Zahlen belegen Ausnahmesituation:Ein Wahnsinn

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Vom Institute for Advanced Study blicken die Studierenden in Garching auf die Fakultät für Maschinenwesen - und auf beste Zukunftsaussichten im Landkreis. (Foto: Florian Peljak)

Rekorde bei den Steuereinnahmen, so viele Abiturienten wie nie, weit mehr als 200 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze - der Landkreis München boomt weiterhin gewaltig. Mit den zwangsläufigen Schattenseiten

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Die meisten haben die Abiprüfungen schon hinter sich gebracht und können bereits locker gelöst am Gardasee, in Kroatien oder auf Mallorca auf den nächsten Lebensabschnitt nach ihrer Zeit auf dem Gymnasium anstoßen. Und in keinem anderen Landkreis der Region sind es so viele Schüler, die sich für den Weg zur Allgemeinen Hochschulreife entscheiden - etwas mehr als die Hälfte aller Schüler von Unterschleißheim über Ottobrunn bis Grünwald wählt in den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises den Weg über das Abitur. Das geht aus den neuesten Kennzahlen des Planungsverbandes Äußerer Wirtschaftsraum des Jahres 2015 für die Landeshauptstadt und die umliegenden Kreise hervor.

Tatsächlich gibt es aber Kategorien, in denen der Landkreis München hinter andere Kreisen der Metropolregion zurückfällt: Beim Bevölkerungszuwachs seit dem Jahr 2005 etwa liegen die Landkreise Dachau (plus 11,2 Prozent) und Ebersberg (10,9 Prozent) noch vor dem bevölkerungsreichsten aller bayerischen Kreise (zehn Prozent). Herausragend ist der Anstieg an Arbeitsplätzen in demselben Zeitraum im Landkreis Erding (53,4 Prozent); im Landkreis München liegt der Zuwachs bei den Erwerbstätigen bei um die 23 Prozent.

Drei Dax-Konzerne, zwei Universitäten

Die ganz besondere Stellung des Landkreises München lässt sich daher daran ablesen, wer hier Arbeitsplätze schafft, beziehungsweise sichert: Mit dem Versicherer Allianz, dem Systemlöser Infineon sowie dem Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 sind hier gleich drei im Dax gelistete Unternehmen zuhause. In der Mediengemeinde Unterföhring gibt es mittlerweile mehr als 18 000 Arbeitsplätze bei etwas mehr als 11 000 Einwohnern.

Insgesamt weist der Landkreis weit mehr als 200 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze auf. In Garching und Neubiberg sind mit der Technischen Universität und der Universität der Bundeswehr herausragende Hochschulen beheimatet; der Ludwig-Bölkow-Campus in Taufkirchen und Ottobrunn ist eines der Innovationszentren der Region. Und der Trend zur Höherqualifizierung ist - wie die Abiturienten zeigen - weiter ungebrochen.

Das gilt freilich auch für die Attraktivität des Landkreises als Heimat: Mehr als 340 000 Menschen wohnen mittlerweile hier, das sind 30 000 Bürger mehr als noch vor zehn Jahren. Zu der am rasantesten wachsenden Gruppe gehören die Landkreisbürger, die 71 Jahre oder älter sind: Gehörten dieser Altersgruppe 2005 noch etwa 32 000 Menschen an, waren es 2015 bereits 50 000. Doch der Landkreis bleibt auch ein junger: Die Gruppe der unter Elfjährigen hat ebenfalls zugelegt - von etwa 34 000 auf nahezu 40 000.

Wo aber sollen all jene, die neu in den Landkreis kommen, wohnen? Schwierig wird das etwa in einer Gemeinde wir Ottobrunn, in der bereits heute 85 Prozent der Gemeindefläche mit Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt ist. In Neubiberg sind dies mehr als 70 Prozent - in Aying gerade einmal 6,9 Prozent der Fläche.

Sprudelnde Steuereinnahmen und ein Gymnasium der Luxusklasse

Dass gebaut werden muss und wird, ist daher unumgänglich. Im Landkreis übernimmt diese Aufgabe unter anderem die für Landkreise einzigartige Baugesellschaft München-Land, die in 26 Kommunen mittlerweile mehr als 2500 Wohnungen gebaut hat und unterhält.

Doch auch der freie Markt und der soziale Wohnungsbau müssen weiter prosperieren; gleichwohl Landrat Christoph Göbel (CSU) und die Bürgermeister immer wieder darauf drängen und auch wissen, dass die Anstrengungen noch nicht ausreichen: Etwas mehr als 1600 Wohnungen sind im Landkreis im Jahr 2015 entstanden, das entspricht einer Quote von 4,9 Wohneinheiten je tausend Einwohner. In Dachau lag diese Quote bei 6,8, in Freising bei 5,7. Nahezu 160 000 Wohnungen gab es Ende 2015 im Landkreis München.

Einen Spitzenwert hat der Landkreis in der Analyse des Planungsverbandes wie selbstverständlich verteidigt: Nirgendwo sonst sprudeln die Gemeindesteuereinnahmen derart. Nahezu 2700 Euro je Einwohner waren es in 2015 - fast 70 Prozent machen dabei die Einnahmen aus der Gewerbesteuer aus. So blickt auch die Landeshauptstadt ein wenig neiderfüllt auf die Steuerhochburgen Grünwald und Unterföhring. In der Mediengemeinde sitzen sie mittlerweile auf einer halben Milliarde an Rücklagen - und bauen sich bald ein Gymnasium der Luxusklasse.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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