Lange Nacht der Musik:Klingende Reifeprüfung

Lange Nacht der Musik: Herausgeputzt für die Lange Nacht: Das Opernstudio, die Talentschmiede der Staatsoper, präsentiert sich in der Lounge am Lenbachplatz.

Herausgeputzt für die Lange Nacht: Das Opernstudio, die Talentschmiede der Staatsoper, präsentiert sich in der Lounge am Lenbachplatz.

(Foto: München Kultur GmbH)

Die 18. Lange Nacht der Musik lockt mit 400 Konzerten an mehr als 100 Spielstätten.

Von Michael Zirnstein

Die Lange Nacht der Musik wird volljährig. Am erfolgreichen Konzept braucht die Münchner Kultur GmbH nach 18 Jahren nichts mehr zu ändern, höchstens ein bisschen zu feilen. Statt 67 Spielstätten wie beim ersten Mal sind es inzwischen mehr als 100: vom Gasteig, in den allein wieder 8000 Besucher strömen werden, bis zur wenige Quadratmeter kleinen Rockbox, in der drei Bands spielen.

Die Preissteigerung von anfangs 20 Mark auf heute 15 Euro für das Sammelticket dürfte geringer sein als die übliche Inflationsrate. Insgesamt gibt es diesmal gut 400 Konzerte aller Arten in Kneipen, Clubs, Restaurants und sogar Behörden, dazu kommen Klanginstalltationen in Kirchen, Musikfilme im Kino, Theater, Varieté, Tanzkurse und große Oper - das Programm der Langen Nacht ist in ihrer 18. Auflage längst ausgewachsen.

Kneipentour zur Frohnatur

Kneipe, Pub, Café, Lounge, Bar - in München heißt all das gleich, wenn's dort gemütlich zugeht: Boazn. Es ist schade, dass im Lange-Nacht-Heft mehr über die Künstler steht, als über die Lokale, die man entdecken kann. Etwa das Kooks, in dem der kanadische Spaßvogel Matt Devereux jeden Abend seine Gäste entertaint ("Ich bin lustig. Ich schwöre!"), wobei er nur zwei Mal im Monat "echtes Programm" machen darf, wie nun mit der batteriebetriebenen Partyband 9 Volt (Geyerstraße 18).

Und wer, außer den Stammgästen, weiß schon, dass das Flex einmal ein Punk-Schuppen war, entsprechend rockig geht es hier bei Bands wie den Submarines zu (Ringeisstraße 11). Im Steinheil 16, wo man sonst die angeblich größten Schnitzel der Stadt aufgetischt bekommt, singt am Samstag Alison Degbe, die schon mit Joe Cocker auf der Bühne stand und heuer das Lange-Nacht-Heftchen ziert. Ob nun die Rockbox im Tal, das rosagetünchte Café Fräulein am Viktualienmarkt, die Gin- und Sofa-Bar Niederlassung am Gärtnerplatz, die Club-Lounge Moejo in Schwabing oder den Surfertreff Art's and Boards an der Belgradstraße - hier findet man in der Langen Nacht nicht nur lässige Bands, sondern vielleicht auch seine neue Lieblingsboazn.

Überlebenstraining auf dem Tanzparkett

Standard und Latein - das war lange Zeit das, nunja, Standardprogramm in den Tanzschulen. Dass längst auch ausgefallenere Schritte gelernt werden können, zeigen die Tanzschulen - die sich rund um die Sonnenstraße ballen - in der Langen Nacht: Tanzschule Kieber bietet unter anderem Workshops in Hip-Hop und Zumba an, bei Matschek bringen Salsa und Merengue Schwung in den Abend, im Tanzraum 9 gibt es stündlich Shows und auch Exoten-Kurse wie Afro Beats und Salsa Ladystyling. Die Tanzschule am Deutschen Theater lockt mit Line Dance, Rueda, Boogie - und dem "Survivalschritt" für alle An- und Aufforderungen. Für Spezialisten bietet der Vintage Club die ganze Palette von Tänzen der Zwanziger bis Fünfziger von Lindy Hop bis Shag und das Zentrum für orientalischen Tanz Bauch-, Schleich- und Stocktanz an. Dagegen sind die Kurse im Tangozentrum fast schon klassisch.

Verrückt und verzückt im Gasteig

Der Gasteig beeindruckt in der Langen Nacht allein schon mit Zahlen: 30 Auftritte auf zehn Bühnen locken gut 8000 Besucher an, von denen einige gar keine anderen Spielstätten mehr ansteuern. Beeindruckend ist aber auch, dass in diesem Riesenprogramm für alle auch noch Schwerpunkte gesetzt werden. Das sind diesmal: "Mundart", also Vokalkunst wie vom Barbershop-Frauenchor Harmunichs, aber eben auch Dialektmusik, worunter man die Brass-Volksmusik der Blechbixn ebenso verstehen kann wie den Pop der drei Ladinerinnen Ganes, die die Hauptattraktion in der Philharmonie sein werden.

Im Gasteig stehen auffallend viele Frauen auf den Bühnen: Lisa Wahlandt, Andrea Hermenau und Christiane Öttl machen als Die drei Damen Vocal-Jazz und -Pop; Monika Drasch (früher beim Diatonischen Jodelwahnsinn) spielt ihre grüne Geige im neuen Quartett; Clea Charlotte und Carmina Reyes singen folkige Lieder; das junge Duo Sweet Lemon glänzt mit souligem Pop.

