Liserl-Prozess:"Unfassbare Dimension von Brutalität"

Die Angeklagten im Liserl-Prozess legen überraschend doch noch ein Geständnis ab - trotzdem erhalten die Wiesn-Vergewaltiger hohe Haftstrafen.

Alexander Krug

Wegen der stundenlangen und mehrfachen Vergewaltigung einer zuvor mit K.- o.-Tropfen betäubten Wiesn-Besucherin hat das Landgericht am Freitag drei angeklagte Münchner zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die beiden Haupttäter müssen für zehn Jahre und neun Monate beziehungsweise acht Jahre und neun Monate hinter Gitter. Ein Komplize erhielt wegen Beihilfe drei Jahre Haft. Vor dem Urteil hatten die Männer nach fast zweimonatigem Schweigen im Prozess doch noch ein Geständnis abgelegt.

"Was wir gemacht haben, war eine Riesensauerei", gestand der Student Robert F., 29. "Es ist irgendwie total aus dem Ruder gelaufen. Das wäre alles nicht passiert, wenn wir nicht so betrunken gewesen wären." Auch der mitangeklagte Ignaz Ö., 29, schrieb die Tat einem exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum zu und sprach von einem "Riesenfehler". Der dritte Angeklagte Peter M., 27, hatte als Einziger seine Beteiligung an der Tat schon von Beginn an eingestanden.

"Unmenschlichkeit und Rücksichtslosigkeit"

Der Fall hatte aufgrund überraschender Wendungen für viele Schlagzeilen gesorgt. Das Opfer, eine zur Tatzeit 20-jährige Schülerin, war 2007 im Anschluss an einen Wiesn-Besuch mit den drei Angeklagten in die Wohnung von Robert F. gegangen, den sie flüchtig kannte. Dort mischten die Männer ihr unbemerkt K.-o.-Tropfen in ein Getränk und fielen dann über sie her. Robert F. und Ignaz Ö. vergewaltigten und misshandelten die bewusstlose Frau stundenlang, während Peter M. mit einem Handy Fotos schoss. Staatsanwalt Gert Burmeier sprach in seinem Plädoyer von einer "unfassbaren Dimension von Unmenschlichkeit, Brutalität und Rücksichtslosigkeit".

Beinahe wäre die Tat nie zur Anklage gekommen, weil das Opfer sich nicht bei der Polizei meldete. Die Gründe für dieses Verhalten blieben im Dunkeln, möglicherweise hatte die junge Frau keinerlei Erinnerung an das, was mit ihr geschehen war. Ins Rollen kam der Fall erst, als im Januar 2008 im Zuge einer Drogenrazzia in der Wohnung von Robert F. die Handyfotos sichergestellt wurden. Anschließend suchte die Polizei eineinhalb Jahre nach dem Opfer, von dem sie nur mögliche Vornamen wie "Lieserl" oder "Lisa" kannte. Als am 10. Juli dieses Jahres der Prozess begann, war "Lisa" trotz öffentlicher Aufrufe noch immer nicht gefunden. Erst während des Verfahrens meldete sich die junge Frau bei der Polizei und sagte danach unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Genugtuung für das Opfer

Eine noch höhere als die ausgesprochene Strafe vor Augen, entschlossen sich Robert F. und Ignaz Ö. dann in buchstäblich letzter Minute doch noch zu einem Geständnis, das am Freitagvormittag protokolliert wurde. Außerdem verpflichteten sie sich zu einer Zahlung von jeweils 10.000 Euro an das Opfer. Da auch Peter M. 2000 Euro zahlen wird, fließen insgesamt 22.000 Euro an "Lisa". Mögliche weitere Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen sind damit aber nicht ausgeschlossen.

Robert F. bekam mit zehn Jahren und neun Monaten Haft die höchste Strafe, weil bei ihm eine sogenannte Gesamtstrafe zu bilden war. Sie setzt sich zusammen aus acht Jahren und neun Monaten für die "besonders schwere Vergewaltigung" sowie zwei Einzelstrafen von drei Jahren wegen Drogendelikten und zwei Jahren und neun Monaten wegen einer Körperverletzung. Richter Norbert Riedmann machte den Angeklagten noch einmal deutlich, wie gefährlich der Einsatz von K.-o.-Tropfen sei. Es habe "konkrete Lebensgefahr" bestanden, und es sei nur Zufall und Glück zu verdanken, dass "Lisa" nicht zu Tode gekommen sei. Gabriele Schöch, Anwältin des Opfers, meinte, vor allem das Geständnis sei eine "Genugtuung" für ihre Mandantin.

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