Lokalpolitiker:Großartige Gemeinschaftsleistung

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Schon 1977 dabei: Helmut Weinzierl. (Foto: PR)

Sportreferent und Sozialdemokrat Helmut Weinzierl erinnert sich an seine Anfänge im Stadtrat. Damals wurde im Gremiun noch geraucht, was das zeug hielt. Aber besser sei deshalb auch nicht alles gewesen.

Interview von Kerstin Vogel

Helmut Weinzierl ist 1972 in den Freisinger Stadtrat gewählt worden - und hat dort heute noch einen Sitz für die SPD inne. Er wurde 1984 Sportreferent des Gremiums, hat in Adolf Schäfer, Dieter Thalhammer und Tobias Eschenbacher drei Oberbürgermeister erlebt und in den vergangenen 40 Jahren über viele wichtige Projekte der Stadtpolitik mit beraten und entschieden.

Herr Weinzierl, was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Entscheidungen in diesen vier Jahrzehnten?

Als langjährigem Sportreferenten fällt mir da natürlich die Umsetzung des Sportgeländes Savoyer Au im Isarauwald ein. Das hat mein Vorgänger Peter Westermeier von 1972 bis 1978 mit der Stadt zusammen umgesetzt. Das war das erste tolle Ding und eine echte Gemeinschaftsleistung des Stadtrats. In sportlicher Hinsicht hat damals ja noch so einiges gefehlt - Westermeier war auch damals schon hinter einer Eishalle in der Luitpoldanlage her. Dass die nach all den Jahren umgesetzt wurde, ist für mich eine weitere tolle Sache - und natürlich der dritte Schwerpunkt: der Bau des Hallenbades in Lerchenfeld. Wo sollte das nicht überall hin: an den Bahnhof, in die Luitpoldanlage. Dass jetzt der Standort für ein Kombibad in Lerchenfeld gewählt wurde ist auch eine großartige Gemeinschaftsleistung.

Und was hätte Ihrer Ansicht nach niemals so entschieden werden dürfen?

Das ist jetzt nicht dramatisch, aber ich persönlich war von Anfang an unglücklich mit der Verkehrsdichte in der Innenstadt. 1977 war es ja schon fast soweit, dass man vom Amtsgericht bis zum Schiedereck eine Fußgängerzone einrichten wollte - und dann wurde plötzlich der Gedanke gepusht, dass dann die Radfahrer absteigen und schieben müssen. Ich sag jetzt nicht, wer das so vorangetrieben hat, aber daran ist das dann gescheitert.

Wie hat sich die Arbeit im Stadtrat unter den drei Oberbürgermeistern verändert?

In den 24 Jahren mit Adolf Schäfer ist Freising sichtbar in der Moderne angekommen. Tatkräftig, mit einem klaren Blick für das Wesentliche und gleichzeitig mit großer Gelassenheit hat er die Stadt souverän gelenkt. Verwaltungsfachmann Dieter Thalhammer hatte vor seiner Wahl viele Jahre als Stadtrat die Stadtpolitik entscheidend mitgeprägt und Visionen für das Freising der Zukunft erträumt. Alle drei hatten und haben im Stadtrat keine eigene Mehrheit. Mit großer Geduld und einem ausgeprägten diplomatischen Genpool ausgestattet, waren und sind sie äußerst erfolgreiche Stadt-Oberhäupter. Speziell mit Thalhammer ist 1994 ein unheimlicher "Zug" in die Sitzungen gekommen. Seither lief alles viel effizienter. Unter Schäfer gingen die für 19 Uhr angesetzten Sitzungen selten vor 19.15 Uhr los und sie haben im Schnitt sehr lange gedauert. Das ist heute anders.

Tobias Eschenbacher hat die straffere Amtsführung erfreulicherweise übernommen. Heute hat der Stadtrat ein viel größeres Arbeitsvolumen zu bewältigen und die Referatsleiter spielen eine größere Rolle. Schäfer hat vieles einfach selber durchgezogen. Auch für die Stadträte ist die Vorbereitung auf die Sitzungen viel aufwendiger und es ist sehr viel mehr Papier auf dem Markt.

War also früher alles besser?

Nein, das kann man so nicht sagen. Eine gute Sitzung ist für mich schon, wenn es zügig durchgeht. Lieber setzt man sich nachher noch irgendwo zusammen. Es ist heute einfach eine andere Zeit. In meinen Anfängen wurde im Stadtrat noch geraucht, was das Zeug hielt, und es war durchaus üblich, dass die Stadträte in der Sitzung mal ein Bier getrunken haben. Bei Auseinandersetzungen wurde dann schon auch mal der Bierkrug auf den Tisch gedonnert. Zwischenrufe waren an der Tagesordnung, es wurde viel emotionaler gestritten und wenn der Helmut Kratzer ( langjähriger CSU-Stadtrat, d. Red.) mal in Fahrt war, dann gab es kein Halten. Aber selbst wenn gestritten wurde - zum Teil persönlich - nach der Sitzung haben sich die Streithähne nicht weit weg vom Rathaus auf einen Schafkopf getroffen. Tiefe Feindschaften zwischen Stadträten habe ich damals wie heute nicht erlebt. Gut war, dass zu den klassischen Parteien - CSU, SPD, FDP und Bayernpartei - irgendwann die Grünen gekommen sind. Seitdem laufen Umweltfragen nicht mehr nur am Rande mit, sondern werden gleich mit eingearbeitet. Aber dadurch ist die Materie natürlich insgesamt komplexer geworden.

Welches Thema von heute wird den Freisinger Stadtrat in 40 Jahren immer noch beschäftigen?

Ich habe gerade einen Artikel gelesen, in dem ging es um die Nachverdichtung in den Städten. Da wird andernorts schon überlegt, wie man auf Hausdächern Parks anlegen kann. Freising sieht von oben im Moment noch aus wie eine Gartenstadt, aber in welche Richtung soll die Stadt wachsen? OB Thalhammer hat damals in die Zukunft gedacht und die Areale von Vimy- und Steinkaserne sowie den Truppenübungsplatz bei Haindlfing Stadt gesichert. Das Vimygelände ist längst bebaut, auch der Steinpark wird in absehbarer Zeit fertig, da bleibt irgendwann nur noch das Areal bei Haindlfing. Denn im Süden verhindert der Flughafen eine weitere Ausdehnung der Stadt - und auch im Südwesten wird kaum Raum für Wohnbebauung bleiben, denn es wird der Tag kommen, an dem Weihenstephan eine eigene Universität ist.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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