Unterschleißheim:Mit dem digitalen Ich zu Besuch bei der Kanzlerin

Unterschleißheim: Hans Georg Lambertz (3. von links) überreichte den ersten Preis der Bundeszentrale für politische Bildung an der Realschule.

Hans Georg Lambertz (3. von links) überreichte den ersten Preis der Bundeszentrale für politische Bildung an der Realschule.

(Foto: Therese-Giehse-Realschule)

Eine Klasse der Therese-Giehse-Realschule setzt sich mit der virtuellen Welt auseinander und gewinnt eine Fahrt nach Berlin

Von Britta Rybicki, Unterschleißheim

Jeder Mausklick auf Werbeanzeigen, Videos oder Beiträge hinterlässt Spuren im Internet. Und selbst, wenn die Suchmaschine nur dazu dient, sich auf das anstehende Chemiereferat oder den Test in Geschichte vorzubereiten, das Internet merkt sich dieses Verhalten. Was passiert dann mit den gespeicherten Informationen? Erst im Schülerprojekt "Hallo, ich bin dein digitales Ich" tun sich bei den Schülern der Therese-Giehse-Realschule Zweifel auf, wie geschützt ihre Privatsphäre im Netz wirklich ist. Künftig auf soziale Medien verzichten? Können sich die Zehntklässler nicht mehr vorstellen. Deswegen gehen sie diesem Problem weiter nach: In einem E-Book kombinieren sie Datenschutztipps mit ihren persönlichen Erfahrungen. Mit der durchdachten Arbeit beeindruckten sie nicht nur ihren Lehrer Andreas Müller, sondern auch die Jury des Schülerwettbewerbs der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie kommen neben 13 Teams in die engere Auswahl. "Wir waren überrascht, dass wir es dann sogar auf den ersten Platz geschafft haben", sagt Julian Würch.

Als im Unterricht plötzlich der Leiter des Wettbewerbs, Hans Georg Lambertz, der Klasse höchstpersönlich ihren Preis überreicht, können sie es kaum fassen: Sie gewinnen eine fünftägige Klassenfahrt nach Berlin. Sogar das Programm ist organisiert und bezahlt. "Besonders freue ich mich aber auf das Treffen mit der Kanzlerin Angela Merkel", sagt Julian.

Ein Glück, dass die ganze Mühe nicht umsonst war, meint ihr Lehrer Müller. Bereits in der Anfangsphase des Projekts bewältigen die Jugendlichen die größte Hürde: 24 Stunden Medienfasten. Es folgt das Chaos: Einige verschlafen, weil sie ihren Wecker am Smartphone nicht aktivieren können, andere müssen auf ihre digitale Zahnbürste verzichten. Eine Schülerin ärgert, dass sie ihr Outfit nicht "per Snap" - einem digitalen Foto - mit ihren Freundinnen abstimmen kann. Auch der Smoothie in der Früh wird ausnahmsweise nicht mit der Gemeinschaft auf Facebook geteilt. Die Jugendlichen sind erschreckt, wie abhängig sie offenbar von der virtuellen Welt sind. "Das Internet wegzudenken ist unmöglich", sagt der 15-jährige Julian.

Nach dem Verzicht bauen sie ihren Internetkonsum dann schrittweise wieder auf. Bei jedem Klick reflektieren sie allerdings dessen Auswirkungen. In zwei Wochen klügeln sie ein "digitales Ich" aus; sammeln Tricks für einen bewussteren Umgang mit dem Internet. Das Ergebnis: Wer seine privaten Angelegenheiten lieber für sich behalten möchte, bleibt anonym, tippt keine Passwörter ein und liest die Benutzerbedingungen wirklich gründlich, bevor er diese akzeptiert. "Es ist nicht falsch, schüchtern zu sein und nur selten etwas zu veröffentlichen", sagt Müller.

Für Julian und seine Mitschüler steht fest, dass sie sich künftig zweimal überlegen, welche Fotos oder Kommentare sie im Netz veröffentlichen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: