Löwen-Fans kapern "Earth Hour":Die Demo-Piraten

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Eigentlich sollte die "Earth Hour" eine friedliche Demonstration gegen den Klimawandel werden. Doch in München kaperten Löwen-Fans den Aktionszug, um für das Grünwalder Stadion zu demonstrieren.

Michael Tibudd

Beinahe wäre es nicht mehr als der lokale Ableger einer weltweiten Aktion geworden. So wie in mehr als 4300 anderen Städten in 125 Ländern hatte die Umweltschutzorganisation WWF auch in München zu ihrer symbolischen Klimaschutzaktion "Earth Hour" aufgerufen - und die Stadt folgte unauffällig.

Für eine Stunde sollten am Samstagabend um 20.30 Uhr die Lichter ausgehen. Die Stadt schaltete dazu die Beleuchtung ihrer wichtigsten Sehenswürdigkeiten ab, war damit aber zumindest beim Rathaus elf Minuten zu spät dran. Immerhin diente der beleuchtete Turm so zunächst noch als Orientierungspunkt für die etwa 300 Teilnehmer eines Demonstrationszuges, die vom Sendlinger Tor zum Odeonsplatz marschierten.

Vor dem Rathaus selbst erhielt der lokale Ableger dann allerdings völlig unerwartet eine urlokale Note: Etwa 200 Menschen hatten am Marienplatz auf die Demonstrierenden gewartet. So unauffällig sie das zunächst getan hatten, so sehr legten sie plötzlich Wert darauf, wahrgenommen zu werden. Sie zündeten Wunderkerzen an und entrollten ein etwa 15 Meter breites Transparent. "Bevor auch das letzte Licht ausgeht" griffen sie darauf das Motto der eigentlichen Veranstaltung auf - "Sechzig muss heim nach Giesing".

Womit den Beteiligten auch klar wurde, wer hier gerade die Aktion des WWF kaperte: Fans des TSV 1860 nutzten die Gelegenheit, um für die Rückkehr ihres Vereins in dessen alte sportliche Heimat zu demonstrieren. "Grünwalder Stadion, wir singen Grünwalder Stadion", skandierten die Fans lautstark im Stil eines Stadiongesangs. Die Trommlergruppe, die den eigentlichen Demonstrationszug mit hohem Geräuschpegel anführte, ging dagegen jedenfalls unter. Zwei Minuten lang sollte die überfallartige Aktion dauern, von der auch die Polizei im Vorfeld nichts wusste - dann löste sich der unerwartete Chor auf.

Es war dies offenbar der Auftakt einer ganzen Reihe vergleichbarer Aktionen, mit denen ein harter Kern von Anhängern des Grünwalder Stadions nun dafür kämpfen will, dass die Spielstätte doch noch bundesligatauglich ausgebaut wird.

Diesem Anliegen hatte die Stadt während der vergangenen Woche eine endgültige Absage erteilt, und diese Absage nahmen die Fans nun offensichtlich zum Anlass für diesen "Flashmob", wie sie ihre Demonstration selbst nannten. Sie bedienten sich also jener neuartigen Aktionsform, bei der sich Gleichgesinnte scheinbar spontan im öffentlichen Raum treffen, um dort ein Stück Aufmerksamkeit zu ernten.

"Bildet Banden, bildet Netzwerke!" ruft bereits kurz nach der Aktion ein Organisator in einem Internet-Fanforum auf. "Das heute war das Pilotprojekt - wir starten jetzt richtig durch!"

© SZ vom 29.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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