"L'Orfeo" im Cuvilliés-Theater:Der Opa aller Opern

Die älteste Oper zu Gast in München: Im Cuvilliés-Theater wird "L'Orfeo" von Monteverdi aufgeführt. Ein Gespräch mit dem musikalischen Leiter.

Agnes Fazekas

Das Münchner Barock-Ensemble "Cosi facciamo" inszeniert die älteste Oper der Welt. Am 19. November findet die Münchner Premiere von Claudio Monteverdis Oper "L'Orfeo" im Cuvilliés-Theater in der Residenz statt. Der Südafrikaner Hans Huyssen hat die fünf Akte mit dem Libretto von Alessandro Striggio zeitgenössisch interpretiert. Zu den ersten Aufführungen vor zehn Jahren tingelte das Ensemble noch im VW-Bus - samt Instrumenten und Kostümen.

Monteverdi Oper

Barock-Premiere im Glanz der Rokoko-Pracht des Cuvilliés-Theaters.

(Foto: Foto: Hermann Posch/oh)

sueddeutsche.de: Die älteste Oper der Welt. Kein Wunder, dass Sie die Inszenierung gereizt hat...

Huyssen: Ein alter Traum von mir. Wenn Monteverdi mit dem Stück nicht so erfolgreich gewesen wäre, gäbe es die Oper in ihrer heutigen Form vielleicht gar nicht.

sueddeutsche.de: Wie muss man sich die Uraufführung damals vorstellen?

Huyssen: Die erste Oper der Welt wurde 1607 am Hofe von Mantua vor einem kleinen akademischen Kreis aufgeführt. Das waren Naturwissenschaftler und Gelehrte, die das griechische Drama wieder beleben wollten. Monteverdi und Striggio gelang es als erste, ein neues Ideal umzusetzen: Das Publikum zu rühren und nicht nur eine mathematische Kunst vorzuführen. Und tatsächlich - wir haben das Werk jetzt schon neun mal aufgeführt, es verbraucht sich nicht.

sueddeutsche.de: Wie kommen Sie eigentlich zu dieser "Alten Musik"?

Huyssen: Ich wurde wohl schon im Elternhaus geprägt. Mich fasziniert diese Einheit, die Sinne und den Intellekt zu befriedigen. Das ist ganz leichte, ansprechende Musik, die doch viele Bedeutungen in sich trägt und dadurch tief wird.

sueddeutsche.de: Also können Sie den Orfeo auch Opernanfängern empfehlen?

Huyssen: Auf jeden Fall. Monteverdi ist komplex, aber nicht kompliziert, und spricht sofort an. Die Einheit zwischen Drama und Inhalt ist so unglaublich - dem kann man sich gar nicht entziehen.

sueddeutsche.de: Ihr Ensemble nennt sich Cosi facciamo, also "So machen wir es". Versuchen Sie sich abseits vom Mainstream zu halten?

Huyssen: In den Fünfziger Jahren begann man "Alte Musik" wiederzubeleben, es ging um die historisch richtige Deutung. Unser Ensemble möchte die alten Werke auf Originalinstrumenten, aber lebendig und dramaturgisch modern, aufführen.

sueddeutsche.de: Wie haben Sie das bei "L'Orfeo" geschafft?

Huyssen: Das Thema ist zeitlos. Es geht weniger um die Liebesgeschichte, als um die Symbolik dahinter: Der Künstler folgt seiner Muse in die Unterwelt, die Tiefen seiner Seele. Orfeo darf seine Geliebte zwar befreien, sie aber nicht anschauen. Mir gefällt die Metapher: Das Produkt meiner Kunst kann nie meine konkrete künstlerische Vision erreichen. Sobald ich es erzwingen will, verschwindet sie.

sueddeutsche.de: In der ursprünglichen Monteverdi-Oper nahm das Drama ein glückliches Ende, in Ihrer Interpretation dagegen stirbt Orfeo...

Huyssen: Monteverdi wollte ein Happy End. In seiner Fassung tröstet Apollo den Orfeo. Das fand ich sowohl inhaltlich, als auch dramaturgisch problematisch. Der Mythos hat schließlich auch ein unglückliches Ende. Meine Interpretation ist also nicht werkgetreu, aber dem ursprünglichen Geist des Stückes viel näher. "Cosi facciamo" bedeutet auch eine gewisse Narrenfreiheit.

sueddeutsche.de: Sieht man das auch in der Bühnengestaltung von Julia Wahren?

Huyssen: Julia kommt eigentlich aus dem Schauspiel und hatte Angst, das Stück zu pathetisch werden zu lassen. Es sollte keinen Bart bekommen oder verstaubt wirken. Deswegen hat sie es sehr leicht inszeniert. Auf der Bühne wird aus Kühltaschen gepicknickt und alles ist locker und lustig, bis es umschlägt und grimmig wird. Es gab nur eine Vorgabe: Die Musik sollte wie ein offenes Räderwerk auf der Bühne stehen. Die Szenen spielen also unmittelbar zwischen den Musikern und dem Dirigenten.

sueddeutsche.de: Sie sind selbst auch Cellist, was zeichnet die verwendeten Barock-Instrumente wie Zink, Gambe oder Cembalo aus?

Hyussen: Der wunderschöne Klang und die charakteristischen Farben anstatt romantischer Schmelzklänge. Natürlich verstimmen sich die Naturdarm-Saiten recht leicht.

sueddeutsche.de: Wieso haben Sie sich für das Cuvilliés entschieden?

Huyssen: Das Cuvilliés ist der beste Ort für unsere Oper. Es hat die richtige Größe und besticht als Rokokko-Theater mit seinem Flair und den Verzierungen. Das ist zwar nicht genau die richtige Epoche, aber die Theatralik findet sich in der Architektur wieder und das Publikum kann sich noch besser einfühlen.

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