Gedenken an NS-Verbrechen:Unterschleißheimer Stadträtin bringt CSU in Erklärungsnot

Lesezeit: 2 min

Sie habe weder den Nationalsozialismus verharmlosen noch die Opfer verunglimpfen wollen: Lorena Allwein. (Foto: Claus Schunk)

Lorena Allwein gerät wegen Aussagen zu NS-Denkmal parteiintern unter Druck und entschuldigt sich.

Von Sabine Wejsada, Unterschleißheim

Die Aussagen der Unterschleißheimer CSU-Stadt- und Kreisrätin Lorena Allwein zu den geplanten Gedenkstätten für die im Zweiten Weltkrieg in der Lohhofer Flachsröste versklavten Zwangsarbeiterinnen beschäftigen auch den Kreisverband der Christsozialen. Wie der CSU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn in einer Stellungnahme schreibt, hat die Berichterstattung auch ihn "persönlich und als CSU-Kreisvorsitzenden alarmiert".

Allwein hatte vergangene Woche im Kulturausschuss der Stadt als einzige gegen das Gedenkstättenkonzept gestimmt und mit ihrer Begründung Empörung ausgelöst: Die 1986 geborene CSU-Kommunalpolitikerin bezeichnete den Ansatz wörtlich als "too much". An den Nationalsozialismus werde man "jeden Tag genug erinnert", sagte die Ortsvorsitzende der Frauen-Union. Ohnehin gebe es in München und Dachau "schon wunderbare Denkmäler, die schreckliche Erinnerung" müsse man nicht überall breit treten. Dazu stellte der CSU-Kreisvorsitzende Hahn am Montag fest: "Für die CSU München-Land ist klar, es kann keinen Zweifel an der barbarischen Einzigartigkeit des NS-Verbrechens geben. Dies habe ich am Wochenende den Spitzen der CSU Unterschleißheim umgehend deutlich gemacht."

Riegel nennt Allweins Äußerungen "brandgefährlich"

Stefan Schelle, der Vorsitzende der CSU-Kreistagsfraktion, kündigte an, mit der Fraktionskollegin sprechen zu wollen. Schelle nahm Allwein aber vor allzu scharfer Kritik in Schutz: Sie sei eine "konservative, sehr engagierte Christsoziale", aber fernab jeder rechtsextremen Tendenzen. Anders ihr früherer Parteifreund Florian Riegel, inzwischen parteiloses Mitglied der CSU-Gemeinderatsfraktion in Unterhaching: Er nennt Allweins Aussagen auf der SZ-Facebook-Seite "brandgefährlich". Er schäme sich dafür. "Es geht nicht um die Frage, ein weiteres Denkmal oder nicht, sondern um die Wirkung deiner Aussage in der Öffentlichkeit, um die Gesinnung, die du damit versteckt zum Ausdruck bringst." Riegel legt Allwein indirekt den Wechsel zur AfD nahe: Es gebe eine Partei, in der seien solche Parolen "salonfähig".

Allwein hat sich inzwischen schriftlich geäußert, was Hahn begrüßt: "Die von CSU-Stadträtin Lorena Allwein nun abgegebene Erklärung und Entschuldigung war dringend geboten." In ihrer Stellungnahme schreibt die CSU-Stadträtin, mit ihrer Äußerung habe sie weder den Nationalsozialismus verharmlosen noch dessen Opfer und deren Angehörige verunglimpfen wollen. Sie verweist darauf, dass ihr Ururgroßvater selbst im KZ ermordet wurde. "Deshalb möchte ich mich hier bei allen, die Anstoß an meinen Worten gefunden haben, ausdrücklich entschuldigen."

An ihrer Aussage hält sie aber fest: "Dem Denkmal kann ich ja grundsätzlich zustimmen, was mir too much ist, ist der Leidensweg, auf dem die Einzelschicksale gehypt werden sollen." Tatsächlich hatte der Kulturausschuss am 10. Oktober 2013 mit der Stimme Allweins die Planung eines Denkmals beschlossen. Auf ihrem Facebook-Profil zieht sie den Bedarf eines solchen jedoch erneut in Zweifel: "Obwohl ich finde, dass es nicht notwendig ist, weil die Erinnerung an die NS-Zeit durch die Gedenkstätte Dachau und Denkmäler in München omnipräsent ist", heißt es dort. In einem Facebook-Post vom Samstagabend heißt es darüber hinaus: "Daher distanziere ich mich deutlichst von den, mir gegenüber erhobenen Unterstellungen der Presse." Von ihren Aussagen zum Denkmal tut sie das dagegen nicht.

Beratungen in der Fraktionssitzung

CSU-Fraktionssprecher Friedrich Kiener hatte Allweins Einlassungen in der Sitzung eine "Einzelmeinung" genannt und betont, man könne gar nicht oft genug an die Verbrechen der Nazis erinnern. Der SZ sagte er am Montag, Allwein habe sich "in der Wortwahl vergriffen", was womöglich ihrer Jugend geschuldet sei. Der Unterschleißheimer CSU-Ortsvorsitzende Stefan Krimmer sagte: "Die Stellungnahme und Entschuldigung von Lorena Allwein nehme ich zur Kenntnis. Wir werden den Vorfall gründlich und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit beraten." Kommenden Montag will man mit Allwein in der Fraktionssitzung sprechen.

Kreis-Chef Hahn setzt ebenfalls auf diesen Termin: "Ich habe in die Führungskräfte des CSU-Ortsverbands das volle Vertrauen und bin mir sicher, dass man mit dem Fall verantwortungsbewusst umgeht." Ob Allwein für die CSU weiterhin tragbar ist oder, wie Kiener sagt, "auf Bewährung gesetzt wird", bleibt abzuwarten. Die Jusos München-Land haben Allwein wegen ihrer Aussagen zum Rücktritt als Stadträtin aufgefordert.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: