Leerstände in München:Udes Angst vor autonomen Hausbesetzern

"Goldgrund" besetzt Kommunale Immobilie in München, 2013

Auslöser der Debatte war dieses städtische Haus an der Müllerstraße.

(Foto: Robert Haas)

In einem internen Schreiben warnte Oberbürgermeister Christian Ude davor, dass Autonome leer stehende Häuser in München besetzen könnten. Nun muss er sich fragen lassen, ob er den Leerstand städtischer Wohnungen verschleiern will. Doch das weist der OB empört zurück.

Von Thomas Anlauf und Dominik Hutter

Nach dem Bekanntwerden eines internen Gesprächs-protokolls, in dem Oberbürgermeister Christian Ude vor Besetzungen leer stehender Häuser warnt, ist die Stadtspitze in die Defensive geraten. Ude bemühte sich am Montag dem Eindruck entgegenzuwirken, er wolle nicht gegen den Leerstand, sondern vielmehr gegen Anti-Leerstands-Aktivisten vorgehen.

In dem Protokoll wird der OB mit der Anweisung zitiert, an teilweise leer stehenden städtischen Häusern solle künftig "die Beschilderung von Türen, Briefkästen und Klingeln entsprechend gestaltet werden, und die Hausmeister sollen die Wohnungen häufiger begehen". Hintergrund ist die Angst Udes, der massenweise Leerstand könne die "autonomen Szenen von Prenzlauer Berg bis Hafenstraße" an die Isar locken. Die CSU sieht in dieser Aussage den Beleg, dass Ude den peinlichen Makel der Stadt einfach kaschieren will.

Die Ude-Zitate stammen aus einer Besprechung mit den städtischen Referenten vom 11. März, also kurz nach der spektakulären "Goldgrund"-Aktion in einer leer stehenden Wohnung an der Müllerstraße. Und sie sind, so beeilte sich Ude nun zu erklären, keineswegs so gemeint, dass Häuser durch das Anschrauben falscher Türschilder als bewohnt getarnt werden sollen. Vielmehr sei es darum gegangen, zu verhindern, dass nur teilweise leer stehende Häuser wegen maroder Klingelschilder so aussehen, als wären sie komplett unbewohnt. Dies sei etwa in der Müllerstraße der Fall gewesen. Ude bezeichnete die Interpretation, er habe vor versammelter Runde zu Fälschungen aufgerufen, als "völlig absurd".

"Das Protokoll kann man so und so interpretieren", erklärte die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger, die den Kampf gegen den Leerstand für wichtiger hält als den gegen Hausbesetzer. Udes Angstmache vor der autonomen Szene sei "lachhaft". Tatsache sei doch vielmehr, dass Aktionen wie die von "Goldgrund" das Thema Leerstand erst auf die Tagesordnung gebracht hätten. CSU-Fraktionschef und OB-Kandidat Josef Schmid warf Ude vor, Potemkinsche Dörfer aufbauen zu wollen, also zu verschleiern, wie dramatisch die Lage ist. Die CSU will nun per Anfrage wissen, ob der Leerstand städtischer Wohnungen tatsächlich "professionalisiert" werden soll und ob es nicht sinnvoller sei, die Wohnungen möglichst rasch zu vermieten.

Gezwungen, zu kaschieren

Die Aussagen Udes in der Referentenrunde sind als Handlungsanweisungen an die städtischen Wohnungsunternehmen GWG und Gewofag sowie das Kommunalreferat gemeint. Um Hausbesetzungen zu vermeiden, sollen aber nicht nur Klingelschilder montiert werden. Der OB fordert zudem, die Haustüren leer stehender Häuser "einbruchsicher" zu verstärken und zu verriegeln, damit "sich ein Vorfall wie der in der Müllerstraße nicht wiederholen kann". Diese Vorsichtsmaßnahme sei schon wegen der Verkehrssicherungspflichten "selbstverständlich", ergänzte Ude am Montag. Hausbesetzungen könnten "Baumaßnahmen weiter verzögern und die Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums auf die lange Bank schieben".

Ude hat sich in der Runde auch dafür ausgesprochen, leer stehende Wohnungen "ohne die absehbare Perspektive einer Veränderung" provisorisch herzurichten und kurzfristig durch das Sozialreferat belegen zu lassen - ein Satz, den der OB selbst für den wichtigsten aus der einstündigen Besprechung hält. Denn Ude treibt laut Protokoll eine Sorge um: Dass "sämtliche Verdienste der städtischen Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte durch spektakuläre Aktionen in einigen leer stehenden Wohnungen in den Schatten gestellt werden".

Das interne Papier vom 11. März ist offenbar erst Anfang November an die zuständigen Abteilungen in den Referaten weitergeleitet worden - nachdem bekannt wurde, dass auch in der Pilotystraße ein städtisches Wohnhaus seit Jahren praktisch leer steht. "Der Schlamassel ist jetzt zumindest erkannt", sagt ein Mitarbeiter der Verwaltung, der das Referenten-Papier kennt. Der Tenor des Protokolls mache ihn und seine Kollegen allerdings "betroffen": Der Leerstand von städtischen Wohnungen solle "versteckt werden". Inzwischen werde die Verwaltung "gezwungen, zu kaschieren".

Das Türschild-Zitat könne "nur so gemeint sein, dass man so tun soll, als ob die Wohnung bewohnt ist", erklärt der Mitarbeiter. Hauptschuldiger in der momentanen Situation seien die Verantwortlichen im Kommunalreferat. "Das schlampt seit Jahren", sagt der Verwaltungsmitarbeiter, der die Immobilien-Behörde als "verwahrlost" beschreibt. Auch die Zweckentfremdungsbehörde habe etwas unternehmen wollen bei der städtischen Leerstandsproblematik, aber das sei verhindert worden: "Die sind stinksauer."

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