Unterschleißheim:Weihnachtslegende an zarten Fäden

Unterschleißheim: Eine ausgeklügelte Beleuchtungstechnik schafft Illusion: Hier die einer verschneiten Winterwunder-Landschaft mit Maria und Josef.

Eine ausgeklügelte Beleuchtungstechnik schafft Illusion: Hier die einer verschneiten Winterwunder-Landschaft mit Maria und Josef.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Marionettentheater Bille zeigt in Unterschleißheim Ludwig Thomas sozialkritische "Heilige Nacht"

Von Franziska Gerlach, Unterschleißheim

Als die Nacht plötzlich hell wird, ein Stern über den Himmel zieht, kommen die Gewissensbisse. Das eigene Bett wird ihr mit einem Mal viel zu eng, der Frau mit dem possierlichen Schlafhäubchen. Sie dreht sich nach rechts, nach links, schließlich strampelt sie unter der karierten Decke. Hätten sie die Schwangere und ihren Mann vielleicht doch aufnehmen sollen, ihnen Zuflucht geben in diesem kalten, schneereichen Winter? "Dass man die Armen verscheucht, wird auch nicht das Allerschönste sein", jammert sie in Richtung ihres Gatten. Ist es auch nicht. Doch ihrem Mann, dem wohlhabenden Josias in Bethlehem, ist das einerlei.

Dass Ludwig Thoma, Literat, Satiriker und Mundartdichter, die biblischen Szenen um Maria, Josef und das Jesuskind in seiner Heiligen Nacht seinerzeit in ein urtümlich-bayerisches Ambiente verpflanzt hat, ist zwar ungewöhnlich - aber immerhin bekannt. Dass in Unterschleißheim jedoch nun das Marionettentheater Bille die irritierend aktuelle Geschichte zur Aufführung bringt, das ist schon eine kleine Sensation. Schließlich reden wir hier von Holzpuppen. Deren Gesichter sind zwar detailreich geschnitzt. Aber wie sie da behende über die mit rotem Stoff umrahmte Bühne federn, das sieht man doch nicht alle Tage. Dass sich auch Erwachsene für das Puppenspiel erwärmen lassen, bewies das Ensemble aber bereits mit "Doktor Faust" oder seiner Inszenierung von Mozarts Oper "Die Entführung aus dem Serail". Nun haben sie sich erstmals der Heiligen Nacht des 1867 in Oberammergau geborenen Ludwig Thoma angenommen: Das sei einfach ein schöner Stoff für die Vorweihnachtszeit und außerdem gut als Puppenspiel umzusetzen, erläuterte Florian Bille bei der Vorpremiere im Bürgerhaus - die Premiere ist am Samstag, 10. Dezember, im Sehbehindertenzentrum. Und: "Es gibt keine Unmöglichkeiten im Stück, die sich auf der Bühne nicht präsentieren lassen."

Bei einer brennenden Kerze erzählte der Sprecher Franz Luksch die Geschichte der Heiligen Nacht - unterbrochen von stimmungsvollen Einlagen der "I Musicanti Bavaresi", die in Tracht an Harfe und Streichinstrumenten saßen und quasi engelsgleich sangen. Andächtig, so lässt sich die Stimmung am besten beschreiben, die sich innerhalb weniger Minuten im Publikum entfaltete. Was nicht zuletzt an Luksch lag, der mit sonorer Stimme und gemäßigtem Sprechtempo aus dem Originaltext las. Einziges Manko: Wer des Baierischen nicht von Haus aus mächtig ist, der musste sich an manchen Stellen doch arg konzentrieren. Thoma soll den Dialekt seiner Heiligen Nacht seinerzeit der Gegend um Lenggries zugeschrieben haben.

Zweifellos ist es ein sozialkritisches Stück, das Thoma vor einhundert Jahren mit seiner Heiligen Nacht verfasst hat - zu einer Zeit, als er sich noch jener linksliberalen Gesinnung verpflichtet fühlte, die er lange im Satire-Blatt Simplicissimus vertreten hat und kurz, bevor er ob der drohenden Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg zum verbitterten Nationalisten wurde. Die feinen Spitzen und Pointen des Textes vertragen sich gut mit der weihnachtlichen Aura, die die kleine Bühne des Marionettentheaters umgibt: Maria und Josef sitzen an einem winzigen Tisch mit weißer Decke, Maria und Josef stapfen durch den Wald, Maria und Josef bitten vor einer schneebedecktem Stall um eine Unterkunft - wann immer der Vorhang aufging, gab es etwas Neues zu entdecken.

Besonders schön aber war das Licht, manchmal ein strahlendes Blau, dann wieder ein warmes Gelb, das die Figuren in den Szenen umhüllte. Florian Bille, der nach der Vorführung zufriedene Besucher verabschiedete, weiß um den Effekt einer ausgeklügelten Beleuchtungstechnik. "Das schafft Illusion", sagte er. Sonst wären es ja nur Bretter und Stoff. Und auch eine Puppe erwache erst durch die Fertigkeiten eines Spielers zum Leben. Mit 13 Fäden sind die eigens für die Heilige Nacht gefertigten Marionetten im Durchschnitt ausgestattet, und es gehört schon Erfahrung dazu, sie im Ausfallschritt verharren zu lassen, wie am Ende einer kurzweiligen Stunde die Hirten vor dem kleinen Jesus in seiner Krippe. Authentisch, aber alles andere als ein Kinderspiel. "Es gibt wahnsinnig viele Faktoren, die stimmen müssen", sagt Bille. So dürfe der Stoff der Kleider nicht zu starr sein. Und die Finger der Spieler erst recht nicht.

Die Premiere findet am Samstag, 10. Dezember, im Sehbehindertenzentrum Unterschleißheim statt, Beginn 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen sind dort am 16. und 23. Dezember.

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