Wahlrecht:Und raus bist du...

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Erst im Jahr 2020 stehen die nächsten Kommunalwahlen an. Doch schon jetzt wird über die Sitzverteilung in Stadt- und Gemeinderäten diskutiert. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

D'Hondt oder Hare Niemeyer? Eine Probe aufs Exempel in den Gemeinderäten Putzbrunn und Oberhaching sowie im Kreistag zeigt es: Die von der CSU im Landtag angestoßene Debatte über das Auszählverfahren bei Kommunalwahlen birgt für kleine Parteien große Brisanz.

Von Iris Hilberth

Hare-Niemeyer oder D'Hondt? Horst Seehofer ist diese Woche seiner CSU mächtig in die Parade gefahren. Die Landtagsfraktion will für die nächsten Kommunalwahlen eine Rückkehr zum alten Auszählungsverfahren nach D'Hondt, das CSU und FDP erst 2010 in der damaligen Koalition durch die Berechnungsweise der Sitzverteilung nach Hare-Niemeyer ersetzt hatten. Auf dem Verfahren beruht seit 2014 die Zusammensetzung der Stadt- und Gemeinderäte, Kreis- und Bezirkstage. Die kleinen Parteien finden es gerechter, die CSU warnt dagegen vor einer Zersplitterung der Kommunalparlamente und muss sich vom eigenen Ministerpräsidenten vorhalten lassen, mit einer Reform des Wahlrechts vor allem sich selbst nutzen zu wollen.

Doch säßen tatsächlich andere Volksvertreter in den Rathäusern, hätte man vor drei Jahren nach D'Hondt ausgezählt? Teilweise schon. Insbesondere die FDP und kleine Wählergruppierungen wären mancherorts draußen geblieben.

Tobias Thalhammer, der 2010 noch Landespolitiker der FDP und Verhandlungsführer seiner Partei mit dem Koalitionspartner CSU war, sitzt zwar nicht mehr im Landtag, aber immer noch im Gemeinderat in Neubiberg. Er ist der Einzige seiner Partei in dem kommunalen Gremium, und wäre es auch, hätte er damals nicht die Änderung nach Hare-Niemeyer durchgesetzt. "Wir waren ja sogar knapp am zweiten Sitz dran", erinnert er sich. Doch sein Kollege von der Studentenliste USU-100% Uni, die 2,7 Prozent der Stimmen bekam, wäre wohl nicht dabei. Sicher ist sich Thalhammer beim Wahlausgang in Putzbrunn. "Hier hatten wir früher nie einen Sitz, jetzt vertritt Willibald Hackl dort die FDP", sagt Thalhammer. Nach D'Hondt, so habe es seine Partei damals ausgerechnet, wäre es damals wieder nichts geworden.

Tatsächlich ist in Putzbrunn die CSU derzeit mit sechs, die GPP mit fünf, die SPD mit vier, die Freie Wählergemeinschaft und die Grünen jeweils mit zwei und die FDP mit einem Gemeinderatsmitglied vertreten. Nach der alten Rechnungsweise, die die CSU-Landtagsfraktion wieder einführen will, ergibt sich genau das Bild, das die Kritiker dieser Reform befürchten: Die beiden starken Fraktionen CSU und GPP hätten jeweils einen Sitz mehr, die Grünen einen weniger und die FDP wäre leer ausgegangen.

Im Kreistag hätten die großen Parteien einen kleinen Vorteil

"Insbesondere in den Gremien mit nur 20 Sitzen macht sich die Änderung bemerkbar", sagt Thalhammer, der damals in den Verhandlungen die verschiedenen Varianten mit unterschiedlich großen Gemeinde- und Stadträten durchgerechnet hat. Bei größeren Gremien, hat er festgestellt, hätte eine Rückkehr zu D'Hondt weniger Auswirkungen.

Für Oberhaching zumindest mag das stimmen, hier sind 24 Sitze zu vergeben und die Dominanz der CSU ist so oder so augenfällig. Zehn Sitze haben die Schwarzen derzeit, nach D'Hondt wären es genauso viele. Auch für die SPD (5) würde sich nichts ändern. Ein Sitz würde sich von der VFWO hin zu den Grünen verschieben, die dann auf drei Mandate käme, während die VFWO nur noch durch ein Gemeinderatsmitglied vertreten wäre. Rausfliegen würde aber keine der insgesamt sieben Parteien und Gruppierung. Die Gemeinde Oberhaching wäre also ohnehin von eine "Zersplitterung" ihres kommunalen Gremiums betroffen, das die CSU-Landtagsfraktion als Szenario an die Wand malt, weil sie italienische Verhältnisse befürchtet.

