Vor der Wahl im Landkreis München:Das große Stühlerücken

Landrat und Kreistag, Bürgermeister und Gemeinderäte - am Sonntag werden Hunderte von Mandatsträgern neu bestimmt. 259 250 Wahlberechtigte im Landkreis München sind zur Kommunalwahl aufgerufen.

Von Lars Brunckhorst

München mag am Sonntag einen neuen Oberbürgermeister wählen, aber die Menschen im Landkreis München wählen gleich 25 Bürgermeister und außerdem einen neuen Landrat - oder eine neue Landrätin. So sind 259 250 Wahlberechtigte aufgerufen, über einen Nachfolger für Johanna Rumschöttel (SPD) zu entscheiden, die nach sechs Jahren im Landratsamt am Mariahilfplatz aus Altersgründen nicht für eine Wiederwahl antreten darf. In den meisten der 29 Städte und Gemeinden im Landkreis werden zudem die Rathauschefs neu bestimmt. Nur nicht in Hohenbrunn, Ottobrunn, Putzbrunn und Unterschleißheim. Dort wurden die Bürgermeister erst gewählt.

In etlichen der übrigen 25 Kommunen dagegen ist am Sonntag mit Veränderungen zu rechnen. So treten in Aschheim, Baierbrunn, Gräfelfing, Haar, Ismaning, Kirchheim, Oberschleißheim, Pullach, Taufkirchen und Unterföhring die amtierenden Bürgermeister nicht wieder an. Mindestens zehn Gemeinden werden daher künftig ein neues Oberhaupt haben. In anderen Orten könnte es ebenfalls Wechsel geben, weil die Amtsinhaber wackeln. Und in immerhin zwölf Gemeinden werden Stichwahlen erwartet: In Grasbrunn, Gräfelfing, Grünwald, Ismaning, Kirchheim, Neuried, Planegg, Pullach, Schäftlarn, Taufkirchen, Unterföhring und Unterhaching.

Dagegen steht in drei Gemeinden schon vorher fest, wer gewonnen hat: In Aying, Baierbrunn und Straßlach-Dingharting gibt es jeweils nur einen Bewerber. Neu gewählt werden am Sonntag in den 27 Gemeinden und zwei Städten des Landkreises schließlich auch die Gemeinde- und Stadträte sowie der 70-köpfige Kreistag. Damit werden Hunderte von kommunalen Mandaten für die kommenden sechs Jahre neu vergeben.

Besonders viel auf dem Spiel steht am Sonntag in und um München für die SPD. Sie muss nicht nur das Rathaus in der Landeshauptstadt verteidigen, sondern auch das Landratsamt und zahlreiche Gemeinden. Der Münchner Speckgürtel ist für die SPD eine Art roter Rettungsring. In den 29 Kommunen, die sich wie ein halb offener Kreis um die Landeshauptstadt legen, haben die Sozialdemokraten einige ihrer wenigen Rettungsinseln im sonst überwiegend schwarzen oberbayerischen Meer. Immerhin neun Gemeinden werden von SPD-Bürgermeistern regiert: Feldkirchen, Grasbrunn, Haar, Oberschleißheim, Planegg, Putzbrunn, Unterhaching, Unterföhring und Unterschleißheim, manche wie Haar schon fast solange wie das rote München. Helmut Dworzak etwa stand 22 Jahre an der Spitze der Gemeinde und vor ihm Hans Wehrberger. Doch so wie Ude hört auch der "rote Baron" mit dieser Kommunalwahl auf.

Die CSU macht sich daher mit ihrem Spitzenkandidaten Thomas Reichel erstmals seit langem wieder Hoffnung, der SPD die Gemeinde im Münchner Osten abzunehmen. Gabriele Müller wiederum tritt an, das Erbe Dworzaks zu verteidigen. Aber auch für Werner van der Weck in Feldkirchen, Klaus Korneder in Grasbrunn, Annemarie Detsch in Planegg und Wolfgang Panzer in Unterhaching droht der Wahlabend wegen der vielen Gegenkandidaten zu einer Zitterpartie zu werden. Und SPD-Landratskandidatin Annette Ganssmüller-Maluche geht ebenfalls keineswegs als Favoritin für die Nachfolge ihrer Parteifreundin Johanna Rumschöttel ins Rennen. Klar im Vorteil ist der CSU-Kandidat, der Gräfelfinger Bürgermeister und stellvertretende Landrat Christoph Göbel. Zwischen beiden könnte es am 30. April zu einer Stichwahl kommen. Christoph Nadler (Grüne), Otto Bußjäger (Freie Wähler) und Tobias Thalhammer (FDP) haben allenfalls Außenseiterchancen.

Aber auch die CSU, die im Landkreis 13 Rathäuser hält, muss um einige Bastionen im Münchner Umland fürchten. In Aschheim etwa hört ihr Schwergewicht Helmut Englmann nach Jahrzehnten auf, in Grünwald hat Jan Neusiedl vier Herausforderer gegen sich und in Gräfelfing werden die Karten ebenfalls völlig neu gemischt, weil sich Noch-Amtsinhaber Christoph Göbel ums Landratsamt bewirbt. In Pullach, wo Jürgen Westenthanner abtritt, werden gar der ehemaligen Grünen-Landtagsabgeordneten Susanna Tausendfreund Chancen eingeräumt. Baierbrunn hat die CSU sogar schon verloren gegeben: Dort hat die Partei nach dem Rückzug von Eugen Kramer auf einen eigenen Kandidaten verzichtet. Schließlich bleibt die Frage, was aus den sieben Gemeinden wird, die bisher von parteifreien Bürgermeistern regiert werden. Zumindest Taufkirchen, wo der umstrittene und zuletzt suspendierte Jörg Pötke herrschte, dürfte an eine der großen Parteien zurückfallen.

So viel ist also schon vor Auszählung der Stimmen am Sonntagabend klar: Die politische Landschaft im Landkreis München wird von Mai an, wenn die Bürgermeister und Gemeinderäte vereidigt werden, eine andere sein.

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