Verkehrskultur für Münchner Radfahrer:Sünder im Sattel

Rote Ampeln oder Einbahnstraßen? Kein Hindernis für Radfahrer. In den vergangenen drei Wochen hat sich die Münchner Polizei rücksichtslosen Radlern in den Weg gestellt - und bei Kontrollen mehr als 5000 Bußgelder verhängt

Katja Riedel

Vielleicht ist es mit den Radlern und den roten Ampeln ja so wie mit den Autofahrern und dem Gurt: Erst, als die Verstöße etwas kosteten, schnallten sich die Deutschen an. Den Vergleich zog Münchens Polizeivizepräsident Robert Kopp vor drei Wochen, beim Auftakt der Kampagne "Gscheid Radln", mit der die Polizei etwas gegen die steigende Zahl von Unfällen tun wollte: Von Januar bis März waren es fast 35 Prozent mehr als im Vorjahr.

Polizist stoppt Fahrradfahrer, 2009

Auf der Leopoldstraße in Schwabing stoppt ein Polizist einen Fahrradfahrer, der eine Ampel bei Rotlicht überquert hatte.

(Foto: Stephan Rumpf)

Drei Wochen lang haben Polizisten insgesamt 12500 Radler ins Visier genommen - und fleißig Bußgeldbescheide geschrieben. Am Ende dieser drei Wochen zeigt sich der Polizeivize geschockt: 7539 Radler wurden ermahnt, mehr als 5000 mussten ein Bußgeld zahlen, etwa 2300 wurden angezeigt, davon 2100, weil sie bei Rot über die Ampel gefahren sind. Sie wurden mit Bußgeldern zwischen 45 und 180 Euro verwarnt.

Acht Radler müssen zur Verkehrserziehung. "Aus meiner Sicht ist das erschreckend", sagte Polizeivize Kopp am Dienstag. "Wir brauchen eine neue Kultur des Radlfahrens in der Großstadt". Traudl Schröder vom Münchner ADFC sieht das etwas anders: "Ich glaube, wir brauchen insgesamt eine neue Verkehrskultur", sagt Schröder. Im Moment steht nicht der Mensch im Mittelpunkt, sondern der Verkehrsfluss. Verschärfte Kontrollen, auch von Radlfahrern, die andere gefährden, begrüßt der ADFC deshalb grundsätzlich - wenn diese tatsächlich der Radlsicherheit dienen. Der Verband fordert jedoch, dass Autofahrer nicht nur mit beobachtet, sondern ebenfalls gesondert kontrolliert werden.

Auch die Polizei möchte alle Verkehrsteilnehmer im Laufe des Sommers zu einem rücksichtsvolleren Miteinander bewegen und auch die motorisierten Verkehrsteilnehmer verstärkt ansprechen. Am 15. Juli geht es bei der Nacht der Prävention vor allem um bessere Erkennbarkeit, Augenkontakt, vorausschauendes Fahren und Handzeichen. Für den Herbst sind drei weitere Kontrollwochen für den Fahrradverkehr geplant.

Kritik gab es in den vergangenen Wochen an der Auswahl der Orte für die Radl-Kontrollen. Manche Radler beklagen, dass die Polizei sich nicht an besonders gefährlichen Ecken der Stadt postiere, sondern an eher ruhigen Ampeln, die besonders oft von Fahrradfahrern ignoriert werden. Für Verkehrspolizeichef Johann Gschoßmann gibt es in München dagegen gar keine Brennpunkte, an denen besonders viele Radlfahrer verunglücken - ob selbstverschuldet oder nicht. Besonders viele Klagen über schwierige Radlverhältnisse erreichten ihn aber von der Fürstenrieder Straße, der Landsberger Straße, der Lerchenauerstraße und vom Georg-Brauchle-Ring.

Dort sei auch die Frequenz des Fahrradverkehrs sehr hoch, so Gschoßmann. Diese Schwerpunkte seien bei den Kontrollen berücksichtigt worden. Auch auf der Ludwig- und Leopoldstraße wurde mehrfach kontrolliert, sagte Polizeivize Kopp. Dort würden tatsächlich sehr viele Ampeln an den Seitenstraßen regelmäßig bei Rot überfahren. Dass die Polizei sich also auch dort platziert, wo sie viele Knöllchen verteilen kann, streitet sie nicht ab.

Positiv dürften Kritiker wie Befürworter die Entwicklung der Unfallzahlen sehen: Während der drei Wochen gab es 40Prozent weniger Radl-Unfälle als im Vorjahr - und 40 Prozent weniger Verletzte. Für die Polizei ist dieses Ergebnis auch auf die verschärften Kontrollen zurückzuführen.

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