Unterschleißheim:Umbauen, umziehen, Hilfe holen

Wohngemeinschaft für Senioren in Weimar

Hauptsache nicht ins Heim: Senioren sind laut einer Umfrage in Unterschleißheim sehr flexibel, wenn es darum geht, dieses Ziel zu erreichen.

(Foto: dpa)

Um im hohen Alter selbständig zu wohnen, können sich Unterschleißheimer Senioren laut einer Umfrage verschiedene Modelle vorstellen

Von Ulrike Schuster, Unterschleißheim

Mit 60 hat man noch Träume und den einen kennen alle: so lange es geht in der eigenen Wohnung wohnen bleiben und den Alltag selbstständig schaffen. Man hält sich jung, läuft den Trimm-dich-Pfad, spielt Verstecken mit den Enkeln und lässt den Salat nicht länger liegen. Dann aber, wenn der Schmerz immer öfter in Knie und Kopf schießt, fragt man sich: Wie lange komme ich noch die Treppe hoch, wie lange klettere ich noch in die Badewanne, jäte das Unkraut im Garten? Bis 80 oder gar 90?

Sicher ist: Das "Alleine-geht-nicht-mehr" soll einen nicht unvorbereitet treffen. Man beschäftigt sich mit möglichen Hilfsmitteln, Betreuungsformen, innovativen Wohnkonzepten, um das eine Schreckensszenario zu verhindern: ins Heim zu müssen.

Um zu erfahren, was gefragt ist, hat die Stadt Unterschleißheim die Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Altersforschung (AfA) engagiert. Die Experten für kommunale Wohnkonzepte im Alter sollen konkrete Maßnahmen vorschlagen, die den Menschen die Angst vor dem Altwerden nehmen. Was können Bürger, was kann die Gemeinde tun, um die Lebens- und Wohnqualität ihrer Senioren zu verbessern?

Dazu hat das privatwirtschaftliche Institut 7000 Unterschleißheimer ab 60 Jahren zu ihrer Wohn- und Bedarfssituation befragt. 2600 Bürger haben geantwortet, vergangene Woche stellte Ute Werner, Gerontologin und Leiterin der AfA, die Ergebnisse Interessierten vor.

67 Prozent der Befragten können sich vorstellen, in eine barrierefreie Wohnung in kleiner Wohnanlage umzuziehen. Sie sollte zentral liegen, Hilfsleistungen sollten von einem "Träger" organisiert und bei Bedarf abrufbar sein. Die meisten wünschen sich mehrere Generationen in der Anlage, nur acht Prozent sähen sich am liebsten ausschließlich unter Senioren.

Wer nicht umziehen will, wohnt bereits barrierefrei (25 Prozent) - "ein überraschend hoher Wert", so Werner, ist bereit seine Wohnung umzubauen (32 Prozent) oder sich auf den sogenannten "Senior-Studenten-Deal" einzulassen, Hilfe gegen Wohnen, genauer: Rasenmähen und Fensterputzen gegen Mini-Miete. 25 Prozent halten diese Wohnform für realistisch oder zumindest wünschenswert.

Helena Mollner hätte das gerne getan. Die 66-Jährige lebt seit 36 Jahren in einer Drei-Zimmer-Wohnung, sie ist alleinstehend, so wie ein Viertel der Unterschleißheimer über 60 Jahre. Bei den 85-Jährigen und älter sind es mehr als die Hälfte. Mollners Mann ist vor 15 Jahren gestorben, ihr Sohn fünf Jahre später an der Grippe. 780 Euro zahlt sie für ihre 76 Quadratmeter große Wohnung, 800 Euro Rente bekommt sie. "Die Wohnung ist zu teuer für mich alleine, bloß kleinere Wohnungen sind noch teurer", sagt Mollner, seit einem Jahr in Rente. Zuletzt arbeitete sie als Putzkraft beim Hautarzt, heute wäscht und bügelt sie die Praxiswäsche, macht 400 Euro pro Monat, ihr Zubrot zur Rente, das, was zum Leben bleibt. Ein Zimmer unterzuvermieten, würde das Leben sorgenfreier machen, doch der Hausherr lehnte ab. "Vielleicht ist es die Angst vor dem Einbrecher, die haben alle hier im Haus", sagt sie. Mollner selbst ist gelassen, wer wie sie nichts zu verlieren habe, bei dem sei auch nichts holen, sagt sie und lacht. Das einzige woran ihr Herz hänge, sind Cindy und Lilly, die Hunde. Und die Gräber von Mann und Sohn, deshalb will sie nicht raus aus der Stadt. Täglich besucht sie den Friedhof.

Ihre Tischnachbarin Christa Liebl plagt das Saugen, Schrubben und Wischen. Ein Putzteufel sei sie zwar nicht, aber Reinlichkeit und Ordnung müsse man als leidenschaftliche Hausfrau eben hochhalten. Seit dem Herzinfarkt im letzten Dezember funktioniere sie langsamer, brauche viele Pausen, "um den Schmerz zu verschnaufen", sagt die 69-Jährige. Küche und Bad schafft sie noch täglich, die übrigen 200 Quadratmeter Fläche verteilt sie scheibchenweise über die Tage. Seit Monaten ist Liebl auf der Suche nach einer Haushaltshilfe, in der Nachbarschaft habe sie schon herumgefragt und Adressen bekommen, "aber die sind voll bis oben hin, ausgelastet", sagt die Rentnerin. Auf ihren Mann Ludwig, 71, will sie nicht setzen, "mehr als Staubsaugen gelingt ihm nicht wirklich gut", sagt sie. Er sei keine Ausnahme, sie kenne keinen Mann, der mit dem Wedel unter die Oberfläche dringt. Seit bald 40 Jahren wohnen die Liebls in ihrem Reiheneckhaus mit steiler Treppe. Noch könnten sie sich vorstellen, umzuziehen, sie träumen vom ebenerdigen Bungalow.

In einem sind sich die Senioren mit ihren unterschiedlichen Sorgen und Wünschen einig: Egal, welche Maßnahmen die Stadt umzusetzen beschließt, eines dürfe sie in der Infrastruktur für Ihre Alten auf keinen Fall vergessen: Das Tanz-Café - das Nonplusultra. Wo kann man sich jünger fühlen als beim Disco Fox unter der Discokugel?

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