Leslie Mandoki:Der mit den Helden spielt

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Phil Collins, Lionel Ritchie, Engelbert, die No Angels: Leslie Mandoki, Münchner Superdrummer, ist einer der gefragtesten Produzenten. Er wurde durch "Hu! Ha! Hu!"-Rufe bekannt.

Stephan Handel

Dann taucht er wieder auf aus der anderen Welt. Zehn Minuten war er dort, die Ellbogen auf zwei Pulte gestützt, den Kopf gesenkt, mit den Händen leise trommelnd. Jetzt schaut er, als müsste er sich erst zurechtfinden.

Leslie Mandoki floh aus Ungarn: 17 Mal hatte er einen Antrag gestellt, ausreisen zu dürfen. 17 Mal war er abgelehnt worden. (Foto: Foto: Rumpf)

Dabei ist das doch sein Zuhause - 10000 Knöpfe, 100000 Lämpchen, die Boxen, der Sessel, die Racks mit den Effektgeräten und das Fenster zum Aufnahmeraum, der groß ist wie ein Tennisfeld, darin ein Bösendorfer-Flügel, eine schöne alte B3-Hammondorgel, ein Fender-Rhodes-E-Piano und das gigantische goldfarbene Schlagzeug. Auf der Bassdrum steht "Leslie Mandoki", als sei es das Namensschild an einer Haustür, der Eingang in seine Welt.

Das Beste

"Das ist das Beste, was ich in meinem Leben gemacht habe", sagt Leslie Mandoki. Er meint die CD, die er jetzt aus dem Player holt, "Aquarelle" heißt sie und wäre allein schon außergewöhnlich wegen der Musiker, die mitspielen: Steve Lukather, der Gitarrist von Toto, und Bobby Kimball, Sänger dort. David Clayton-Thomas und Chris Thompson, die Frontmänner von Blood, Sweat & Tears und Manfred Mann's Earth Band. Ian Anderson, der flötende Waldschrat von Jethro Tull. Die Blueser Jack Bruce und Eric Burdon.

Die Hammer-Bassisten Anthony Jackson und Victor Bailey. Die Brecker Brothers an den Hörnern, der Saxophonist Michael, der während der Aufnahmen starb, und der Trompeter Randy, der sich in dem Stück "Move on" eine teuflische Battle mit Till Brönner liefert, dem Jungstar am deutschen Bläserhimmel.

Al di Meola, der einst der schnellste Gittarist der Welt war, vor allem aber ein feiner Jazzer ist. Und Peter Maffay, was praktisch ist, weil er Mandokis Nachbar ist in der Klenzestraße zu Tutzing. Soulmates heißt die Band. Mandoki Soulmates - Seelenverwandte hat er sich ins Studio geholt, um die Musik zu machen, die er immer machen wollte.

Phil Collins, Lionel Ritchie, Engelbert

"Setz dich hierhin", hatte Mandoki gesagt. "Das ist der sweet spot." Der Chefplatz hinter dem Mischpult, auf den die Lautsprecher gerichtet sind, an dem alles am besten zu hören ist. Hier hat er mit ihnen gearbeitet, mit den Weltstars des Rock. Und das sind ja nicht nur die Soulmates.

Phil Collins hat er produziert, Lionel Ritchie, Engelbert, ein paar Ligen darunter die No Angels. Er ist, nicht übertrieben, weltweit einer der erfolgreichsten Produzenten, wovon auch das Treppenhaus im Studiogebäude zeugt: Es ist tapeziert mit Goldenen Schallplatten, mit Photos, die Mandoki neben den großen Stars zeigen. Und doch wird er in der Öffentlichkeit nach wie vor über etwas definiert, das für ihn eine nicht sehr wichtige Episode in seinem Leben ist.

1953 wurde Leslie Mandoki in Budapest geboren. Sein Vater war Musiker, mit sechs, sieben Jahren fing Leslie an, Schlagzeug zu spielen. Er studierte am Konservatorium und hatte da schon längst seine Liebe zum Jazz- und Progressive Rock der frühen 1970er Jahre entdeckt - Weather Report, Frank Zappa, solche Sachen.

Das war in Ungarn nicht leicht zu bekommen: "Wer ein vier Mal überspieltes Mono-Tape von Jethro Tull hatte, war der Größte." Sofort blitzt eine Seite an Mandoki auf, die später noch öfter erscheinen wird: der politische Mensch, der Intellektuelle, der nachdenkt über das, was um ihn herum geschieht: "Jede Diktatur versucht, Kunst zu verhindern. Weil sie den Menschen etwas über ihr Leben erzählt."

17 Mal hatte er einen Antrag gestellt, ausreisen zu dürfen. 17 Mal war er abgelehnt worden. 1975 beschlossen er und sein Freund, der Pianist Laszlo Bencker: So geht es nicht weiter. Ohne irgendjemandem davon zu erzählen - das hätte Familie und Freunde gefährden können - flüchteten sie, gingen nach Österreich und weiter nach Deutschland.

Eigentlich wollten sie nach Skandinavien, aber sie wurden aufgegriffen und kamen ins Aussiedlerlager nach Zirndorf. Dort fragte ihn ein Berater, was er denn nun vorhabe mit seinem Leben. Mandoki zählte die Namen seiner Heroen auf und sagte: "Ich will mit diesen Leuten spielen." Wen wundert's, dass er als Antwort nicht mehr als ein mitleidiges Lachen bekam?

Bencker und er beschlossen erst einmal, Tanzmusik zu machen, um Geld zu verdienen und die auf Pump gekauften Instrumente bezahlen zu können. Schnell merkten sie aber, dass es nicht reichte, ein paar Beatles- und Stones-Nummern draufzuhaben, was für sie die Grenze zum Kommerz schon weit überschritt: Die Leute wollten "Rosamunde" - und das war unmöglich. Klaus Doldinger half ihnen schließlich weiter. Zwei Seiten mit Telefonnummern schrieb er auf, und bald waren sie in der damals sehr aktiven Münchner Studioszene etabliert.

"Hu! Ha! Hu! Ha!"

Doch dann ereignete sich, worüber Mandoki bis heute nicht gerne spricht: Eigentlich sollte er für Ralph Siegels Jupiter Records als Rocksänger "gesigned" werden, wie es heißt, wenn ein Musiker einen Vertrag unterschreibt. Siegel hatte aber eine andere Idee für den balkanisch anmutenden Magyaren. Er stellte gerade eine Truppe zusammen, den Namen hatte er schon und den ersten Song auch - beide hießen "Dschingis Khan".

Und so fand sich Mandoki plötzlich in einem bodenlangen Mantel, den Oberkörper darunter frei, auf einer Bühne stehend, die Faust in die Luft reckend und "Hu! Ha! Hu! Ha!" brüllend. 1979 nahm die Gruppe am Eurovision Song Contest in Paris teil, wurde Vierter, und Mandoki wunderte sich: "Grand Prix war für mich bis dahin irgendwas mit Formel 1."

Bis 1985 ging das mit Dschingis Kahn, die Band war sehr erfolgreich, aber künstlerisch war es nicht das, was Mandoki wollte. "Heute überwiegen die positiven Erinnerungen", sagt er. "So habe ich Thomas Gottschalk und Monti Lüftner kennengelernt." 1982 schon hatten er und Bencker das erste kleinere Studio gegründet und verlegten sich mehr und mehr aufs Produzieren - der richtige Weg, wie er heute weiß.

Aber die Krise der Musikindustrie? Die illegalen Downloads? Die rückläufigen CD-Verkäufe? Es ist ein überraschender Gedanke, den Mandoki dazu äußert: "Das ist eine große Chance für die Musik. Die Plattenfirmen haben die Künstler jahrzehntelang geknechtet - alles wurde ins gleiche Format gegossen, massenkompatibel, alles hörte sich gleich an. Jetzt können wir wieder machen, was wir wollen."

So wie seine Soulmates. Wer wäre vor Jahren auf die Idee gekommen, Songs von mehr als zehn Minuten Länge zu schreiben, die kein Musikredakteur beim Radio jemals auch nur mit der Kneifzange angefasst hätte?

Jetzt spielen sie das unglaubliche "Haunted", zehn Minuten und neun Sekunden, fast sechs Minuten ist's ein fast normaler Rocksong, aber dann geht's ab in einer wilden Mischungen aus infernalischen Bass-Läufen, Sax-Gequietsche, messerscharfen Bläser-Riffs - der Zuhörer fragt sich, was er mehr bewundern soll: die unglaublich virtuose Leichtigkeit, mit der das alles hingelegt wird, als sei es gar nichts. Oder die Musikalität - das ist kein angeberisches Gefrickel, wie es oft herauskommt, wenn weniger musikalische Leute die Kollegen beeindrucken wollen. Das ist Musik mit Sinn und Verstand und vor allem: mit Herz.

Es ist die vierte Soulmates-CD, diverse Ableger nicht mit eingerechnet. Nach der letzten Veröffentlichung, Mandoki gibt das zu, hatte ihn so etwas wie eine Schreibblockade ergriffen: Er hatte das Gefühl, es könnte nicht mehr besser werden. Doch dann kam dieser Abend in Dresden, die Soulmates spielten ein Konzert vor einem Wirtschafts-Kongress, und nach dem Auftritt kam Mandoki mit einem Manager, mit dem er befreundet ist, ins Gespräch.

Flachbildschirm im Goldrahmen

"Wir saßen auf der Bühne, um uns herum wurden die Instrumente abgebaut, und wir redeten und redeten." Über Verantwortung im Leben. Über den Druck im Job. Über die Unmöglichkeit des Scheiterns. Um fünf Uhr früh kam Mandoki ins Hotel, setzte sich hin und schrieb "After the Flood", nun das erste Stück auf der neuen CD.

Mandoki sitzt mittlerweile in seinem Büro, ein Flachbildschirm hängt in einem goldenen Bilderrahmen an der Wand, Familienphotos, Hanteln, die nicht so aussehen, als würden sie ständig benützt, Managerbücher, Musiklexika. Noch zwei Seiten seiner Persönlichkeit hat er zu zeigen, nach dem Musiker und dem Intellektuellen. Die eine ist einfach: "Ich bin ein stinknormaler Familienvater", sagt er. Seit 22 Jahren ist er mit Eva verheiratet, die in Weilheim als Ärztin praktiziert. Drei Kinder, Lara, 19, Gabor, 17, und Julia, 15.

Er steht auf und holt einen Brief vom Schreibtisch. "Sehr geehrter, lieber Herr Mandoki" ist die Anrede: Edmund Stoiber schreibt, wie wohl er und Karin sich neulich auf der Soiree im Studio gefühlt hätten, leider könnten sie nicht zur CD-Präsentation Ende August nach Berlin kommen, aber sonst: Immer wieder gerne. Mandoki ist nicht nur ein bekennender CSU-Anhänger, sondern daneben außerordentlich gut vernetzt in Politik und Wirtschaft - mit Angela Merkel ist er bekannt, auch mit Michail Gorbatschow, mit Ferdinand Piëch von VW. "Ich bewundere diese Leute", sagt er. "Diese Tatkraft, diese Entschlossenheit."

Daran fehlt es auch ihm nicht. Wer sonst würde es schaffen, 18 Weltstars des Rock und des Jazz nach Tutzing zu bringen und das beste aus ihnen herauszuholen? Damals in Zirndorf, vor mehr als 30 Jahren, hatte er gesagt, er sei in den Westen gekommen, um mit diesen Leuten zu spielen. Nun, so sieht's aus, hat sich sein Traum erfüllt. "Wenn ich das jemals glaube", sagt Mandoki, "dann höre ich auf."

© SZ vom 22.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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