Walderlebniszentrum Grünwald:Versehentliche Wildschweinjagd vor Grundschülern

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Ohne natürliche Feinde wie Bär, Luchs und Wolf: Wildschweinw in umzäunten Gehegen. (Foto: dpa)

Statt dem Quieken der Schweine hören die Kinder zwei Schüsse, ein Tier bricht blutend zusammen und stirbt. Den Verantwortlichen im Walderlebniszentrum Grünwald tut der Fehler "außerordentlich leid".

Von Iris Hilberth, Grünwald

"Im idyllisch gelegenen Walderlebniszentrum erleben Sie den Wald mit allen Sinnen", wirbt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für die Sauschütt in Grünwald. Gerne nehmen Grundschulkassen diese Einladung an, schließlich steht der Wald in der dritten Klasse auf dem Lehrplan für den Heimat- und Sachkundeunterricht.

Was die Kinder einer Münchner Grundschule allerdings diese Woche im Grünwalder Forst am Wildschweingehege erlebten, hätten die Verantwortlichen den Mädchen und Buben gerne erspart: Direkt vor ihren Augen wurde ein Wildschwein geschossen.

Einige Kinder sollen arg erschreckt gewesen sein, manche auch in Tränen ausgebrochen. An diesem Sonntag wollte die Tierschutzorganisation Peta am Walderlebniszentrum von 12 bis 15 Uhr gegen die Jagd und die Vorkommnisse am Grünwalder Gehege demonstrieren.

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Im Walderlebniszentrum wird der Vorfall sehr bedauert. Inzwischen habe man sich bei der Schule und den Eltern entschuldigt, wie Amtssprecher Andreas Egl sagt. "Es tut uns außerordentlich leid." Normalerweise würden die Schweine nicht geschossen, wenn gerade Schulklassen zu Besuch sind. "Sonst achten wir sehr darauf, dass die notwendige Reduktion des Wildschweinbestandes unbemerkt von den Besuchern des Walderlebniszentrums stattfindet", betont der Sprecher. "Hier ist uns ein bedauernswerter Fehler unterlaufen." In Zukunft werde man verstärkt darauf achten, dass sich so ein Vorfall nicht wiederholt.

Die Kinder hatten sich bei ihrem Ausflug in dem sogenannten Panoramasaal aufgehalten, einer abgestuften und überdachten Holzterrasse, von der aus man einen guten Blick in das Wildschweingehege hat. Doch diesmal beobachteten sie nicht, wie die netten kleinen Frischlinge gefüttert wurden, oder amüsierten sich über deren Quieken und Schmatzen. Stattdessen hörten sie zwei Schüsse und sahen, wie etwa 20 bis 30 Meter entfernt von ihnen ein Schwein blutend zusammenbrach und starb.

"Einige Kinder hat dieser Anblick schwer getroffen und beschäftigt", gibt Egl zu, wenngleich die Lehrerin und die anwesende Försterin sich sofort bemühten, die Kinder zu trösten und eine Erklärung für das Geschehene zu geben. Die Schule habe sich auch hinterher noch mit dem Thema beschäftigt, sagt Egl. Man habe der Klasse auch angeboten, das Erlebte gemeinsam aufzuarbeiten.

25 Wildschweine im Gehege

In dem sieben Hektar großen Gehege in Grünwald leben insgesamt etwa 25 Wildschweine. Da sich diese aber stärker vermehrten als außerhalb des eingezäunten Areals, müssten immer wieder Tiere erlegt werden, lautet die Erklärung für die Jagd in der Sauschütt. Auch an dem Tag des Vorfalls sollten vier Schweine geschossen werden. Dass die Kinder also zwei Schüsse hörten, sei nicht damit zu begründen, dass mehrmals auf ein Tier geschossen wurde. "Das erledigen geübte Jäger über Einzelabschüsse", heißt es aus dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Und weiter: "Nach unserer Überzeugung ist diese Methode am besten geeignet, um bei den Tieren unnötiges Leiden, Stress und Beunruhigung zu vermeiden."

Das sieht die Tierschutzorganisation Peta allerdings anders und setzt sich daher für die Abschaffung der Jagd ein. Denn diese führe nach wissenschaftlichen Studien und renommierten Wildbiologen genau zu der beklagten Überpopulation. Familienverbände und Sozialstrukturen würden zerstört, dadurch vermehrten sich die Tiere unkontrolliert und losgelöst von ihrem natürlichen Fortpflanzungsrhythmus, so Peta. Dass Wild und Wald eine natürliche Balance fänden, sei anhand von zahlreichen jagdfreien Gebieten im Ausland längst bewiesen.

Die Verantwortlichen im Walderlebniszentrum führen dagegen an, dass die Lebensbedingungen insbesondere im Gehege so günstig für die Schweine seien, dass sich die Population eben nicht natürlich regele. Genügend Nahrungsangebot, keine natürliche Feinde wie Bär, Luchs und Wolf sowie milde Winter führten dazu, dass es immer mehr Wildschweine gebe. Mit den Abschüssen solle die Zahl konstant gehalten werden.

Auch könnte es problematisch werden, wenn zu viele junge männliche Schweine in einem Gehege lebten, "die gehen irgendwann aufeinander los", sagt Egl. Den von Peta erhobenen Vorwurf der Fahrlässigkeit bei einer Jagd im Bereich des Walderlebniszentrums weist er zurück: "Es bestand zu keiner Zeit eine Gefahr für die Kinder."

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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