom Englischen Garten und daneben ein Bild wie Cézanne den Englischen Garten gemalt hätte. Wie das aussieht, wurde von Programmen berechnet, natürlich.

Dem Zufall wird immer weniger überlassen - zumindest, wenn es nach den Studenten vom Data Science Lab geht. Alexander Neitz, Qian Cai und David Rasch zum Beispiel haben ein Programm entwickelt, das einem sagen soll, wie gut ein Selfie ankommt - bevor man es in die Welt schickt. Anhand von Abläufen im Foto-Netzwerk Instagram bewertet das Programm, wie beliebt oder unbeliebt ein Bild sein wird.

"Mit der Zeit lernte es, welche Merkmale ein Selfie besonders gut machen", sagt Neitz, der gerade im Master Informatik studiert. Auf einer Skala, die bis zu 100 Prozent geht, wird dem Benutzer angezeigt, ob das Bild der kritischen Social-Media-Masse standhalten kann. Wenn das Foto nicht so gut abschneidet, hübscht es das Programm etwas auf - zum Beispiel mit Farbfiltern oder durch Beschneiden des Fotos. Denn das liegt offenbar im Trend: "Besonders gut kommen Bilder von asiatischen Mädchen an, deren Kopf etwas angeschnitten ist", meint Neitz. Er und seine Kommilitonen arbeiteten im Rahmen einer Seminararbeit an dem Projekt. Sie bekamen eine gute Note, für sie ist das Ganze jetzt abgeschlossen.

Das ist bei Markus Mauder anders. Er analysiert archäologische Daten und steckt noch mitten in der Arbeit. Sein Ziel ist es, eine Karte zu erstellen, mit der die Herkunft von Steinzeitmenschen nachvollzogen werden kann. "Wir wollen Aussagen darüber treffen, wie weit die Menschen damals gereist sind", sagt Mauder, der auch gerade seine Doktorarbeit am Lehrstuhl für Datenbankensysteme schreibt. Die Überreste von etwa 200 Steinzeitmenschen, die im Alpenraum gefunden wurden, werden zunächst in Laboren chemisch untersucht. Dabei entstehen riesige Datenmengen, die etwas über das Leben der Menschen verraten sollen. Die Daten aufzubereiten, ist Mauders Job: "Was aber dabei herauskommt, ist noch völlig offen."

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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