LMU:Christentum mit Weitblick

LMU: Vor 50 Jahren fiel die Eröffnungsfeier aus. Nun lädt der Dekan der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität, Christian Albrecht, zu einem Festakt ein, um das Jubiläum zu begehen.

Vor 50 Jahren fiel die Eröffnungsfeier aus. Nun lädt der Dekan der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität, Christian Albrecht, zu einem Festakt ein, um das Jubiläum zu begehen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Fakultät für evangelische Theologie feiert nach schwerem Start ihren 50. Geburtstag

Von Jakob Wetzel

Es ist kein einfacher Beginn gewesen für die evangelischen Theologen in München. Pläne, eine eigene Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) zu gründen, hatte es schon nach Kriegsende gegeben, aber niemand trieb sie voran: weder die Landeskirche, die erst 1947 eine Hochschule in Neuendettelsau gegründet hatte, noch die Kollegen von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen, die sich gegen Konkurrenz im Süden sträubten. Die Universität wollte nicht den ersten Schritt machen. Und als die Fakultät dann doch gegründet war, da kamen den Protestanten auch noch Studentenproteste in die Quere: Die Studierenden hätten berichtet, dass andere die Eröffnungsfeier stören wollten, erzählt der Dekan der Fakultät, Christian Albrecht. Die Theologen sagten ihre bereits vorbereitete Feier daraufhin lieber ab.

50 Jahre sind seitdem vergangen. An diesem Donnerstag besteht Gelegenheit, das Versäumte endlich nachzuholen. Die Fakultät feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Abends gibt es einen Festakt; Hildegund Holzheid, früher Präsidentin des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, erhält einen Ehrendoktortitel, Bayerns Wissenschafts- und Justizminister wollen ebenso kommen wie Heinrich Bedford-Strohm, der Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ab 14.45 Uhr lädt die Fakultät zudem jeden Interessierten zum Studientag ins Hauptgebäude der LMU ein; die Themen reichen von der "Natur" als Argument in ethischen Debatten bis hin zu "Theologie und Terror". Und die Studierenden haben eine Ausstellung zur Geschichte der Fakultät erarbeitet.

Mit ihren jetzt 50 Jahren ist die Münchner Fakultät eine der jüngsten ihrer Art in Deutschland, und das hat nicht zuletzt historische Gründe. München war lange ein Zentrum der Gegenreformation. Wer hier, in der Residenzstadt der bayerischen Herzöge, im 16. Jahrhundert reformatorische Lieder sang, der musste damit rechnen, verhaftet und mindestens verhört, womöglich gar hingerichtet zu werden. Auch die damals in Ingolstadt ansässige LMU leistete zu diesem Klima ihren Beitrag. Ihr Siegel zeigt bis heute die vor allem von Katholiken verehrte Gottesmutter Maria.

Dass es dennoch zur Gründung kam, sei dem Münchner Zahnarzt und Honorarprofessor Kurt Lentrodt zu verdanken, sagt Dekan Albrecht. Der Arzt sei den Verantwortlichen in Kirche und Universität so lange auf die Nerven gegangen, bis der Widerstand schwand. Argumente hatte er auch: So verdreifachte sich nach 1945 die Zahl der Protestanten in München von knapp 130 000 auf mehr als 360 000 in den Siebzigern. Historiker sprechen von einem Boom evangelischer Kirchenneubauten in der Stadt. Und in der Kirche mehrten sich in jener von einem Gefühl des Aufbruchs geprägten Zeit die Stimmen, die dem konservativen Geist der Erlanger Fakultät etwas entgegensetzen wollten.

Tatsächlich verstanden sich die anfangs fünf, nach wenigen Jahren elf LMU-Theologen als offen für die gesellschaftlichen Strömungen der Zeit. Das Christentum sollte unter anderem aus kulturwissenschaftlicher Perspektive untersucht werden, ohne sich auf starre Glaubenssätze zurückzuziehen. Das sei noch heute so, sagt Albrecht - und zwar stets mit dem Ziel, künftige Pfarrer und Lehrer auf die Welt vorzubereiten, in der sie später Dienst tun werden.

Diese Welt ist eine, in welcher zumindest in München der Boom längst vorüber ist. In der Stadt leben noch knapp 180 000 Protestanten, Tendenz sinkend. Die vor 50 Jahren errichteten Kirchen sind heute vielfach teure Sanierungsfälle. Doch die Themen der Fakultät von heute gehen darüber hinaus, sie reichen von Fragen der Globalisierung über die Folgen des Fortschritts bis hin zur Digitalisierung - und etwa der Frage, ob die Kirche die neue Technik nicht nutzen könne, um sich ein Stück weit aus der Fläche zurückzuziehen. Und die Theologen beschäftigen sich auch mit der jüngeren Geschichte. In den Debatten der Bonner Republik, etwa über die Wiederbewaffnung 1955, sei die Kirche zwar seltener öffentlich aufgetreten als heute, aber in den Verhandlungen dennoch präsenter gewesen, sagt Albrecht. Ihre Rolle sei damals selbstverständlicher gewesen. Was diese Entwicklung für das kirchliche Selbstverständnis bedeutet - auch dazu wird an der Fakultät geforscht.

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