Literatur:Der Erfolg heißt Marie

Eine Verlegerrunde plaudert bei Lehmkuhl über die Branche

Von Antje Weber

Da werden ein paar Leute im Publikum schlucken: München sei "nicht gerade die ganz große Literaturstadt", sagt Hanser-Chef Jo Lendle: "Es gibt kein nennenswertes literarisches Leben in München." Und Jonathan Beck, der gerade erst seinem Vater als C. H. Beck-Verleger nachgefolgt ist, stimmt ihm zu.

Immerhin: Dieser Abend bei Lehmkuhl beweist, dass es doch zumindest Anflüge eines literarischen Lebens in dieser Stadt zu geben scheint. Der Laden ist übervoll, und Geschäftsführer Michael Lemling freut sich: "Wir hätten auch das Literaturhaus füllen können." Er sitzt ja auch in einer illustren kleinen Runde: Neben Lendle und Beck, der in der verlagseigenen Buchhandlung einen seiner ersten öffentlichen Auftritte absolviert, hat Verlegerin Marcella Prior-Callwey Platz genommen; sie ist für Tanja Graf eingesprungen, die seit kurzem bei Diogenes das Programm mitverantwortet.

"Zwischen Buch und Box" ist dieser Abend überschrieben, der nichts weniger als eine "kleine Verlegerkonferenz über die Zukunft des Buchhandels" bieten soll. Hat eine neue Verleger-Generation neue Antworten auf den Strukturwandel der Branche? Da darf natürlich das Stichwort "Digitalisierung" nicht fehlen - wobei Lendle zu Recht feststellt, dass sich dahinter "extrem unterschiedliche Felder" verbergen: Die Produktion verändert sich, was er am unproblematischsten findet; die "Darreichungsform" ist nicht mehr auf das Buch beschränkt; der Handel wiederum, der unter Amazon & Co leidet, bereitet Lendle "die größte Sorge".

Ein Versuch, auf den Wandel zu reagieren, ist die viel beschworene "Hanser-Box" mit Texten hauseigener Autoren für das E-Book - dies sei "ein Labor", spielt Lendle herunter, das nur "ein Promille" des Geschäfts ausmache. Verlegerin Prior-Callwey setzt dem Internet vor allem "liebevoll gestaltete Bücher" zu Architektur oder Kochen entgegen - und eine klare Fokussierung auf die Zielgruppe des neuen "Geschmacksbürgertums": Die wird für sie sehr plastisch verkörpert von einer virtuellen Figur namens Marie, Anfang 40, die in einem schönen Haus wohnt. Wie im Vergleich wohl die Käufer der Bücher von Hanser oder C. H. Beck aussähen? Das bleibt im Dunkeln, dafür erheitert Jonathan Beck das Publikum, indem er ungeahnte Folgen der Digitalisierung für das Sachbuch öffentlich macht: "Am Computer schreibt es sich lockerer - deshalb werden die Bücher länger!"

Doch auch damit wird C. H. Beck offensichtlich spielend fertig: Auf der Spiegel-Bestsellerliste Sachbuch finden sich derzeit gleich sieben Titel des Verlags, und der laufende Monat März ist bereits jetzt der beste der Firmengeschichte. Glück des Anfangs für den sympathisch bescheiden wirkenden Neu-Verleger? "Eher Glück des Abschieds für meinen Vater", meint er, mit etwas Pech werde er solche Höchstmarken nie wieder erreichen. Vielleicht aber gewöhnt er sich auch einfach an das Glück, so wie das bei Hanser anklingt: Beim Rückblick auf die Höhepunkte seines ersten Jahres erzählt Jo Lendle ausführlich, wie er den Verlag erkundet hat. Erst am Schluss fällt ihm gerade noch ein: "der Nobelpreis!" Nun, es war ja schon der sechzehnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: