Löwenfans erheben schwere Vorwürfe:"Die haben richtig zugeschlagen"

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Nach den Berichten über Ausschreitungen beim Regionalliga-Derby TSV 1860 München gegen den FC Bayern am Sonntag vor einer Woche werfen einige Löwenfans der Polizei ein "überfallartiges und brutales Vorgehen" vor.

Susi Wimmer

Wie Augenzeugen berichten, sei eine Sondereinheit der Polizei nach Spielende an der Grünwalder Straße mit erhobenen Schlagstöcken in die Fan-Menge gestürmt und habe "wahllos" zugeschlagen. "So etwas gibt es bei unseren Sondereinheiten nicht", sagt Polizeisprecher Wolfgang Wenger.

Der 9. Dezember, der Tag, an dem das Derby der Amateure im Grünwalderstadion angesetzt war, begann schon mit einer Rangelei. Löwenfans, darunter auch Ultras der als gewaltbereit eingestuften Fangruppe "Cosa Nostra", besetzten den Wienerwald neben dem Stadion. Als die ersten Bayernfans gegen 9 Uhr dort auftauchten, kam es zu einem kurzen Schlagabtausch. "Etwa 50 Blaue gegen zehn, zwölf Rote", schätzen Augenzeugen. Nach zwei Minuten sei alles vorbeigewesen. Die Polizei habe dann die etwa 50 Löwenfans an einer Stelle versammelt, um sie in Gewahrsam zu nehmen. "Aber auch Löwenfans, die später hinzukamen, wurden gebeten, sich zu dieser Gruppe zu stellen", erzählt Günter Krause vom Fanprojekt der Stadt München, einer Kooperation von Stadtjugendamt und Arbeiterwohlfahrt. "Die Stimmung war relativ relaxed", sagt Krause. Die hinzugekommenen Löwenfreunde staunten aber nicht schlecht, als sie plötzlich allesamt von der Polizei abtransportiert wurden. 82 Personen blieben in Gewahrsam. Für diese Fans war der Spieltag gelaufen.

Der Rest erlebte an diesem Tag neben der Löwen-Niederlage gegen die Bayern noch einen Einsatz der Sondereinheit Unterstützungskommando (USK) der Polizei. Martin Schönberger, 41, und Alexander Mutschler, 37, standen nach dem Schlusspfiff gezwungenermaßen noch in der Westkurve des Stadions: Die Polizei war bereits 15 Minuten vor Spielende in den Löwen-Fanblock marschiert und hatte dort alle Abgänge und Treppen blockiert, um die Roten und Blauen nach Spielende zu trennen. "Insgesamt etwa eine halbe Stunde dauerte die Sperre", sagt Schönberger. Die Kinder seines Freundes, acht und zehn Jahre alt, mussten zur Toilette - keine Chance. "Das war taktisch etwas unglücklich", meint Günter Krause vom Fanprojekt. Man hätte den unteren Umlauf öffnen können, dann hätten die Leute noch Zugang zum Kiosk- und Treppenbereich gehabt und etwas mehr Luft bekommen. Auch dort wären sie nicht mit den Bayern-Fans in Kontakt gekommen.

So aber blieben die Fans im Block stehen. Und langsam kam Unruhe auf. "Keine polizeifreundlichen Gesänge", erzählt Günter Krause. "Es flogen auch Bierbecher", sagt Alexander Mutschler. Die Stimmung heizte sich langsam auf, die Leute begannen nach unten, gegen die Polizeibeamten zu drängeln. Und dann ließ der Einsatzleiter die Sperre öffnen. "Explosionsartig, durch den Druck von hinten", berichtet Krause, seien die Fans die Treppe hinab gelaufen. Was dann geschah, so berichten Schönberger, Mutschler und Krause einhellig, sei völlig unverständlich und alles andere als deeskalierend gewesen: Laut schreiend seien schwarzgekleidete USK-Beamte auf die Fans zugestürmt, einige mit erhobenen Schlagstöcken, und hätten wahllos auf die Leute eingeprügelt. "Ich hab nur noch geschaut, dass ich wegkomme", erzählt Martin Schönberger. Sein Freund sei mit den Händen über dem Kopf am Zaun gekauert vor Angst. "Die haben richtig zugeschlagen, wahllos, keine Ahnung, warum", sagt auch Günter Krause vom städtischen Fanprojekt. So etwas habe er in den fünf Jahren seiner Arbeitszeit noch nie erlebt.

Auch Michael Dietl nicht. Der 35-jährige Key Account Manager stand nach dem Spiel hinter dem Stadion, mit dem Rücken zum Candidberg an ein Geländer gelehnt und wartete auf seine Freunde. "Plötzlich kommen von links zehn oder 20 USK-Leute und schlagen einfach so im Vorbeilaufen auf mich ein." Der erste Schlag traf ihn am Oberarm, "der zweite Beamte, der einfach draufhaute, hat mich dann Gott sei Dank verfehlt". Jetzt stand Dietl schon in Abwehrhaltung da, die Arme zum Schutz des Kopfes nach oben genommen, als ein dritter USKler den Knüppel hochreißt, ihn kurz anschaut und dann doch von ihm ablässt. "Andere Leute sind in Panik einfach über das Geländer gesprungen und den Candidberg hinuntergefallen", erzählt Dietl. Die Polizisten, sagt er, hätten nicht gezielt nach jemandem gesucht, sondern einfach draufgeschlagen. Jetzt überlegt Dietl, eine Anzeige gegen unbekannt zu erstatten. "Aber wie soll ich die Beamten wiedererkennen? Die hatten doch alle Helme auf." Dietl fürchtet, dass sich eine Anzeige für ihn zum Nachteil entwickeln könnte. Nun erwägen die geschädigten Löwen-Fans eine Sammelklage.

Die Polizei rechtfertigt den USK-Einsatz mit dem Hinweis, die Fans seien "vehement und aggressiv aus dem Block gestürmt". Man habe mit dem USK "dagegenhalten müssen, um die Löwen- von den Bayernfans zu trennen", die noch auf dem Vorplatz gewartet hätten. Mögliche Übergriffe seitens des USK, so sagt Wenger, werde man aber überprüfen.

© SZ vom 18.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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