Ansonsten zeigt der Gasteig alles, was er zu bieten hat: Vom Dokfest-Film (Rumble) über Klassik (das Attacca-Jugendorchester) zu Tanz (zwei Tangokurse und eine Milonga) und Weltmusik (etwa Di farykte Kapelle mit Zirkus-Klezmer-Balkan-Sound) bis zur Disco-tauglichen Jazzrausch Bigband. Eine Lange Nacht für sich.

Behördengang mit Überraschungen

Wo findet man einen Künstler, wenn man einen braucht? Ans Arbeitsamt denkt man da nicht zuerst. Aber über die ZAV-Künstlervermittlung bringt die Agentur für Arbeit Profis von A wie Artist bis Z wie Zauberer an den Mann. So wird die Lange Nacht zur Leistungsschau für das Amt an der Kapuzinerstraße, wenn hier Elke Kottmaier Operette singt, Hugo Siegmeth mit seiner Band Bayerisches verjazzt, Detlef Winterberg und Peter Fischer Kabarett machen oder Terzinfarkt die Siebzigerjahre a cappella wiederbeleben. Und die Musical-Studenten der August-Everding-Akademie haben hier im zweiten Semester ihren ersten Auftritt - mit der Revue "Viel zu heiß!" In der Langen Nacht erleben die Gäste die Behörde von einer anderen Seite - wer weiß schon, dass das Arbeitsamt einen großen Veranstaltungssaal besitzt?

Auch das polnische Generalkonsulat öffnet seine Türen - ein Jazztrio spielt hier amerikanische Klassiker aber auch polnische Hits der Dreißigerjahre (Prinzregentenstraße 7). Statt sich um Verwertungsrechte von Musik zu kümmern, gibt die Gema jungen Bands in ihrem Foyer eine Bühne: Wie in den Vorjahren wird auch bei den Konzerten von Chris Cosmo, Justin Electra, Ni Sala und den "Die Band"-Gewinnern Engst auf der Dienststelle getanzt (Rosenheimer Straße 11).

Lange Nacht der Musik: Nicht im Angebot der Agentur für Arbeit: Kameltreiber gibt es dort nur als Walking Act.

Nicht im Angebot der Agentur für Arbeit: Kameltreiber gibt es dort nur als Walking Act.

(Foto: Münchner Kultur GmbH)

Nächtliche Studien

Vielleicht schlummert im ehrwürdigen Gemäuer des Akademischen Gesangsvereins eine Sensation: Max Planck war nicht nur ein Physiker-Star, sondern auch ein passabler Cellist und Posaunist und Mitglied in der liberalen Studentenverbindung. Er soll eine Operette geschrieben haben, die womöglich noch irgendwo im Haus versteckt ist. Der Verein steht musisch begabten Studenten aller Fakultäten offen - das breite Spektrum präsentiert er in der Langen Nacht: Im großen Saal treten etwa das Große Orchester ("Beethovens "Eroica"), der Große Chor (Mendelssohns "Hör mein Bitten"), das Sinfonische Blasorchester und die Bigband auf, im Max-Planck-Saal Opern-Solisten wie Patricia Osei Kofi und Stephan Lin sowie die A-cappella-Gruppe, in der "Hölle" das Improtheater-Team.

Die Hochschule für Musik und Theater wiederum präsentiert an ihren beiden Standorten Studenten, die sich beruflich für die Kunst entschieden haben: Im Stammhaus (Arcissstraße 12) spielen sich zum Beispiel die Big-Band des Jazz-Instituts und die Vocalisten der Klasse Jazz-Gesang durch das Great American Songbook. Im Gasteig präsentieren etwa die Hackbrettklasse von Birgit Stolzenburg mit Barockmusik und die Liedklasse von Fritz Schwinghammer den Stand ihrer Studien.

Oper für alle

Puccinis "Madama Butterfly" ist nur der Auftakt in der Bayerischen Staatsoper (Stehplätze und wenige Sitzplätze für Lange-Nacht-Gäste von 18.30 Uhr an). Es gibt Führungen hinter die Kulissen und "Prozessor III", eine 30-Lautsprecher-Installation mit Klängen aus dem Orchestergraben einer Fidelio-Aufführung und der Sopranistin Anna Gabler. Zudem mischt das Opernstudio, die Talentschmiede der Staatsoper, bei der exzellent besetzten Gala in der BMW-Lounge am Lenbachplatz mit.

Seit 15 Jahren kostet das Ticket-Bändchen für alle Konzerte und den Shuttle-Service der Langen Nacht 15 Euro. Man kann es vorab oder am Abend selbst bei allen beteiligten Spielstätten kaufen und auch im Kassenzelt am Odeonsplatz. Hier ist der Knotenpunkt der Langen Nacht, bei dem alle vier Bus-Linien im Zehn-Minuten-Takt zwischen 19.40 und 3 Uhr abfahren und zurückkehren. Auch der Party-Bus ("Club and Line") startet hier.

Lange Nacht der Musik, Sa., 6. Mai, 20-3 Uhr, 089 / 30 61 00 41

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: