Lehel:In altem Glanz

Die aufwendige Sanierung der durch das Sturmtief "Gonzalo" beschädigten Kirche Sankt Anna geht dem Ende entgegen. An diesem Donnerstag werden die Giebelkreuze montiert und geweiht

Von Gerhard Eisenkolb, Lehel

Wer vom Hofgarten aus in Richtung Osten schaut, erblickt neben der Kuppel der Staatskanzlei einen zweiten architektonischen Akzent. Dieser ist allerdings nicht rund, ihn charakterisieren aus der Distanz vier markante, rautenförmige Dachflächen. Das Dach gehört zum wuchtigen Turmbolzen der katholischen Kirche Sankt Anna. Dieser überragt mit einer Höhe von 56 Metern die Häuser weit. Für viele Leheler ist er das Wahrzeichen ihres Stadtviertels. Kunsthistoriker verbinden mit ihm eines der besten Beispiele des Historizismus in München. Stadtgeschichtlich steht er für die gewachsene Bedeutung des Lehels neben der Münchner Altstadt. Allerdings ist der das Stadtbild dominierende neoromanische Turm von Sankt Anna - die Kirche erbaute Gabriel von Seidl Ende des 19. Jahrhunderts - seit fast einem Jahr hinter Baugerüsten verborgen.

Lehel: Alles gut: Die Kirche Sankt Anna im Lehel zeigt sich wieder von ihrer besten Seite.

Alles gut: Die Kirche Sankt Anna im Lehel zeigt sich wieder von ihrer besten Seite.

(Foto: Stephan Rumpf)

Von den Anleihen aus der rheinischen Romanik, vom reichen Figurenschmuck und den Steinmetzarbeiten ist nicht mehr viel zu sehen, seit Ende Oktober 2014 das Sturmtief Gonzalo die Kupferabdeckung eines der vier Rautenfelder von der Bretterverschalung gelöst und hochgeklappt hatte. Dass sich die Reparatur eines einzigen Dachfeldes zu einer aufwendigen Komplettsanierung des Kirchturmes auswachsen würde, konnte damals niemand ahnen. Noch weniger zu erwarten waren die unerwartet hohen Restkosten der Sanierung von annähernd 250 000 Euro, auf denen die Kirchenstiftung von Sankt Anna nach Abzug der hohen Versicherungsleistungen und eines Zuschusses der Diözese sitzen bleiben würde. Mit einem Spendenaufruf versucht die Pfarrei nun, zumindest einen Teil dieser Kosten zu decken.

St. Anna Lehel

Nach der Sanierung erstrahlt die Kreuzigungsgruppe wieder in neuem Glanze.

(Foto: Rosa-C. Wiltschko)

Als kurz nach dem Unwetter durch Seile gesicherte Kletterer die gefährlichen, losen Teile entfernten und das Dach mit einer Plane gegen Regen schützten, ahnte noch niemand, wie groß der Schaden wirklich sein würde. Infolge der Sogwirkung der seit Jahrzehnten über das Dach fegenden Stürme hatte sich mit der Zeit in den Randbereichen der vier Dachrauten das Kupferblech gelockert. Zudem stellte die Sachverständige für Gebäudeschäden und Architektin Rosa-C. Wiltschko fest, dass sich die Holzverschalung unter dem Blech wellenartig verformt hatte, die Nägel gelockert und teilweise bis zur Hälfte herausgezogen waren. Das Auftreten weiterer, größerer Schäden war nur eine Frage der Zeit.

St. Anna Lehel

Das Sturmtief "Gonzalo" hatte das Kirchengebäude und seine Figuren stark in Mitleidenschaft gezogen.

(Foto: Rosa-C. Wiltschko)

Das gesamte Turmdach musste verstärkt und gründlich saniert werden, um gegebenenfalls stärkeren Stürmen unbeschadet standzuhalten.

"Wir hoffen, dies erreicht zu haben", sagt Albrecht Eberth-Heldrich von der Kirchenverwaltung optimistisch. Er begleitet und dokumentiert seit zwölf Monaten für die Pfarrei jeden Schritt der Arbeiten. Sturmsicher bedeutet konkret, doppelt so dicke Bretter unter dem Kupfer zu verlegen und das gesamte Kupferdach zu erneuern, nicht nur den beschädigten Teil. Und schließlich das vorher nur einen Millimeter dicke Blech durch ein doppelt so starkes zu ersetzen.

Ebenso unumgänglich war es, die vier Giebelkreuze auf dem Turm komplett zu sanieren, von denen Gonzalo zwei umgeknickt hatte. Die Verankerungen der Kreuze waren stark verrostet, die Vergoldung abgeblättert und in den löchrigen Kugeln sammelte sich Regenwasser.

Steht schon mal ein teures Gerüst, ist das auch für den Bauherrn eines Kirchendenkmals die Gelegenheit, das Mauerwerk auszubessern. Nur war auch dieses stärker in Mitleidenschaft gezogen als erwartet. Als Problem erwies sich der Kelheimer Muschelkalk an der den Wettereinflüssen ausgesetzten Westfassade. Der Stein war nicht nur stark verwittert, die Steinrestauratoren mussten auch Abbrüche und Risse sowie die Folgen des ätzenden Vogeldrecks beseitigen. Ähnlich in Mitleidenschaft gezogen war der aus dem gleichen Material gefertigte Figuren- und Säulenschmuck. Als schadhaft und erneuerungsbedürftig erwiesen sich auch die Bleibleche, sodass an den Abschlüssen Regenwasser in die Mauern eindrang.

Ausgenommen von der Restaurierung bleibt nur das Prunkstück der Turm- und Westfassade: der überlebensgroße bronzene apokalyptische Reiter aus der Werkstatt von Ferdinand von Miller mit einer Waffe, einem Bogen, in der linken Hand und einem Ölzweig in der rechten.

Ende September soll das Gerüst abgebaut werden, kündigt Rosa-C. Wiltschko an, die als Projektleiterin die Bauarbeiten begleitete. Vorher treffen sich die beteiligten Handwerker noch einmal an diesem Donnerstag, 10. September, in luftiger Höhe zur Weihe und Montage der neu vergoldeten Giebelkreuze. In der größten der vier Kreuzkugeln über dem Westportal wird eine Zeitkapsel deponiert. Diese enthält unter anderem Fotos vom Sturmschaden, Angaben zur Pfarrei, eine Süddeutsche Zeitung und auf ausdrücklichen Wunsch der Handwerker die Bierpreise aller im Jahr des Sturmschadens auf dem Oktoberfest vertretenen Brauereien.

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