Lokale Produkte:Versteckt in der Nische

Lesezeit: 3 min

Fotos: Florian Peljak; Collage: SZ (Foto: N/A)

Viele Betriebe der Stadt stellen sehenswerte Sachen her. Doch was meist fehlt, ist ein Schaufenster, das Kunden lockt. Von diesem Montag an stellen 50 regionale Firmen beim Herrenausstatter Hirmer in der Fußgängerzone aus

Von Franziska Gerlach

Es war zwischen Tiramisu und Grappa, als David Thomas plötzlich eine Idee kam. Der Einkäufer des Herrenmodehauses Hirmer saß abends mit Kollegen und Geschäftspartnern in einer kleinen Trattoria zusammen. Wie immer, wenn er zur Order in Mailand ist. Nur regte er sich im Sommer 2015 ganz fürchterlich darüber auf, dass die europäischen Großstädte mit ihren ganzen Zaras und H&Ms doch alle das gleiche langweile Bild abgäben. Die kleinen, lokalen Unternehmen dagegen seien kaum sichtbar, erst recht nicht für Touristen. Und München ist da keine Ausnahme.

Deshalb bringt der Münchner das originär Münchnerische nun bereits zum zweiten Mal im Stammhaus von Hirmer an der Kaufingerstraße zusammen. An diesem Montag startet die Aktion mit dem selbst erklärenden Namen "Kauf lokal". Profitieren sollen im Idealfall alle davon. Die Kunden, die ihnen bislang unbekannte Firmen entdecken. Hirmer, dem die Aktion neue Kundschaft ins Haus lockt. Aber natürlich auch die Gastfirmen selbst. Denn die bekommen an zentraler Stelle eine Präsentationsfläche, die sie sich bei den absurd hohen Mietpreisen der Münchner Innenstadt selbst nicht leisten könnten. Vier Wochen lang zeigen mehr als 50 Firmen auf allen Etagen des Herrenmodehauses, dass München nicht nur glänzende Markennamen oder behäbige Wirtshaus-Gemütlichkeit zu bieten hat. Und weil der Kunde freilich auch etwas erleben soll, kann er Münchner Gin, Münchner Kaffee und Münchner Limonade auch gleich probieren.

"Selbst viele Münchner wissen nicht, was aus ihrer Stadt kommt", sagt Thomas. Labels wie Studio Munique oder Giesinger Bräu lassen sich schon ihres Namens wegen leicht an der Isar verorten. Dass aber etwa hinter den grünen Imbissen von Dean & David ein Münchner steht und nicht ein amerikanischer Foodkonzern, das sei dann halt doch nicht jedem bewusst. Die Geschichte der Druckerei Prantl, die bei Hirmer Postkarten anbietet, reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück, viele Gastfirmen sind aber erst einige Jahre alt. Die Liebe zu München eint sie, und wenn sich die mit Isar-Charme aufgeladenen Produkte dann auch noch verkaufen - umso besser.

Einen Boom an Unternehmensgründungen sieht Bernd Ohlmann, Sprecher des Bayerischen Handelsverbandes, zwar nicht. Eine Hinwendung zum Lokalen bestätigt aber auch er. Wie sich bei Lebensmitteln besonders gut zeigt, schätzt der Konsument Erzeugnisse aus der Region als Synonym für Qualität. Es bietet ihm eine Transparenz, die einer Großladung Kiwis aus Neuseeland abhanden gekommen ist, und seien sie auch noch so bio. "Mit dem Regionalen kauft der Kunde Nachhaltigkeit, Sicherheit", sagt Ohlmann, "ein Stück Heimat."

Heimat: Bei diesem Wort zuckt womöglich zusammen, wer seine Firmenphilosophie an einem modernen Verständnis von Ästhetik ausgerichtet hat. Denn wenn das Prinzip des Regionalen auch gerne mit einer Rückbesinnung auf traditionelle Handwerkstechniken einhergeht. Mit der rustikalen Werkstatt-Romantik eines Meister Eder hat es in der Regel wenig zu tun. Als Anfang 2016 der Datenreport für Kultur- und Kreativwirtschaft die Metropolregion München zu einem der führenden Zentren in Europa erklärte, war die Freude am kulturellen Aufschwung bei Stadtverantwortlichen groß. Doch im Einzelfall zeigt sich bisweilen leider: Die Mieten werden durch die schönen Zahlen - 30 000 Unternehmen erwirtschaften 23 Milliarden Euro - nicht erschwinglicher, unter der Konkurrenz durch Online-Shops oder preiswerte Massenware leiden gerade die kleinen Kreativen.

Um mehr Aufmerksamkeit für Münchner Möbeldesign zu generieren, ist Gunnar Brand gerade dabei, den Verein Zooom zu gründen. "Gemeinsam wirst du sofort anders wahrgenommen", sagt er. Nicht nur von Kunden, auch mit Handwerksbetrieben ließen sich bessere Konditionen aushandeln. Vom 10. bis 12. März will Brand seine Wohnung an der Reichenbachstraße für eine Ausstellung ausräumen, jeder kann dann einfach hineinspazieren und sich die Möbel ansehen. Etwas Werbung tut offenbar Not: Möbel legt man sich nicht spontan zu. Gerade der Münchner informiere sich erst, lasse das Ganze dann sacken, begutachte den Tisch noch ein zweites und drittes Mal, ehe er vielleicht kaufe. "Das dauert."

Damit vor allem Touristen die kleinen Geschäftsideen abseits der Fußgängerzonen überhaupt finden, hat Moritz Held Productmate gegründet, eine Art virtuelles Schaufenster. Das Konzept kommt aus Hamburg und basiert auf der Erkenntnis, dass immer mehr Kunden "Webrooming" betrieben. Sie informierten sich online, erläutert Held, kauften dann aber im Geschäft. Inzwischen sogar noch mehr als andersherum. Aus München sind bislang 66 Unternehmen auf Productmate vertreten. Die Fotos stellen sie selbst zur Verfügung. Bis zu drei Bilder sind gratis, wer mehr will, muss 240 Euro pro Jahr zahlen. Zu verkraften, wenn man dafür endlich gesehen wird.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: