Lesetipps für den Sommer:Geschichten, besser als der Urlaub

Fiese Mörder, raffinierte Hochstapler und amüsante Dreiecksgeschichten: Der Urlaub soll nicht nur Erholung bringen, sondern auch spannende Storys. Acht Münchner Buchhändlerinnen sagen, welche Lektüre sich für diesen Sommer besonders eignet.

Von Christiane Lutz, Katja Riedel und Martin Hammer

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Fiese Mörder, raffinierte Hochstapler und amüsante Dreiecksgeschichten: Der Urlaub soll nicht nur Erholung bringen, sondern auch spannende Storys. Acht Münchner Buchhändlerinnen sagen, welche Lektüre sich für diesen Sommer besonders eignet.

Mechthild Heinen, Buchhandlung Lehmkuhl:

Ich empfehle für den Urlaub "Der amerikanische Architekt" von Amy Waldman. Ein politisches und gleichzeitig sehr unterhaltsames Buch, mit dem man auch beim Lesen im Liegestuhl den inneren Bezug zur Realität behält. Eine Jury sucht in einem Architektenwettbewerb den besten Entwurf für eine Gedenkstätte auf Ground Zero in New York. Als sie nach langen Diskussionen den Umschlag mit dem Sieger öffnen, stellt sich heraus, dass ein Moslem gewonnen hat.

Ein junger, in den USA geborener Mann zwar, aber ein Moslem. Das Entsetzen ist groß, und die ganz unterschiedlichen Mitglieder der Jury stellen sich die Frage, ob sich diese Entscheidung der Bevölkerung vermitteln lässt. Am Ende zieht der Architekt zurück - der amerikanische Traum, dass jeder unabhängig von seiner Herkunft, Erfolg haben kann, ist gescheitert.

Amy Waldman: Der amerikanische Architekt, 512 Seiten, Schöffling & Co., Franfurt am Main 2013, 24,95 Euro

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Martina Nussberger, Buchhandlung Colibris:

Seit 13 Jahren arbeite ich in der Buchhandlung, und jedes halbe Jahr habe ich ein Buch, das ich einfach jedem in die Hand drücken muss. Im Moment ist das Michael Köhlmeiers "Die Abenteuer des Joel Spazierer". Es fesselt den Leser, ja bindet ihn richtig an sich, gut 600 Seiten lang. Es ist die Geschichte eines Mörders und Hochstaplers, der nicht nur die Menschen innerhalb des Buches manipuliert, sondern auch den Leser. Es ist phantastisch erzählt, man begleitet Spazierer durch ein ganzes Leben. Und es geht schon faszinierend los: Als er drei Jahre alt ist, muss er eine ganze Woche lang allein zu Hause bleiben. Spazierer bezeichnet das als glücklichste Zeit seines Lebens. Etwa 50 bis 60 Kunden habe ich es nun schon verkauft. Viele unserer Kunden haben ja ihren Stammbuchhändler und fragen nach, was dieser empfehlen kann.

Michael Köhlmeier: Die Abenteuer des Joel Spazierer, Carl Hanser Verlag, München 2013, 656 Seiten, 24,90 Euro

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Monika Dobler, Krimi-Buchhandlung Glatteis:

Ich lese jede Woche drei Krimis, vor allem von Autoren, die ich noch nicht kenne. Krimileser sind ja Vielleser, deshalb muss ich immer einen Stapel mit noch unbekannten Tipps haben. Bestseller lese ich selbst gar nicht mehr, die bekommt man ja überall. Als Sommerlektüre möchte ich zu dem neuen Hjorth & Rosenfeldt raten, "Die Toten, die niemand vermisst".

Ein tolles Buch, mit einem eigenwilligen Protagonisten, dem Kriminalpsychologen Sebastian Bergmann. Ein echtes Ekelpaket. Skelette von Vater, Mutter und zwei Kindern werden gefunden. Niemand vermisst sie. Als ich das Buch zugeklappt habe, war ich völlig geschockt über das Ende, so etwas ist mir in den 13 Jahren, in denen ich meinen Buchladen habe, noch nie passiert. Es ist einfach unzumutbar, dass ich jetzt ein Jahr warten muss, um zu wissen, wie es weitergeht.

Michael Hjorth, Hans Rosenfeldt: Die Toten, die niemand vermisst, 622 Seiten, Rowohlt, Hamburg 2013, 14,99 Euro

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Marianna Geier, Buch & Bohne:

Was bedeutet man den anderen? Das ist die zentrale Frage in Eva Menasses Buch "Quasikristalle". Die Österreicherin erzählt darin die Geschichte einer Frau, sozusagen von der Wiege bis zur Bahre. Das Spannende ist, dass dieses Leben in 13 verschiedenen Episoden aus der Sicht von anderen Menschen dargestellt wird, von nahestehenden Begleitern wie Partner oder Kind, aber auch von anderen, die nur kurz ihren Weg kreuzen.

