Lerchenau:Ein Biotop mausert sich

Lerchenau: Aus dem ehemaligen Militär-Gelände ist eine grüne Oase geworden: Im Virginia-Biotop leben Zauneidechsen, Turmfalken und Goldammern.

Aus dem ehemaligen Militär-Gelände ist eine grüne Oase geworden: Im Virginia-Biotop leben Zauneidechsen, Turmfalken und Goldammern.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auf dem einst von der Bundeswehr genutzten Virginia-Depot hat sich eine bunte Vielfalt von Pflanzen und Tieren etabliert. Um die 20 Hektar große Fläche langfristig zu sichern, soll sie zunächst für ein paar Jahre gesperrt werden, was einige Anwohner kritisieren

Von Simon Schramm, Lerchenau

Die Sachlage dürfte manchem bekannt vorkommen: Wieder ist aus einem ehemaligen Bundeswehrgelände im Münchner Norden eine schöne, grüne Oase geworden, erneut stellt sich die Frage, wie man diese bei den Bewohnern beliebte grüne Lunge mit seinem Status als schützenswertes Gebiet vereinbaren soll. Ähnlich wie bei der Fröttmaninger Heide deutet sich nun auch für das Virginia-Biotop ein solcher Konflikt an. Das Gebiet wird in etwa zwei Wochen vollständig umzäunt und soll für zwei bis drei Jahre nicht mehr zugänglich sein. Das ärgert manche Anwohner, die den Verlust ihrer Freizeitfläche um die Ecke fürchten. "Bitte sperrt's uns nicht aus", fordert ein Bewohner der Lerchenau. Für Spannung sorgt auch, dass es offene Fragen gibt: Noch ist die Fläche nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Umgeben von Wohngebiet und BMW-Gelände ist das rund 20 Hektar große Virginia-Depot ein kleines, schmuckes Naturgebiet mitten in der Stadt. Heinz Sedlmeier vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) lobt das Depot für seine Vielfalt mit etwa 350 verschiedenen Pflanzenarten und vielen Schmetterlings- und Vogelarten, von denen einige zu gefährdeten Arten gehören. Der LBV pflegt das Biotop seit 2003 und begleitet seit 2012 den ökologischen Abbau der Überreste: Der Verein hat das Biotop entmüllt und Landschaftsarchitekten beim Rückbau von Gleisen unterstützt, deren Schotter nun Lebensraum für Eidechsen darstellt. Die ursprüngliche Biotopfläche war im Laufe der letzen Jahre gewachsen, weil die Stadt Teile des Gebiets als Ausgleichsfläche genutzt hat. Dort wurden Gebäude der Bundeswehr abgerissen, den Boden befruchtete man mit Saat aus der Allacher Lohe oder der Garchinger Heide neu.

Nun soll sich das Biotop weiter entwickeln; unklar ist noch, wie und wann es wieder zugänglich gemacht werden soll. Das offizielle Begehverbot wird derzeit schon umgangen, indem etwa Löcher in den Zaun geschnitten werden. Um über die Zukunft des Biotops zu diskutieren, hatte der Ortsverband München Nord der Grünen am Donnerstagabend die beteiligten Institutionen zu einer Diskussion geladen. LBV-Wissenschaftler Sedlmeier betonte, dass das Biotop nicht für immer abgeschirmt werden sollte: "Die Qualität von Biotopen leidet nicht, wenn man es nach einer Stabilisierung dann mal öffnet." Wichtig sei dabei Öffentlichkeitsarbeit, die erkläre, warum das Gebiet besonders behandelt werden muss, und ein Begehungskonzept mit Wegenetz. Für die nächsten 20 Jahre ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben für den Schutz und die Pflege des Biotops verantwortlich; Herbert Huber vom Staatlichen Bauamt bekräftigte, dass Zäune nötig sind: "Ich kenne die Fläche jetzt seit acht Jahren, sie muss eingezäunt werden. Es parken zum Beispiel Lkws einfach auf einen Teil der Fläche, weil noch Lücken bestehen." Im neuen Zaun seien schon Fußgängereingänge inbegriffen, die geöffnet würden, sobald das Biotop sich stabilisiert habe.

Unter wie viel Freizeitdruck das Virginia-Biotop steht, zeigte sich schon bei einer Begehung vor der Diskussion, bei der man einigen Gassi gehenden Münchnern begegnete. Eine Anwohnerin kritisierte, dass die Hundebesitzer zum Teil unverantwortlich handelten, etwa die Hunde in Gebüsche laufen lassen, die dabei Vögel verschrecken. Auch Karola Kennerknecht vom Bürgerverein Lerchenau hat beobachtet, dass das Biotop stark genützt wird, in der Masse könne die Begehung für das Biotop problematischwerden. Eine ordentliche Unterschutzstellung könnte den Erhalt des Biotops mit der Begehung durch Bürger vereinbaren, da sie eine Verordnung mit Wege- und Betretungsregeln mit sich bringt.

Der LBV hat schon 2004 gefordert, dass das Virginia-Depot als Naturschutzgebiet ausgewiesen wird. Das Verfahren zieht sich bis heute hin, unter anderem weil die Untere Naturschutzbehörde zu wenig Personal hatte und das zu schützende Gebiet durch die Ausgleichsflächen immer wieder neu definiert wurde. Bei der Diskussion sagte Stefan Fiedl, Teamleiter der Schutzbehörde, man befinde sich "eigentlich in den Startlöchern", um das Gebiet auszuweisen. Derzeit stockt das Verfahren wegen einer neuen Gesetzeslage: Seit Anfang Mai ist die Bezirksregierung für den Erlass von Naturschutz-Verordnungen bei den mehr als 10 Hektar großen Gebieten zuständig. Wie die Verfahren vollzogen werden, muss die Behörde erst mit der Regierung von Oberbayern absprechen.

Die noch fehlende Unterschutzstellung beunruhigt die Lerchenauer und Naturschützer auch aus einem weiteren Grund: Die Diskutanten deuteten an, dass die Stadt die Ausgleichsflächen verlegen könnte - und damit eine Bebauung der Flächen möglich wäre. Eine Bewohnerin appellierte darum dazu, die Fläche zunächst zu schonen und die Schutzausweisung abzuwarten. "Sonst haben wir nach 20 Jahren das nächste Gewerbegebiet dort."

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