Thalhammer

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(Foto: Angelika Bardehle)

Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag hat mit ihrem jüngsten Vorstoß zum Kommunalwahlrecht eine Kontroverse ausgelöst. Nicht nur, dass Ministerpräsident Horst Seehofer sich echauffierte - kleine Parteien sprechen von einer gezielten Attacke. Tobias Thalhammer kann nur einen Grund erkennen, warum jemand das D'Hondt-Verfahren favorisiert: um sich selbst zu bevorzugen. Genau darum geht es aus Sicht des früheren FDP-Abgeordneten und jetzigen Neubiberger Gemeinderats.

Schelle

Stefan Schelle sieht im Oberhachinger Gemeinderat die Sachpolitik im Vordergrund. Ob nach D'Hondt ausgezählt werde oder nach Hare-Niemeyer - das ist nach Überzeugung des Bürgermeisters von der CSU doch "eigentlich wurscht".

Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) sieht die Sitzverteilung aber ganz entspannt. Obwohl er aus CSU-Sicht das alte Verfahren gerechter findet. Denn schaut er sich die Wahlergebnisse im Detail an, so stellt er fest, dass selbst die CSU-Kandidatin auf dem letzten Listenplatz doppelt so viele Stimmen verbucht hat wie die jetzige Gemeinderätin von der BVO/GAO. Eine Benachteiligung der Kleinen kann er bei keinem der Systeme erkennen. Bei größeren Parlamenten, etwa beim Bezirkstag, möge das anders sein, meint Schelle.

Macht man die Rechnung beim derzeitigen Kreistag auf, wo im Jahr 2014 insgesamt 70 Sitze zu verteilen waren, so ergibt sich tatsächlich eine kleine Verschiebung zugunsten der großen Fraktionen. Die CSU hätte statt 29 dann 30 Sitze, die SPD 17 statt 16, bei den Grünen bliebe es bei elf, bei den Freien Wählern bei acht. Die FDP müsste einen Sitz abgeben und hätte dann nur noch drei, das gleich Schicksal würde die ÖDP ereilen, die dann nur noch mit einem Kreisrat in dem Gremium vertreten wäre. Eine absolute Mehrheit für die CSU brächte das aber genauso wenig wie in der Gemeinde Oberhaching. Bürgermeister Schelle findet: "Bei einem Gemeinderat wie dem in Oberhaching, wo sachorientiert und fraktionsübergreifend gearbeitet wird, spielt das keine Rolle. Ob D'Hondt oder Hare-Niemeyer ist da eigentlich wurscht."

"Der Wählerwille wird mit Hare Niemeyer besser widergespiegelt."

Das findet die FDP gar nicht. "Es gibt kein einziges Argument für D'Hondt, als sich selbst zu bevorzugen", kritisiert Thalhammer den Vorstoß der CSU-Fraktion im Landtag. Und je weniger Sitze zu verteilen seien, desto mehr würde die Bevorzugung der Großen deutlich. Die CSU wolle nur einen drohenden Machtverlust verhindern, dabei sei das System Hare-Niemeyer näher am Wählerwillen. Tatsächlich hat die FDP im Landkreis in einigen Gemeinde- und Stadträten zumindest einen Vertreter durchgesetzt: In Taufkirchen, Unterschleißheim, Garching, Feldkirchen, Gräfelfing, Hohenbrunn und Kirchheim geben sie ein Solo, in Grünwald, Unterhaching und Ottobrunn sitzen je zwei Gemeinderäte der Liberalen, in Planegg und Pullach sind es sogar drei. Auch die Grünen haben mitunter wie in Brunnthal und Baierbrunn oder die SPD in Schäftlarn und Aying sowie verschiedene freie Wählergruppierungen in einigen Gemeinden nur einen Sitz.

In Unterhaching etwa gibt es im Dreißiger-Gremium im Rathaus eine Vertreterin der Freien Wähler und zwei FDP-Sitze. Vor einer Zersplitterung fürchtet man sich dort aber nicht. Im Gegenteil. Als es darum ging, sich auch für die Sitzverteilung in den Ausschüssen auf ein Berechnungssystem zu einigen, gab es ein einstimmiges Votum für Hare-Niemeyer, was den Kleinen eindeutig Vorteile gebracht habe, sagt Rathaussprecher Simon Hötzl. Aber das habe in Unterhaching der Gemeinderat damals bewusst so entschieden. "Weil es den Wählerwillen besser widerspiegelt."

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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