Zukunft der S-Bahn im Landkreis:Herzenssache

Zukunft der S-Bahn im Landkreis: Wie aus der Zeit gefallen: Die S 7 vom Bahnhof Giesing bis zur Endstation Kreuzstraße verkehrt wie hier bei Aying auf nur einem Gleis - in beide Richtungen.

Wie aus der Zeit gefallen: Die S 7 vom Bahnhof Giesing bis zur Endstation Kreuzstraße verkehrt wie hier bei Aying auf nur einem Gleis - in beide Richtungen.

(Foto: Claus Schunk)

Das Positionspapier der Landräte zum S-Bahn-Netz sieht für den Landkreis München den Ausbau der S 2 und S 7 sowie eigene Gleise für die S 1 vor. Damit soll dem Verkehrsinfarkt in Stadt und Umland begegnet werden

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Betrachtet man die Landeshauptstadt als die Herzkammer, dann wären der Landkreis der Vorhof und die Straßen, die durch ihn hinein führen, die Schlagadern. Wenn also vom Verkehrsinfarkt die Rede ist, dann bildet sich der gefährliche Pfropfen bereits hier. Ob auf der Straße oder Schiene - mit jedem Kilometer, den sich der Pendler der Stadt nähert, und jeder Haltestelle wird deutlicher, wie überlastet das Verkehrssystem im Allgemeinen und das der S-Bahn im Besonderen ist. Die Landräte der Landkreise im Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) haben nun ein Positionspapier aufgelegt, das Maßnahmen aufzeigen soll, wie in einer der dynamischsten Regionen der Republik der Nahverkehr attraktiver und funktionsfähiger gestaltet werden kann.

"Ein gutes Papier. Es ist richtig, dass sich die Landräte jetzt zusammengesetzt haben", sagt der Grünen-Kreisrat und Verkehrsexperte Markus Büchler, der als Oberschleißheimer mit "dem drohenden Verkehrskollaps" ganz gut vertraut ist. "Aber es ist nur ein Papier. Die Landräte sollten es nutzen, um auf die Staatsregierung und den Bund Druck auszuüben." Denn bisher, sagt Büchler, habe der politische Wille zu großen und schnellen Lösungen gefehlt. "Das sieht man ja am Bundesverkehrswegeplan. Da steht von all dem, was die Landräte vorschlagen, nichts drin." Grundsätzlich, sagt Büchler, sei jeder Vorschlag zu begrüßen, der als Ziel habe, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen.

Eine S-Bahn bis nach Lenggries oder Bayrischzell

Sieben S-Bahnlinien führen auf dem sternförmig angelegten Netz durch den Landkreis München in die Stadt. Der Plan der Landräte sieht nun vor, dass nahezu alle Trassen saniert, ertüchtigt, ausgebaut oder gar verlängert werden: die S 4 etwa über Haar und Ebersberg bis nach Wasserburg, die S 1 über Unterschleißheim bis nach Landshut, die S 2 über Feldkirchen und Heimstetten bis Dorfen sowie die S 3 über Unterhaching und die S 7 über Ottobrunn - so die "Zukunftsvision" - womöglich bis an der Tegernsee, nach Lenggries oder Bayrischzell.

Dabei greifen die Landräte - maßgeblich angetrieben durch ihren Münchner Kollegen Christoph Göbel (CSU) - den immer wieder diskutierten zweigleisigen Ausbau der S 7 auf dem Ost-Ast von Giesing bis Höhenkirchen-Siegertsbrunn auf. Ein Vorhaben, das alle Bürgermeister der Gemeinden auf dieser Trasse gerne realisiert sähen. Aber auch mit einem großen Aber versehen.

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) weiß, wie überlastet der Ost-Ast von der Haltestelle Kreuzstraße bis zum Ostbahnhof ist. Er weist aber auch darauf hin, dass ein Ausbau in Ottobrunn gleich zwei Bahnunterführungen nach sich ziehen würde. Die würden etwa 50 Millionen Euro kosten, von denen die klamme Gemeinde ein Drittel übernehmen müsste. Da treffen dann Wunschdenken und reale Finanzpolitik aufeinander.

Nortrud Semmler, Mitglied in der Initiative S 7 Ost-Plus, freut sich über jeden Vorstoß. "Aber wir hoffen auch schon so lange auf den Ausbau", sagt Semmler. "Die S 7 bis Kreuzstraße wird oft nur als Appendix verstanden, deshalb passiert nichts. Aber nur mit der Zweigleisigkeit steigen die Leute auch auf den ÖPNV um."

Was der Landkreis benötigt, sind vor allem Tangentialen

Landrat Göbel dringt darauf, dass alle Trassen durch den Landkreis durchgängig zweigleisig ausgebaut werden: "Zwei Drittel aller Verspätungen im Netz kommen daher, dass die Außenäste die Belastung nicht tragen." Gerade die S 7 im Südosten sei eine "hochattraktive Achse", aber mit einem Gleis nicht zukunftsfähig. Die Landräte fordern weitere konkrete Verbesserungen: So soll die S 1 in Richtung Freising von Laim bis Oberschleißheim eigene S-Bahngleise bekommen, der Bahnhof Unterschleißheim barrierefrei ausgebaut werden. Die S 2 im Osten soll zwischen Feldkirchen und Markt Schwaben auf vier Gleise erweitert und Bahnsteige für Langzüge errichtet werden. Die Landräte übernehmen auch einen Vorschlag aus der ÖPNV-Studie: die Haltestelle Menterschwaige als Verknüpfungspunkt zwischen der Tram 25 im Isartal und der S 7.

Dies ist in dem Papier eine der wenigen Querverbindung zwischen zwei Verkehrslinien, die von außen auf die Landeshauptstadt zulaufen. Dabei beschäftigen sich die Münchner Kreispolitiker in punkto Nahverkehr seit drei Jahren fast ausschließlich mit sogenannten Tangentialverbindungen, die jeweils Kommunen auf verschiedenen Ästen des S-Bahnnetzes miteinander verbinden. Grundlage der nächsten Diskussionsrunde im Landkreis München ist eine Studie der Technischen Universität und eines Schweizer Planungsbüros, die teils visionäre Möglichkeiten solcher Tangentialen aufzeigt.

Zusammengenommen erinnern sie an den fehlenden S-Bahnring um die Landeshauptstadt: Eine Trambahn von Garching über Unter- nach Oberschleißheim - eventuell gar mit Ismaning als Startpunkt -, aber auch eine Stadtbahn von Neuperlach über Neubiberg bis Ottobrunn werden vorgeschlagen. "Das sind Lösungen, die wir neben der zweiten Stammstrecke und dem S-Bahnausbau brauchen", sagt Göbel. "Wir dürfen nicht auf neue Gleise der Bahn warten", findet auch Büchler. "Busse, Straßenbahnen und auch das Rad sind die nachgelagerten Verkehrsmittel, die wir weiterbringen müssen."

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