Lieferservice für Lebensmittel:Per Klick zum vollen Kühlschrank

Konjunkturelle Lage in Deutschland

Wer nicht viel Zeit hat, lässt sich den Einkauf nach Hause liefern.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Einkaufen im Sitzen: In München sind immer mehr Unternehmen aktiv, über die man online Lebensmittel kaufen und sich nach Hause liefern lassen kann. Die Anbieter setzen dabei vor allem auf eine ganz bestimmte Klientel.

Von Sabine Oberpriller

Die App blinkt auf, zeigt eine Einkaufsliste und ein Zeitfenster, in dem der Kunde den Einkauf geliefert haben möchte. Damit beginnt der Job von Vartui Khachaturyan. Sie fährt zum Supermarkt, einkaufen. Wenn der Auftraggeber die kürzestmögliche Lieferzeit gewählt hat, bleiben ihr zwei Stunden, um die Waren abzugeben. Die Mathematikstudentin ist eine von rund 30 Einkäufern des Lieferdienstes Shopwings. Manche von Khachaturyans Kollegen sind mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs, sie selbst hat ein Auto. "Wahrscheinlich bekomme ich deshalb die dicken Aufträge", sagt sie. "Ich habe schon viele Getränkepacks geschleppt."

Seit Mitte Oktober können Münchner bei Shopwings ihren Einkauf online erledigen. Bisher bietet die Firma fast das komplette Sortiment von Lidl und V-Markt an. Laut Gründer Florian Jaeger sollen die Kunden mit der Zeit zwischen sämtlichen in der Stadt verfügbaren Supermärkten wählen können. Es ist kein Zufall, dass das Unternehmen nun in München auf den Markt drängt, wo bereits einige ähnliche Anbieter konkurrieren.

Die vielen Besserverdiener in der Stadt, sagen die Verantwortlichen auch anderer Unternehmen, machen den Markt interessant: Die Münchner, so die Hoffnung, nehmen Zusatzkosten eher in Kauf als Bewohner anderer Städte, wenn sie dafür die Einkäufe bequem nach Hause geliefert bekommen.

Der "Zalando-Effekt"

Lieferservice für Lebensmittel: Es geht auch online: Lebensmitteleinkauf ganz ohne Geschäft.

Es geht auch online: Lebensmitteleinkauf ganz ohne Geschäft.

Dass nach Büchern, Schuhen und Elektronik auch das Sortiment normaler Supermärkte bei immer mehr Anbietern über das Internet zu beziehen ist, nennt Handelsforscher Lars Hofacker den "Zalando-Effekt". Die Werbung des Onlineshops habe die Menschen aufmerksam gemacht, was alles im Internet möglich sei. "Die Verbraucher entdecken mehr und mehr den Nutzen des Onlineversands."

Der über das Internet abgewickelte Lebensmittelhandel ist trotzdem noch eine so kleine Nische, dass es keine belastbaren Zahlen gibt. In Bayern haben die klassischen Lebensmittelhändler mit ihren Supermärkten im vergangenen Jahr 25,5 Milliarden Euro umgesetzt. Schätzungen zufolge liegt der Anteil des Onlinehandels daran nur zwischen 0,3 und einem Prozent. Bestenfalls, so rechnet die Handelskammer vage, käme der Lebensmittelverkauf über das Internet aktuell auf maximal 250 Millionen Euro in Bayern. Heruntergerechnet hätten Online-Lebensmittelhändler in München etwa 40 Millionen Euro erwirtschaftet.

Die Liste der Anbieter in der Stadt ist nicht eben kurz: Food.de, Allyouneed, Mytime, Bringmeister oder Freshfoods heißen die Unternehmen, auf deren Seiten man per Mausklick einkaufen kann. Selbst das Feinkost-Geschäft Dallmayr hat seit kurzem einen Online-Shop. Shopwings ist nach eigenen Angaben das erste Unternehmen, das nur als Bringdienst aktiv ist: Die Einkäufer fahren also zu Supermärkten und kaufen tatsächlich für den Kunden ein, um ihm die Ware nach Hause zu liefern. Dadurch kann das Startup - innerhalb der Öffnungszeiten - auch schneller liefern als etwa Allyouneed und Mytime, die die Ware aus ihrem Lager holen und dann über den Lieferdienst DHL verschicken - was eine Lieferzeit von einem Tag bedeutet.

