Verkehr der Zukunft:Auf dem Laufband über die Isar

Zug der BOB auf der Großhesseloher Brücke, 2015

Über die Großhesseloher Brücke fahren derzeit nur Züge der Oberlandbahn. Erwin Knapek will die Verbindung wieder für die S-Bahn ausbauen.

(Foto: Robert Haas)

Der SPD-Kreisrat und ehemalige Unterhachinger Bürgermeister Erwin Knapek setzt sich für Tangentialverbindungen im Münchner Süden ein. Dabei geht es ihm nicht nur um einen Ausbau von S- und Trambahn, sondern er bringt auch eine futuristisch anmutende Lösung ins Spiel.

Von Stefan Galler

Erwin Knapek liegt das Klima am Herzen. Das macht der SPD-Kreisrat aus Oberhaching immer wieder durch seine politischen Forderungen deutlich. Als Bürgermeister von Unterhaching hatte er einst als einer der Pioniere in Deutschland seinen Bürgern die Geothermie gebracht. Nun verfolgt der passionierte Fahrradfahrer vor allem ein Ziel: Die Verstopfung der Landkreisstraßen zu mildern und den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aufzuwerten.Und dabei schreckt der 72-Jährige nicht vor Aufsehen erregenden Vorschlägen zurück und denkt laut über eine Isarüberquerung via Laufband nach.

Knapek hat sich auch an den jüngsten Workshops des Landratsamtes beteiligt, die Perspektiven für den ÖPNV im Landkreis erarbeiten sollten und dabei ganz bewusst nicht nur einfach umsetzbare Maßnahmen, sondern auch schwierig zu realisierende "Visionen" zusammenfassten. Im Juli hatten die Arbeitsgruppen im Haarer Bürgersaal debattiert und anschließend ihre Ergebnisse vorgestellt.

Obwohl sich Knapek mit viel Engagement an den Gesprächen beteiligte, fand er doch im Nachhinein kritische Worte für die Veranstaltung, allerdings betrafen diese weniger die Inhalte als vielmehr die Rahmenbedingungen: "Ich finde schlecht, dass bei solchen Foren stets unter Zeitdruck gearbeitet wird." Das gelte noch mehr für die Initiative 29++ zur Energievision. "Beides sind wichtige Themen und da sollte man ohne Hektik drangehen, denn hier sollen eigentlich Entscheidungen für die nächsten Generationen vorbereitet werden", so Knapek.

Und weil aus seiner Sicht die Gefahr bestehe, dass die wichtigsten Vorschläge für einen zukunftssicheren ÖPNV im Süden des Landkreises verwässert werden, lässt es sich der Altbürgermeister nicht nehmen, seine Sicht der Dinge noch einmal zu unterstreichen.

Von Ottobrunn nach Pullach braucht man mit dem Auto morgens eineinhalb Stunden

Im Mittelpunkt der Ideen für eine Entlastung der zunehmend problematischen Verkehrssituation im Süden und Südosten des Landkreises steht eine regelmäßig bediente S-Bahn-Tangente, die von Ottobrunn oder Hohenbrunn über Oberhaching bis ins Isartal reichen könnte. "Man braucht sich nur vor Augen zu führen, wie attraktiv etwa Pullach für Arbeitnehmer ist, da gibt es zum Beispiel Sixt, Linde und außerdem ein herausragendes Privatgymnasium", sagt Knapek. "Wenn aber jemand aus Ottobrunn um 8 Uhr dort sein will, muss er mit dem Auto mittlerweile um 6.30 Uhr losfahren."

Da auch Busse von dieser unbefriedigenden Situation betroffen sind, weil sie genauso im Stau stehen und für eine zusätzliche Busspur ins Isartal kein Platz ist, gibt es für den Oberhachinger keine Alternative dazu, den Schienenverkehr auszubauen. "Denn für den Autobahnsüdring wird sich niemals eine Mehrheit finden", sagt er und geht noch einen Schritt weiter: "Der große Straßenbau ist nicht das Mittel der Wahl. Um es klar zu sagen: Das Auto ist als Massentransportmittel am Ende."

"Die Gleise sind da und bestens ausgebaut, man müsste die Strecke nur intensiver nutzen."

Die bestehenden Möglichkeiten würden jedenfalls nicht ausreichen: Derzeit verbindet der "Meridian", ein Zugangebot der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), zwar Deisenhofen mit Solln, er fährt jedoch nur werktags und verkürzt die Fahrtstrecke auf sechs Minuten. "Am Wochenende muss man mit der S-Bahn über den Ostbahnhof fahren und braucht ein Stunde", sagt Knapek. Das sei als Alternative zum Autofahren nicht attraktiv. "Die Gleise sind da und bestens ausgebaut, man müsste die Strecke nur intensiver nutzen."

Zusätzlich ist es aus Knapeks Sicht ratsam, einen "Knotenpunkt im Isartal" zu etablieren, wo etwa die S-Bahn auf die 25er-Trambahn trifft; er teilt die Meinung anderer Teilnehmer an den Workshops, dass sich dafür die Menterschwaige am Isarhochufer am besten eignen würde. Alleine schon, weil auf dem erweiterten Gelände der Bavaria Film in Geiselgasteig so viele Arbeitnehmer ihren Tätigkeiten nachgehen, zudem das Krankenhaus Harlaching und Grünwald bestens erreichbar sind, es jedoch viel zu wenige Parkplätze gibt. "Platz wäre da ohne Ende, um einen Haltepunkt auszubauen. Und es wäre eine immense Entlastung", so Knapek.

