Unterschleißheim:Smarte Boom-Region

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Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck erkennt in dem alten Airbus-Gelände eine Chance für die Zukunft. Hier könnten sich Start Ups ansiedeln. (Foto: Florian Peljak)

Die acht Bürgermeister der Nordallianz wollen noch enger zusammenarbeiten und sich besser vernetzen

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Etwa 120 000 Einwohner mit einer durchschnittlichen Kaufkraft von 30 000 Euro pro Nase, 0,73 Arbeitsplätze, die rechnerisch auf einen Einwohner kommen, eine Wirtschaftsregion, die regelmäßig Top-Plätze bei allen möglichen Rankings belegt, dazu mehrere Universitäten, ein Flughafen - es ist eine Bombenstatistik, mit der die Nordallianz aufwartet.

Freilich ist die Nordallianz keine prosperierende Stadt, sondern nur ein loser Zusammenschluss von acht Kommunen im Norden Münchens: Unterföhring, Ismaning, Garching, Hallbergmoos, Neufahrn, Eching, Unter- und Oberschleißheim; weil die Orte aber immer mehr zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum zusammen wachsen und gemeinsam an den negativen Folgen des Dauerbooms leiden - Stichwort Verkehr - treffen sich die Bürgermeister schon jetzt regelmäßig und arbeiten in Zukunft noch stärker zusammen. Denn die Zukunft bringt Vernetzung, vor allem in digitaler Hinsicht. Wie das neue Zeitalter in der Nordallianz aussehen könnte, davon bekamen die Bürgermeister, Verwaltungsmitarbeiter und Firmenchefs kürzlich bei einer Tagung der Nordallianz einen lebhaften Einblick. Das Thema: "Smart City".

Die Stadt der Zukunft wird noch dichter, eine allumfassende Digitalisierung soll ihr Management erleichtern. Smart City heißt das Zauberwort der Stadtplanung von morgen, und es bedeutet auch Smart Energy, Smart Mobility, Smart Living oder Smart Health. Derlei Begriffe bekamen die Bürgermeister und Vertreter der acht Nordallianz-Kommunen denn auch viele zu hören, von Referenten aus dem bayerischen Cluster für Informations- und Kommunikationstechnologie, universitären Instituten, Beratungsfirmen, aber auch von Unternehmen wie SAP oder Osram. Sie alle entwarfen eine Zukunft, in der sich Bürger online informieren und mitreden, während sich intelligente, mit stromsparenden LED-Leuchten bestückte Straßenlaternen, nicht nur ausschalten, wenn keiner vorbei kommt, sondern auch Informationen bieten, von freien Parkplätze an über das Handy abgefragten Zielorten bis hin zu Staumeldungen, und gleichzeitig als Aufladestationen für Stromautos fungieren. Alles Zukunftsmusik, das war den etwa 50 Teilnehmern aus der Nordallianz klar, doch gleichzeitig ein Anstoß, sich für die gar nicht mehr so ferne Zukunft zu rüsten.

"Das war eine Auftaktveranstaltung, allen war klar, da entsteht etwas", sagte Rudolf Haggenmüller vom Unterschleißheimer Wirtschaftsförderverein ICU, der die Tagung mitinitiiert hatte. Seit 15 Jahren arbeitet der Mathematiker, IT-Fachmann und Dozent im Vorstand von ICU mit, die Situation jetzt erinnere ihn an den Anfang, sagte erzählte er nach der Tagung: "Damals sagten wir, das Internet wird unser Leben umkrempeln. So ist es auch gekommen, und jetzt ist es die digitale Transformation von Städten." Das Dranbleiben an der neuen Entwicklung hält er auch deshalb für so wichtig, weil sich Kommunen damit als Wirtschaftsstandorte ins rechte Licht rücken: "Die Firmen gehen dorthin, wo sie das Gefühl haben, da bewegt sich etwas." Auch die Bürgermeister der Nordallianz zeigten sich beeindruckt: "Sehr, sehr spannend", sagte Echings Bürgermeister Josef Riemensberger (CSU), Ziel der Auftaktveranstaltung sei gewesen, die Bandbreite der Möglichkeiten aufzuzeigen, das sei gelungen. Auch sein Unterschleißheimer Bürgermeisterkollege Christoph Böck (SPD) sprach von einem "fantastischen Auftakt". Bei ihrem nächsten Treffen Ende November wollen die Nordallianzbürgermeister bereits darüber reden, was als Projekte aufgegriffen werden könnte, entweder gemeinsam oder in den einzelnen Orten. Für Unterschleißheim sah Böck im geplanten Business Campus auf dem ehemaligen Airbusgelände ein geeignetes Übungsfeld, hier könnten Smart Buildings entstehen, verbunden mit ausgeklügelter Verkehrsführung. Auch Oberschleißheims Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) fand den Tag "sehr interessant", konnte sich aber auch vorstellen, dass manch ein Projekt am Geld scheitere.

Dass es sich bei der Nordallianz eben nicht um eine, sondern um acht Kommunen handelt, die zumindest in Konkurrenz um Gewerbesteuerzahler stehen, wurde offen thematisiert. Allerdings, betonte Garchings Bürgermeister Dieter Gruchmann (SPD), gehe man damit in der Nordallianz schon jetzt sehr fair damit um. "Es wird spannend, Themen zu identifizieren, die wir gemeinsam anpacken", sagte er. Das reiche von Verkehrsproblemen bis hin zu Sammelbestellungen für neue Straßenleuchten, "da gibt es nämlich bessere Konditionen". Auch der Neufahrner Bürgermeister Franz Heilmeier von den Grünen nannte die Veranstaltung hinterher "inspirierend". Er werde in der Nordallianz allerdings auch dafür eintreten, dass die zentralen Themen des Tagesgeschäftes, zum Beispiel konkrete Lösungen für den Öffentlichen Nahverkehr, nicht aus den Augen verloren werden.

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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