Unterschleißheim:Den Biber austricksen

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Biber ohne Burg am Bach.

(Foto: Heinz Hudelist/imago stock&people)

Die Nager haben die Moosach in Inhausermoos aufgestaut und in eine Sumpflandschaft verwandelt. Anwohner befürchten, dass das Wasser bald in ihre Keller dringt.

Von Benjamin Emonts, Unterschleißheim/Haimhausen

Mit Gummistiefeln geht es in die neue Sumpflandschaft in Inhausermoos, einem 300-Seelen-Ort in der Gemeinde Haimhausen. Hier, an der Grenze zur Stadt Unterschleißheim, riecht es nach Laub und nasser Erde - der Herbst ist förmlich zu greifen. Die kleine Moosach floss hier vor wenigen Monaten noch gemütlich vor sich hin. Inzwischen aber ist aus dem eineinhalb Meter breiten Bach ein Teich geworden, der gewiss 15 Meter lang und ebenso breit ist. "Das Wasser reicht einem Mann bis zur Brust", sagt Erika Fischer, die unweit der Sumpflandschaft wohnt. Sie fürchtet, dass das aufgestaute Wasser bald bis an ihr Haus strömen und die Kellerräume fluten könnte.

Das immer noch namenlose Biberpaar, das den Stausee angelegt hat, dürfte sich um derlei Probleme kaum scheren. Es hat sich die herbstlich-feuchte Mooslandschaft mit bestem Gewissen ausgesucht für ihr 550 Meter langes Revier entlang der Moosach. Es gibt hier genug Bäume und Wasser, um sich wohl zu fühlen, auf den anliegenden Feldern und naturbelassenen Ausgleichsflächen ist der Tisch für die Tiere reich gedeckt. In nur wenigen Wochen bauten die fleißigen Nager mehrere Dämme und eine winterfeste Biberburg, in der sie sich ausruhen können. Sie ist von außen betrachtet ein größerer Erdhaufen, der mit Hölzern und Gestrüpp bedeckt ist. Als Zweibeiner würde man zu gerne mal einen Blick hinein wagen. Die cleveren Biber aber stauen durch einen Damm an ihrer Burg das Wasser, sodass der Eingang nur tauchend zu erreichen ist. Der Biber wiegt sich gerne in Sicherheit.

Das Säugetier ist streng geschützt

Für die Anlieger der Moosach sind die Dämme und somit auch ihre Erbauer jedoch ein Problem. Von der Sumpflandschaft staut sich das Wasser etwa 200 Meter zurück und reicht immer näher an die Grundstücke heran. Die Betonsockel von Erika Fischers Gartenzaun sind bereits unterspült, Teile ihrer Wiese stehen so stark unter Wasser, dass sie Besuchern dringend zu Gummistiefeln rät. Gleiches gilt für die Ränder der benachbarten Felder, von denen sich der Biber auch noch Nahrung klaut. Und nicht zuletzt beklagen die Besitzer einiger Fischweiher, in welche die Moosach läuft, dass wegen der Biberdämme kaum noch frisches Wasser nachfließt.

Erika Fischer sah sich Anfang September gezwungen, etwas zu unternehmen. "Wir saufen hier ab. Es ist Gefahr in Verzug", schrieb sie online ins Bürgerforum der Stadt Unterschleißheim. Da die Moosach auf Unterschleißheimer Flur verläuft, ist nicht die angrenzende Gemeinde Haimhausen, sondern die Stadt Unterschleißheim und die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises München zuständig. Die Stadt stellte den Bürgern zunächst in Aussicht, eine Reinigung des Bachlaufs vorzunehmen, denn es bestand der Verdacht, dass der Bach verschlammt sein könnte und durch das inflationär wachsende Springkraut am Fließen gehindert wird. Bei einer Begehung des Gebietes zwischen der Autobahn und der Moosachbrücke entdeckten die Experten der Naturschutzbehörde dann den Grund für den Stausee: die Biberburg und fünf Dämme. Der Biberbeauftragte des Landkreises München dokumentierte "ein neues Biberrevier in der Moosach, auf Höhe des Haimhauser Ortsteils Inhauser Moos".

Biber an der Moosach

Ein kleiner Stausee an der Moosach: Biber haben Grundstücke in Inhausermoos unter Wasser gesetzt.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Auch der Experte sieht Handlungsbedarf. Zu früheren Zeiten hätte man die Biber wohl einfach erschossen und ihren Damm zerstört. Heute aber ist das Säugetier durch das Bundesnaturschutzgesetz "besonders und streng geschützt". Bibern nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten, ist strengstens verboten und stellt eine Straftat dar. "Der gesetzliche Schutz erstreckt sich dabei nicht nur auf das Individuum selbst, sondern auch auf dessen Ruhe- und Fortpflanzungsstätten", so heißt es weiter.

"Sie müssen sich einfach benehmen."

Für die Untere Naturschutzbehörde gilt es daher, Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. "Es geht darum, eine friedliche Koexistenz von Biber und Anwohnern zu ermöglichen", sagt Thomas Stockerl, Pressesprecher der Stadt Unterschleißheim. Der Plan: Der Biber soll ausgetrickst werden. Bereits in dieser Woche, das haben die Biberexperten beschlossen, wird eine Gartenbaufirma Drainagerohre in das Gewässer und den Biberdamm einbauen. Mitarbeiter werden den Damm aus dem Wasser entfernen, anschließend wird er wieder aufgebaut. Durch die Rohre, die am Grund des Baches verlaufen, bleiben die Moosach und damit die Biberburg weiter eingestaut. Über die Drainage, so hoffen die Experten, kann so viel Wasser ablaufen, dass die Ausuferung des Baches zurückgeht.

"In sehr vielen Fällen funktioniert das, aber nicht in allen", gibt sich Michael Wagner von der Unteren Naturschutzbehörde vorsichtig zuversichtlich. Die Rohre, so betont er, müssen so lang sein, dass der Biber den Zusammenhang zwischen Rohr und Wasserablauf nicht kapiert. Falls doch, würde er die Rohre umgehend verstopfen und alle Arbeit zunichte machen. Fest steht, dass die Biber, die womöglich auch Nachwuchs haben, während der Umbaumaßnahmen das Weite suchen werden. Mangels Alternativen, so versichert Wagner, werden sie aber zurückkehren und ihre Burg wieder beziehen. "Es ist ja ihr einziger Bau."

Erika Fischer, das kann man zwischen den Zeilen lesen, hätte nichts dagegen, wenn die Biber aus ihrer Nachbarschaft verschwinden würden. In den ausgeklügelten Plan der Naturschutzbehörde hat sie jedenfalls wenig Vertrauen, nachdem Jäger und Fischer aus der Umgebung ihn zum Scheitern verurteilt haben. Eine Frau aus der Nachbarschaft, die den Bibern gerade einen Besuch abgestattet hat, wünscht sich eine einvernehmliche Lösung: "Sie müssen sich halt einfach benehmen."

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