Darüber hinaus wäre auch in Solln ein Umstieg zur S 7 und S 20 nach Höllriegelskreuth und München Hauptbahnhof über den Harras bis zum Heimeranplatz gegeben, wo wiederum jeweils U-Bahnanschluss besteht. Und das könnte auch die Stammstrecke entlasten. Eventuell, so hofft der SPD-Kreisrat, könnte man sich dann sogar eine zweite S-Bahnröhre zwischen Pasing und Ostbahnhof sparen. "Es liegt natürlich auch an der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, die zusätzliche Züge kaufen müsste, um so einen Service anzubieten", sagt der Lokalpolitiker.

Erwin Knapek, 2014

Der promovierte Physiker Erwin Knapek war zwölf Jahre Bürgermeister von Unterhaching. Seit 2008 sitzt er für die SPD im Gemeinderat Oberhaching.

(Foto: Claus Schunk)

Was die Visionen angeht, die vor den ÖPNV-Workshops ja auch von Landrat Christoph Göbel dringend angemahnt worden waren, hält Knapek im Süden insbesondere eine für verfolgenswert: Die Verlängerung der Tramlinie 25 Richtung Osten bis Deisenhofen, um den immensen Verkehr auf der Kreisstraße M 11 zu entschärfen. Will man im Westen mit öffentlichen Verkehrsmitteln über Grünwald hinaus weiter bis Höllriegelskreuth, so gilt es hierfür die Isar zu überqueren, was mit Schienen nur schwer umsetzbar ist. Man müsste ein weiteres opulentes Brückenbauwerk planen und umsetzen.

Vorbild ist der Flughafen

Eine Seilbahn wäre eine Möglichkeit, eine andere sind überdachte Schrägaufzüge, die einen auf der einen Seite vom Hochufer hinunterbringen und auf der anderen Seite wieder hoch. "Die Isarüberquerung könnten die Passagiere dann beispielsweise auf Laufbändern wie am Flughafen bewerkstelligen", sagt der Altbürgermeister. "Wir könnten das, die Technologien sind ausgereift."

Und der 72-Jährige mahnt dazu, auf den ersten Blick futuristisch anmutenden Denkmodelle nicht von vorneherein abzulehnen, schon gar nicht aus Klimaschutzgründen. Schließlich sei eine solche Lösung bei weitem umweltfreundlicher, als weiterhin abertausende Autos täglich über die Grünwalder Brücke rollen zu lassen. "Und außerdem darf das Isartal nicht auf Kosten des Klimaschutzes die heilige Kuh des Landschaftsschutzes sein", so Knapek.

Der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) reagiert verhalten, allerdings keineswegs abweisend auf die Ergebnisse der Workshops und die Ausführungen Knapeks. "Prinzipiell sind alle Ideen verkehrlich interessant, eine kurzfristige Umsetzbarkeit ist bei vielen aber sicher schwierig", sagt Markus Haller, Bereichsleiter Konzeption beim MVV, dem sehr wohl bewusst ist, dass das Ziel des Brainstormings und der vom Landkreis München vergebenen Studie gewesen sei, "den Blick über den Tellerrand und in die Zukunft zu richten".

Und genau deshalb seien die Anregungen auch sehr wertvoll, schließlich unterstütze der MVV "alle Überlegungen, die den ÖPNV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr stärken und im Außenraum Verbesserungen insbesondere auch der tangentialen Verbindungen ermöglichen könnten", so Haller.

Der MVV setzt auf beschleunigte Buslinien

Wie immer gehe es vor allem ums Geld, betont der Bereichsleiter. Man müsse Machbarkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten im Detail prüfen. Allerdings habe sich bereits 2002/03 eine Stadtbahn-Tangente zwischen den S-Bahnen im Süden als "finanziell und betrieblich nicht realisierbar" herausgestellt. Weshalb der MVV gemeinsam mit dem Landkreis München aktuell auf Tangentenlösungen mit beschleunigten und bevorrechtigten Buslinien setze. "Diese wären im ersten Schritt leichter zu finanzieren und könnten Vorbild sein für eine spätere Schienenverbindung", so Haller.

Die nötigen Zuschüsse beim Bau neuer Bahnlinien gebe es nur, wenn für eine Strecke positive Kosten-Nutzen-Rechnungen bestünden. "Diese waren zuletzt leider häufig nicht erreichbar", sagt der Konzeptionschef. Als Beispiele nennt er die U-5-Verlängerung von Neuperlach Süd bis Taufkirchen oder eine Trambahnvariante für die Erschließung des Gewerbegebietes Ottobrunn/Taufkirchen. "Letztlich", so Haller, "ist wie immer die Politik gefragt." Und dabei tue man sich im Umland wegen der oftmals verschiedenen Entscheidungsträger - Landkreis und Gemeinden - meistens noch schwerer als in der Stadt München.

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