Kein Angebot für Schnäppchenjäger

Einzig Freshfoods, das sich als regionaler Anbieter mit eigenem Lager und eigener Lieferflotte versteht und etwa 5000 registrierte Kunden hat, bietet ähnliche Lieferzeiten wie Shopwings: Die Ware kommt innerhalb von vier bis fünf Stunden, dafür sogar rund um die Uhr. "Der Kunde kann sich doch nicht jedes Mal den halben Tag frei nehmen, um auf unsere Lieferung zu warten", sagt Matthias Hensler, einer der beiden Gründer.

Überhaupt haben die Händler mit ihrem Geschäftsmodell einige logistische Probleme zu bewältigen. Der Deutsche ist preisbewusst, von Lieferaufschlägen für Lebensmittel müsse er erst überzeugt werden, sagt Handelsforscher Hofacker. Zugleich gebe es eine hohe Dichte an leicht erreichbaren Supermärkten. Und dann möchte der Kunde selbst beurteilen, welche Birne gut genug für ihn ist. So geht es auch Benedikt von Liel, der Shopwings vor kurzem das erste Mal genutzt hat, weil er mitten in seiner Doktorarbeit steckt und kaum vor Ladenschluss nach Hause kommt. "Gerade beim Gemüse war ich skeptisch", sagt er. "Aber die Lieferanten waren immer höflich und haben sich mit der Auswahl sehr viel Mühe gegeben."

In München geht die Rechnung auf

Allerdings berichtet von Liel auch von kleineren Problemen, mit denen Online-Lebensmitteldienste noch zu kämpfen hätten. "Bisher hat mich der Shopper bei jedem Einkauf angerufen, weil es etwas nicht gab", sagt Liel. Wenn trotz aller Bemühungen dem Shopper keine Alternative im Laden zur Verfügung steht, bleibt dem Kunden bisher nur übrig, zu verzichten. Es gibt dann einfach kein stilles Wasser oder keine Alufolie. Wäre man selbst unterwegs, wäre man vermutlich einfach kurz in den nächsten Laden gegangen - und wäre auch noch billiger davon gekommen.

Shopwings zum Beispiel macht nämlich eigene Preise, die Ware kostet also manchmal mehr als im Supermarkt. Zusätzlich verlangt das Startup 4,90 Euro Liefergebühr. "Insofern ist unsere Idee kein Modell für Schnäppchenjäger oder Leute, die extrem aufs Geld achten", sagt der Unternehmer. München aber sei von der Bevölkerungsstruktur her eine Stadt, in der so ein Konzept seiner Überzeugung nach gut klappt. Freshfoods-Gründer Hensler weiß noch einen zweiten Grund, warum die Stadt der ideale Ort für seinen Online-Handel ist. Er legt Wert auf biologische und regionale Produkte. "Nur im Bereich München haben wir zu hundert Prozent regionale Zulieferer für unsere Saisonprodukte und Fleischwaren gefunden", sagt er.

Es ist also noch ein weiter Weg, bis man davon sprechen kann, dass sich der Onlinehandel für Sortimente von Supermärkten am Markt etabliert hat. Hofacker aber ist überzeugt von der Zukunft der Sparte. Wenn die großen Handelsketten einsteigen, werde es schnell gehen, sagt er. Bisher ist der größte Spieler Rewe, der seinen Onlineservice sukzessive ausbaut und bereits in 17 Ballungsgebieten liefert - darunter München. Dass Deutschland irgendwann nur noch online einkauft, sieht Hofacker aber nicht kommen: "Online und stationärer Handel werden sich gut ergänzen."

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