Unterschleißheim:Wohltätige Ruhestörung

Unterschleißheim: Die Unterschleißheimer Bands "Ruhestö(h)rung" (hier im Bild) und "Phondue" helfen mit ihren Auftritten Menschen, die auf der Schattenseite stehen.

Die Unterschleißheimer Bands "Ruhestö(h)rung" (hier im Bild) und "Phondue" helfen mit ihren Auftritten Menschen, die auf der Schattenseite stehen.

(Foto: Catherina Hess)

Die "Lichtblicke"-Benefizkonzerte feiern ihre 15. Auflage. Aus bescheidenen Anfängen haben sie sich zu Veranstaltungen entwickelt, bei denen das Bürgerhaus regelmäßig ausverkauft ist.

Von Udo Watter, Unterschleißheim

Die Steigerungslogik des Kapitalismus, das Mantra vom unbegrenzten ökonomischen Wachstum, der Spruch "Stillstand ist Rückschritt" gehören nicht unbedingt zu den Zierden menschlicher Weisheit. Der Imperativ des "Immer-Mehr", "Immer-Größer", "Immer-Schneller" zeitigt oft unschöne Folgen - ob es sich nun um globale Sportereignisse, Investmentbanking oder dickleibige SUVs handelt. Wenn freilich eine Benefizkonzert-Reihe aus bescheidenen Anfängen sukzessive in größere Dimensionen vorstößt, dann darf man sich darüber wohl uneingeschränkt freuen.

Veranstalter des ersten Konzerts war das Jugendparlament

Die "Lichtblicke"-Benefizkonzerte in Unterschleißheim gibt es jetzt seit 15 Jahren und man kann behaupten, sie haben sich in dieser Zeit zu einer echten Institution entwickelt. Für die beiden Veranstaltungen im Bürgerhaus an diesem Freitag und Samstag, 21. und 22. Oktober, gibt es quasi keine Karten mehr, je 550 Zuhörer werden die Auftritte der lokalen Bands Ruhestö(h)rung und Phondue sowie das erstmalige Gasspiel des Münchner A-cappella-Chores Soulfood Delight verfolgen. Die Tickets im Vorverkauf waren bald vergriffen.

"Wann gibt's das schon, dass in Unterschleißheim eine Stunde vor dem Vorverkaufsbeginn eine Schlange von 50 Leuten ansteht?", freut sich Benjamin Straßer über die Resonanz am Ort. Der Pianist von Ruhestö(h)rung und zweite Vorsitzende des Vereins "Lichtblicke" war vor 15 Jahren quasi der Urheber des Projekts. "Ich hab's erfunden", sagt er lachend. Nachdem die meisten Mitglieder der Band die Realschule Unterschleißheim abgeschlossen hatten, wo die Wurzeln der Gruppe liegen und wo der damalige Musiklehrer und Bassist der Band, Roland Stöhr, der für das "h" im Namen steht, unterrichtete, war es auf einmal gar nicht mehr so einfach, Gelegenheiten und Orte für Konzerte zu finden. "Ich wollte einfach wieder mal Musik machen", erinnert sich Straßer.

Es war im Herbst 2001, als er gemeinsam mit Frontman Michael Kavelar auf die Idee kam, ein Benefizkonzert zugunsten von Kindern in Afghanistan zu machen, wo gerade die US-Amerikaner nach 9/11 ihre Bomben abwarfen, um die Taliban zu stürzen. Der Ort: die Pfarrkirche Sankt Ulrich. Als Veranstalter trat das Jugendparlament der Stadt Unterschleißheim auf. "Das war eine spontane Aktion und wir dachten damals nicht an eine Konzertreihe", erklärt der heute 34-jährige Straßer. Doch der unerwartete Erfolg des Konzertes befeuerte die Musiker.

Die Bands "Ruhestö(h)rung" und "Phondue" gehören zur Stammbesetzung

Im folgenden Jahr fand das Konzert bereits im Bürgerhaus statt, wo gerade eine für rockige Klänge bessere Akustik herrscht. Es kamen rund 300 Besucher und von da an war die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Im Sommer 2003 wurde der Verein "Lichtblicke - Hoffnung für Menschen in Not" gegründet. Ziel: Neben der Förderung von Kunst und Kultur finanziell in Not geratenen Menschen zu helfen. Die Konzerte, bei denen neben Ruhestö(h)rund mit Phondue eine weitere Unterschleißheimer Band zur Stammformation avancierte, zogen immer mehr Zuschauer an, die Erlöse wurden immer höher und die Spenden kamen vielen Projekten zugute - ob die nun in Afrika, Asien oder Südamerika realisiert wurden oder am Ort: So wurde unter anderem einzelnen Schülern der Hauptschule Unterschleißheim die Teilnahme an der Mittagsbetreuung für ein Jahr ermöglicht.

"Uns ist wichtig, dass die Spenden Kinder und Jugendlichen zu gute kommen", sagt Straßer. Zudem wurde auch das musikalische Programm im Laufe der Jahre größer und anspruchsvoller - auch diverse Gastformationen und -künstler traten ohne Entlohnung auf - und 2010 zum Zehnjährigen gab es einen neuen Spendenrekord mit knapp 12 000 Euro.

2011 dann ein Jahr ohne Konzert. "Schöpferische Pause" nennt es Benjamin Straßer. In diesem Jahr heiratete der Unterschleißheimer, der bis dahin Krückel hieß, die erste Vorsitzende und Namensgeberin von "Lichtblicke", Susanne Straßer, kirchlich. Nach langjähriger Kooperation mit dem Jugendparlament der Stadt fand "der Lichtblicke"-Verein von 2012 im Forum Unterschleißheim eine neuen Partner bei der Organisation der Konzerte. "Es ist dann alles noch ein bisschen professioneller und größer geworden."

120 000 Euro für Menschen in Not hat "Lichtblicke" bereits gesammelt

Im vergangenen Jahr wurde eine Rekord-Spendensumme von rund 20 000 Euro verbucht, insgesamt hat Lichtblicke bisher 120 000 Euro für Menschen in Not gesammelt und gespendet. Im Fokus steht aber immer auch der musikalische Aspekt und Anspruch: Die acht Musiker von Ruhestö(h)rung, die für die beiden Benefiz-Konzerte noch Unterstützung von zwei Sängerinnen und einem Gastbläser erhalten, spielen normalerweise Covernummern aus Rythm & Blues, Rock und Soul. An diesem Wochenende werden sie spezielle Arrangements präsentieren, die so vorher noch nicht zu hören waren. Für die Konzerte reisen etliche der Bandmitglieder von jenseits der bayerischen Grenzen an (Hamburg, Bremen). Es ist eben der Höhepunkt im Bandjahr. Auch Phondue ist eine versierte Cover-Band, die auf ihr Stammpublikum am Ort bauen kann und von Soulfood Delight ist Straßer höchst angetan: "Ein neuer, sehr guter a-Cappella-Chor."

Tickets für die zwei Konzerte zu bekommen, ist schwer

An den beiden Tagen werden die drei Ensembles insgesamt vor einem Publikum von 1100 Besucher spielen, der Eintritt von fünf Euro ist eher ein symbolischer Betrag zur Deckung der Unkosten. Hinzu kommen die Spenden des Abends, die an drei soziale Projekte in Senegal, Ghana und Chile fließen. Ob die stolze Summe von 20 000 Euro aus dem Vorjahr übertroffen wird? Straßer gibt sich gelassen: "Es muss nicht unbedingt immer mehr werden."

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