Verkehrspolitik:Tempo 30 vor Kitas und Schulen wird zur Regel

Eichenau: Tempo-30-Zone Roggensteiner Allee

Vorsicht spielende Kinder und Tempo 30: Diese Schilderkombination kann jetzt auch auf großen Straßen leichter aufgestellt werden.

(Foto: Johannes Simon)
  • Auch auf Bundes- und Staatsstraßen soll künftig Tempo 30 gelten dürfen, wenn Kindergärten und Schulen in unmittelbarer Nähe sind.
  • Bislang waren die Hürden hoch, weil der überregionale Verkehr nicht eingeschränkt werden sollte.
  • Nun dürfte es für die Gemeinden einfacher werden, die Geschwindigkeit vor den Einrichtungen zu beschränken.

Von Bernhard Lohr

Ruhe gibt es eigentlich nicht. Ein Auto fährt hinter dem anderen. Schwere Lkw rauschen vorbei. Und wenn es auf dem Autobahnring Ost wieder einmal einen Unfall gibt, dann herrscht Stop-and-go-Verkehr vor der Tür. Für Anna Neuner stellt sich als Leiterin der gemeindlichen Kindertagesstätte in Ottendichl seit jeher die Frage, wie sie die Kinder vor dem Verkehr auf der B 471 schützen kann. Bis die Fußgängerampel vor dem Haus kam, war es ein langer Kampf. Nun hat der Bundesgesetzgeber eine Novelle der Straßenverkehrsordnung auf den Weg gebracht, die Hoffnung auf Tempo 30 vor Kindergärten, Schulen, Altenheimen und Kliniken weckt, die vom Verkehr besonders belastet sind.

Bei der Mehrzahl der sozialen Einrichtungen war es bisher schon nicht so schwer, mit guten Argumenten auch eine Tempobeschränkung durchzusetzen. Meist befinden diese sich in Wohngebieten, wo Stadt- und Gemeinderäte nicht lange zögern, auf Gemeindestraßen auch Tempo-30-Schilder anzuordnen. Auf Kreis-, Staats- und Bundesstraßen allerdings waren bisher die Hürden hoch, weil der überregionale Verkehr nicht eingeschränkt werden sollte. Diese Hürden hat der Gesetzgeber jetzt gesenkt. Der Bundesrat erteilte dazu jetzt als letzte Instanz sein Plazet.

Darauf hat man in einigen Rathäusern schon gewartet. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) schickte jedenfalls sofort einen Antrag an die Untere Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt und pochte auf Tempo 30 vor dem Kinderhaus im Ortsteil Ottendichl. Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) hat sogar schon früher den Wunsch angemeldet, auf einem Abschnitt der als Münchner Straße durchs Stadtzentrum führenden Staatsstraße 2350 Tempo 30 zu bekommen. Dort befindet sich der katholische Kindergarten und überqueren Schulkinder nach einer Sprengeländerung vermehrt auch die stark befahrene Straße. In Oberhaching hat Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) auch schon beim Landratsamt vorgefühlt. Er würde gern die Gelegenheit nutzen, im Zuge des Umbaus der Münchner Straße vor der Grundschule Oberhaching Tempo 30 zu etablieren.

Doch auch wenn die Novelle der Straßenverkehrsordnung einiges in Gang setzt, eine Garantie, dass auf Antrag auch Tempo 30 kommt, gibt es nicht. Bürgermeisterin Müller hat schon eine vorläufige Antwort vorliegen, in der die Straßenverkehrsbehörde vor dem Trugschluss warnt, es könnte einen "Automatismus" geben. "Es ist weiterhin eine Einzelfallprüfung erforderlich", heißt es dort. Als eine Möglichkeit wird ausgegeben, die zulässige Geschwindigkeit vor dem Kinderhaus während der Öffnungszeiten zu reduzieren. Auch damit könnte Müller freilich leben.

Die Öffnungszeiten wurden zuletzt immer mehr ausgeweitet und gehen von 7 bis 16.30 Uhr. "Wir gehen ja mit dem Elternbedarf mit." Die Leiterin der Kindertagesstätte, Anna Neuner, wäre sehr erleichtert. "Vielleicht gehen sie dann vom Gas runter", sagt sie. Derzeit ist der Haupteingang an der B 471 für die Kinder tabu. Eine Absperrung wurde dort angebracht. Eltern müssen ihre Kinder in den Gruppen abgeben. Die Angst, dass ein Kind hinter der Mutter herrennt und auf die Straße gelangt, ist zu groß.

Die Behörden warten auf die Verwaltungsvorschrift

Noch herrscht jedenfalls die Verunsicherung, wie die Behörden ihre größeren Spielräume ausnutzen. Immerhin soll Tempo 30 jetzt auch auf übergeordneten Straßen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein, von der abgewichen werden kann, wenn der öffentliche Personennahverkehr beeinträchtigt oder Verkehr in angrenzende Wohngebiete verlagert würde.

Stefan Rinderer, beim Staatlichen Bauamt Freising zuständig für die Bundes-, Staats- und Kreisstraßen im Landkreis München, findet, dass der Gesetzgeber schon deutlich Prioritäten zum Ausdruck gebracht hat. Tempo 30 vor Kindergärten, Schulen und anderen sozialen Einrichtungen sei nun mehr als ein Ziel. "Das hört sich doch so an: Hätten wir gerne."

Karl-Heinz Schilling, Chef der Polizeiinspektion in Haar, ist jedenfalls gespannt, wie sich die neue Rechtslage auswirkt. "Erfahrungen gibt es noch überhaupt nicht." Es werde am Ende von den jeweiligen Gegebenheiten an Ort und Stelle abhängen. Die erlaubten in klaren Fällen schon bisher, die Autofahrer vor Grundschulen einzubremsen. So steht an der Grundschule an der Lenbachallee in Ottobrunn bereits ein Tempo-30-Schild, das während der Schulzeit gilt und in den Ferien abgenommen wird. Bisher war das die Ausnahme. Es dürfte zur Regel werden. Freilich wartet die Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt mit Entscheidungen ab, wie es aus der Behörde heißt, bis die Verwaltungsvorschrift vorliegt.

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