Vernissage:Verbündete im kreativen Schaffen

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Stella Maris Lentichia (links) und Etien sind zwei Mitglieder der Künstlergruppe "Messy Fingers". (Foto: Catherina Hess)

Die Künstlergruppe "Messy Fingers" präsentiert im Unterföhringer Bürgerhaus eine vielfältige Ausstellung - und führt teils philosophische Debatten

Von Franziska Gerlach, Unterföhring

Anne Schmidt aus Großbritannien ist schon da. Mariano von Plocki aus Argentinien auch. Kerstin Siech aus Deutschland sowieso. Rose Slater, in München geboren und in den USA aufgewachsen, wartet ebenfalls darauf, dass es demnächst losgeht. Auch Florian Nagel vom Unterföhringer Kulturamt hält bereits die Notizen parat für die einführenden Worte, mit denen er die Vernissage der "Messy Fingers" eröffnen wird. Und es soll keine Minute mehr dauern, bis sich auch Margit Boxdörfer zu der Gruppe gesellen wird, die da gerade durch das Foyer des Bürgerhauses Unterföhring läuft. "Margit! Margit, komm!", rufen ihr die anderen entgegen. Lachen, wildes Winken. Stimmung? Top.

Diese Szene sagt zwar nichts über das Werk der Gruppe aus, in der sich seit 2012 Künstler aus aller Herren Länder zusammen geschlossen haben, die heute größtenteils in München oder der Umgebung leben. Doch dass man hier gut gelaunt aufeinander wartet, sich nicht sonderlich stressen lässt, das zeugt doch von einem Selbstverständnis, das weit über ein pragmatisches Arbeitsverhältnis hinausgeht. Die "Messy Fingers" haben sich offenkundig nicht zusammengetan, um sich die Ateliermiete zu teilen. Bei ihren monatlichen Treffen geht es um Austausch, und zwar um den von technischen Tipps. Und die Gespräche, die sie dann führen, können bisweilen durchaus philosophische Qualitäten annehmen.

Die Mitglieder sind zwischen 44 und 69 Jahren alt, Amateure arbeiten hier ganz bewusst mit professionellen Künstlern zusammen, manche von ihnen sind neben der darstellenden Kunst auch als Autoren oder Musiker tätig. Kurzum: Diese Gruppe ist in jeder Hinsicht so bunt wie die fast 30 Arbeiten, die das Bürgerhaus nun in einer Ausstellung mit dem Titel "Not Fake" zeigt. Fotografie, Videokunst, Skulpturen und Malerei. Grafisch, abstrakt, farbgewaltig oder in zarten Pastelltönen gehalten.

Und wenn man denn unbedingt etwas Gemeinsames herauslösen möchte aus all dem, dann ist das wohl die Gewissheit, in den anderen Mitgliedern Verbündete gefunden zu haben in der Leidenschaft für das kreative Schaffen. Jemanden, der diese tiefe Zufriedenheit versteht, die sich einstellen kann, wenn man mit Pinsel und Farben an der Staffelei steht. Aber auch die Zweifel, von denen sich wohl kaum ein Künstler frei machen kann.

"Kunst verbindet und schafft Brücken", erläuterte dann Kunsthistoriker Florian Nagel das Motto der Gruppe. Die Lebenslust der "Messy Fingers" wirke nicht nur ansteckend, die Künstler brächten mit ihren Veranstaltungen auch Menschen zusammen. Auch passe die Gruppe mit ihrer Ausrichtung gut zum Bürgerhaus, das sich ja ebenfalls der Abwechslung verschrieben habe. Da wäre zum einen der US-Amerikaner mit dem Künstlernamen Etien, der nach einem Studium der Meteorologie zur Kunst kam. In seinen Bildern duellieren sich grafische Muster mit Flächen in Knallfarben um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Sie werden so zu Widersachern, und entwickeln einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Ganz anders die imaginären Landschaften und sphärischen Panoramen von Anne Schmidt aus Großbritannien, die Anfang der Neunzigerjahre Telefonkarten gestaltete, wie Florian Nagel den Gästen verriet. Kerstin Siech wiederum, freischaffende Malerin und Mitbegründerin der Gruppe, bewegt sich mit ihrer Arbeit nicht nur versiert im Spannungsfeld zwischen figurativen und sphärischen Welten. Obwohl sie vor gut zwei Jahren aus München weggezogen ist und inzwischen in Karlsruhe wohnt, hat sie es sich nicht nehmen lassen, zur Vernissage zu reisen. Die Gruppe aufgeben? Niemals. "Bei den Messy Fingers bleib' ich, das ist ganz toll."

Gegenüber von Siech steht Stella Maris Lentichia und nickt. Die gebürtige Argentinierin lebt seit 35 Jahren in Deutschland. Wenn sie malt, lässt sie sich schon mal vom Zufall leiten, so wie bei dem Bild mit den beiden sinnlichen Frauen. Bunte Flecken huschen über ihre Gesichter, das Vorne und das Hinten lassen sich kaum mehr voneinander unterscheiden. Die Grenzen zwischen den Identitäten lösen sich auf - genau wie bei einem Integrationsprozess, den hier ja viele durchlaufen haben. Manche Mitglieder der "Messy Fingers" nutzten die Kunst auch als Ausdruck einer politischen Haltung, erzählt Stella Maris Lentichia. Andere erfreuten sich einfach an dem Spiel mit Farben und Formen. Allerdings zählt die Gruppe nie mehr als zehn Personen. Sonst werde es bei aller Liebe zur Vielfalt doch zu viel. Zu viele Meinungen. Und zu viel Kunst.

Die Ausstellung der "Messy Fingers" ist bis zum 30. Juni im Bürgerhaus, Münchner Straße 65, in Unterföhring zu sehen.

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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