Die einzelnen Kapitel sind wie Novellen aufgebaut und enden immer mit einem kleinen Paukenschlag. Auch die Sprache ist den jeweiligen Erzählern angepasst. Aus diesen Fremdbildern einer Frau als Patientin, Mutter, Jugendfreundin oder Mieterin setzt sich nach und nach das Leben der Protagonistin, die eigentlich ein ganz normales Leben führt, wie ein Kristall zusammen.

Eva Menasse: Quasikristalle, 432 Seiten, Kiepenheuer&Witsch, Köln 2013, 19,99 Euro

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Sibylle Schüller, Buchhandlung Literabella:

Wer mich nach einem Urlaubs-Lesetipp fragt, dem empfehle ich zurzeit "Ein Hologramm für den König" von Dave Eggers. Alan Clay, ein amerikanischer Geschäftsmann, reist in die Wüste Saudi-Arabiens, wo eine Metropole entstehen soll. Alan will dem König eine moderne IT-Technik vorführen, die die Stadt versorgen soll. Überzeugt Alan den König, seinem Unternehmen den Großauftrag zu geben, würde ihn das vor dem persönlichen Bankrott retten.

Er könnte seiner Tochter das Studium finanzieren. Doch man ahnt früh, dass das nichts wird, und möchte Alan bereits nach wenigen Seiten des Buches zurufen: "Mach dir keine Hoffnung, der König wird nicht erscheinen!" Für mich ist Alan ein totaler Antiheld, dem bisher in seinem Leben nicht viel gelungen ist. Es ist ein schön skurriles Buch über das Scheitern, mit sehr viel Humor und Herz geschrieben.

Dave Eggers: Ein Hologramm für den König, Kiepenheuer&Witsch, Köln 2013, 352 Seiten, 19,99 Euro

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Bettina Meissner, Buchhandlung Isarflimmern:

Ein Sommerbuch muss etwas sein, was einen richtig eintauchen lässt. Schließlich ist es die andere große Welt, die wir neben unserem Urlaubsziel betreten. Dieses Buch ist nicht ganz neu, aber ich muss es unbedingt empfehlen: "Der Liebhaber meines Mannes" von Bethan Roberts.

Die Geschichte spielt im englischen Seebad Brighton in den Sechzigerjahren und erzählt eine Dreiecksgeschichte zwischen Marion, ihrem Mann Tom und Patrick, einem Museums-Kurator. Es ist aber kein Buch über Homosexualität, zumindest nicht primär. Es geht darum, dass man oft im Leben nur das sieht, was man sehen möchte. Das geht natürlich irgendwann schief. Das Buch ist unglaublich intensiv geschrieben, aus verschiedenen Perspektiven, so dass man als Leser nicht nur eine Identifikationsfigur hat. Deswegen ist das Buch auch nicht nur was für Frauen.

Bethan Roberts: Der Liebhaber meines Mannes, 400 Seiten, Kunstmann Verlag, München 2013, 19,95 Euro

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Sigrid Gatter, Sendlinger Buchhandlung:

Wir kennen Italien nur als Urlaubsland. "Ein Sommer aus Stahl" von Silvia Avallone ne zeigt uns ein Italien, wie wir es sonst nicht erleben. Es spielt in Piombino, einer Stadt des Stahlbaus. Es ist ein Buch über das Erwachsenwerden von Anna und Francesca, zwei 13-jährigen Freundinnen. Es kommt die erste Liebe, die ihre Freundschaft auf die Probe stellt, es kommt der erste Beruf. Obwohl auch im Buch Sommer ist, bleibt immer die Atmosphäre von Arbeit und Schweiß, es bleibt eine gewisse Trostlosigkeit. Die Mädchen können von Piombino aus die Insel Elba sehen, das Urlaubsparadies, aber das bleibt ein für sie unerreichbares Ziel.

In dem Buch ist nicht nur alles Friede, Freude, Eierkuchen, das gefällt mir. Es ist eine frische Geschichte für junge Leute und kann - wie jede gute Urlauslektüre - auch mal für ein Eis unterbrochen werden.

Silvia Avallone: Ein Sommer aus Stahl, 414 Seiten, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011, 19,95 Euro

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Quelle: Robert Haas

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Philine Meyer-Clason, Tucholsky Buchhandlung:

Das ideale Ferienbuch ist für mich "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" von Taiye Selasi. Die Autorin erzählt in ihrem ersten Roman eine außergewöhnliche Familiengeschichte. Der Vater, ein Star-Chirurg, verlässt in den USA Frau und Kinder und geht zurück in seine Heimat Ghana. Als er 16 Jahre später stirbt, findet die über mehrere Kontinente zerstreute Familie bei der Beerdigung wieder zusammen. Besonders beeindruckend ist die Sprache, mit der Selasi die Entwicklung dieser Familie erzählt.

Der Ton in den USA ist völlig anders als in Afrika, viel sachlicher, nüchterner, man merkt, es geht um das Streben nach Wohlstand. In Ghana dagegen brechen die Emotionen auf, die Sprache bekommt einen wärmeren und lebensbejahenden Klang. Das macht für mich die Schönheit des Romans aus.

Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so, 400 Seiten, Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013, 21,99 Euro

© SZ vom 12.7.2013/bela
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