Linker Protest gegen Leerstand:Die Bettlaken-Besetzer

Feuerwehr - Gefahrgutunfall

Dutzende schwarz gekleidete, zum Teil vermummte Spezialkräfte der Polizei haben am Samstag die ehemalige Diskothek Meinburk an der Seidlstraße gestürmt. Das Gebäude hatten Aktivisten zuvor als besetzt vermeldet, tatsächlich trafen die Polizisten dort aber niemand an.

(Foto: Thomas Gaulke)

Am Wochenende hat die Gruppe "Für Lau Haus" zum dritten Mal eine Hausbesetzung verkündet, dann aber hingen dort nur drei Transparente im Fenster. Die Polizei ermittelt trotzdem und tappt noch ziemlich im Dunkeln

Von Thomas Schmidt

Eine Gruppe anarchistischer Aktivisten treibt ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Münchner Polizei und scheint ihr derzeit stets einen Schritt voraus zu sein. Mit gut organisierten Aktionen protestiert die Gruppe "Für Lau Haus" gegen Leerstand und Kommerzialisierung, überschreitet dabei aber wiederholt die Grenze der Legalität. Seit Monaten bereits ermittelt das für Staatsschutzdelikte zuständige Kriminalfachdezernat, bislang aber ohne Erfolg. Am Samstag führte die Gruppe die Polizei erneut in die Irre.

Der Einsatz war massiv: Dutzende schwarz gekleidete, zum Teil vermummte Spezialkräfte rückten mit Schlagstöcken und meterlangen Stangen, mit Rammböcken, Schilden, Helmen und Schutzwesten an. Zuvor hatte "Für Lau Haus" via Twitter verkündet, das Gebäude des früheren Meinburk-Clubs an der Seidlstraße besetzt zu haben. Von den Fenstern hingen drei bemalte Bettlaken herab, zeigten das Logo der Gruppe, darunter stand "Besetzt". Doch als die Polizisten das Gebäude stürmten, war weit und breit keine Besetzer zu sehen. Entweder hatten sie sich in letzter Sekunde aus dem Staub gemacht, oder - was wahrscheinlicher ist - sie waren schon längst verschwunden und beobachteten alles genüsslich aus der Ferne.

Denn in Wahrheit geht es der Gruppe nicht darum, leer stehende Gebäude dauerhaft zu besetzen, sondern um Aufmerksamkeit. Sie verschafft sich illegal Zugang, hinterlässt ein paar Zettel und Banner, verrammelt Treppenaufgänge mit Sperrmüll, stellt Fotos davon ins Internet und verschwindet, bevor die Polizei anrückt. So lief es auch Ende Juli ab, als Aktivisten angeblich das leere "Schnitzelhaus" im Westend besetzt hatten. Einen Monat später, am 17. August, besetzten sie nach eigenen Angaben "zum Schein" das Gebäude einer ehemaligen Druckerei in Freimann.

Die Aktion am Samstag war bisher die spektakulärste. Die Gruppe organisierte zunächst ein Ablenkungsmanöver und hängte Freitagnacht Banner an einem Gebäude in der Nähe des Ostbahnhofs auf, was laut Lau-Haus die Polizei "während der eigentlichen Besetzung beschäftigen sollte". Als Spezialkräfte dann viele Stunden später - zu spät - vor der ehemaligen Meinburk Aufstellung bezogen, hatte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite schon eine kleine Gruppe postiert, die die Polizeiaktion fotografierte und lautstark kommentierte. Ein Zufall war das nicht, die Lau-Haus-Gruppe hatte vorab zum "Cornern" aufgerufen, Jargon für das Herumlungern an einer Straßenecke.

Gleichzeitig twitterten die Aktivisten eifrig über den Einsatz und mokierten sich über die Polizei: "Die 2 1/2 Bettlaken halten das Haus noch immer besetzt", schrieb ein Follower. Kurz darauf twitterte die Gruppe: "Als das vermummte USK in mein neues Zuhause gestürmt ist, musste ich leider schon wieder gehen." Nicht alle Tweets waren harmlos, die Gruppe drohte auch: "10 leere Flaschen können schnell 10 Molis sein", schrieben sie und veröffentlichten dazu ein Bild von Flaschen, die an Molotowcocktails erinnern sollen. Weiter schrieben sie: "Wir haben unsere Bettlakensammlung durch 1 Bombenwerkstatt erweitert."

Mit ihren Aktionen will die Gruppe nach eigenen Angaben gegen Leerstand und explodierende Mieten protestieren. Sie kritisiert "die Vertreibung von Menschen mit keinem oder geringem Einkommen" und fordert "Freiräume", in denen "alle Menschen die Möglichkeit zur Mitgestaltung und -verwaltung" haben. Da solche Besetzungen meist den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllen, ermittelt die Kripo spätestens seit der Aktion im "Schnitzelhaus". Doch die kleine Gruppe agiert aus dem Untergrund heraus, die Ermittlungen sind schwierig. Fachleute der Polizei schätzen, dass es 500 bis 600 aktive Linke in der Stadt gibt, "davon sind aber nur sehr wenige gewaltbereit", sagt eine Polizeisprecherin. Ob Mitglieder der Lau-Haus-Gruppe womöglich gewaltbereit sind und wie viele Mitglieder sie zählt, lasse sich "nur sehr schwer einschätzen".

Auf Nachfrage der SZ, wie der Tweet mit den "Molis" zu verstehen sei, antwortet die Lau-Haus-Gruppe per E-Mail - und friedfertig: Damit habe man lediglich auf "die Absurditäten und haltlosen Unterstellungen der Polizei uns gegenüber aufmerksam machen" wollen. Zur Gewalt rufen die Aktivisten in ihrer Antwort nicht auf, stellen aber klar: Es werde weitere Aktionen geben. Für eine "echte Hausbesetzung" herrsche derzeit "noch nicht die richtige Stimmung in der Bevölkerung". Das freilich möchten die Aktivisten gerne ändern: "Wir wollen zeigen, dass Menschen sich ihren Lebensraum selbst nehmen können."

Für die Polizei ist das Katz-und-Maus-Spiel alles andere als witzig. "Da werden viele Kräfte gebunden, die anderswo sinnvoller eingesetzt werden könnten", sagt die Sprecherin. Am Samstag gingen die Beamten derart massiv vor, weil sie schlicht nicht wussten, was sie im Innern des Gebäudes erwartet. Überhaupt wissen die Ermittler bisher recht wenig über die Gruppe. Aber, sagt die Sprecherin: "Früher oder später erwischen wir die schon."

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